Nationalfeiertag mit Militärparade und Trachtengruppen

In Athen feierte die linke Regierung mit militärischem Protz den Unabhängigkeitstag als Symbol der Revolution auch gegen die Austeritätspolitik

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Am Abend erklärte Premierminister Alexis Tsipras, wieso die Feier des Tages ein Symbol der Revolution ist. Während in Athen die Feier stieg, tagte in Brüssel die Euro-Working-Group und entschied, dass Athen ab Montag ohne Liquidität dasteht. Auch der letzte Rettungsanker riss. Denn die Euro-Working-Group versagte der Regierung die Rückgabe von 1,2 Millionen fälschlicherweise an die Kreditgeber zurück überwiesenen Euros.

Bild: W. Aswestopoulos

Es ist so vieles surreal im heutigen Griechenland. Die Griechen feierten einen Nationalfeiertag, den 25. März, den Tag der Volkserhebung gegen die Osmanenherrschaft. Mitten im Athener Zentrum, an der U-Bahn-Station des Syntagmaplatzes verteilten Soldaten in Tarnuniform Winkelemente, kleine Wimpel mit der griechischen Flagge an alle Passanten. Dieses Bild erinnert an die untergegangene DDR.

In strömendem Regen nahm einige Treppenstufen höher, am Grab des unbekannten Soldaten, Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos die Militärparade ab. An ihm und der politischen Führung des Landes vorbei paradierten dutzende Leopard-II-Militärpanzer, welche, wie mittlerweile hinlänglich bekannt ist, allesamt über geschmierte Rüstungsgeschäfte zu einem überteuerten Preis an die Griechen verkauft wurden. Über den Wolken patrouillierten allwettertaugliche Kampf- und Rettungshubschrauber. Auch hier flossen, wie zuletzt Verteidigungsminister Panos Kammenos ermittelte, Schmiergelder in Millionenhöhe.

Hinter den Panzereinheiten marschierten die Pioniereinheiten der Marine, die Kampftaucher. Hätten sie ihr teuerstes Kriegsgerät, die schief im Wasser liegenden U-Boote mit Brennelementantrieb, dabei gehabt, die Show der Millioneneinkäufe des Rüstungswahnsinns wäre komplett gewesen.

Direkt nach der Parade veranstaltete die Links-Rechts-Regierung von Alexis Tsipras eine öffentliche Tanzdarbietung. Bei traditioneller Klarinettenmusik zeigten Trachtengruppen, dass auch bei Dauerregen getanzt werden kann. Dass ausgerechnet die Klarinette, ein im 18 Jahrhundert von deutschen Instrumentenbauern aus dem Chalumeau entwickeltes Blasinstrument als "traditionell griechisches Instrument" bezeichnet wird, zeichnet einen Teil der Tragik des Landes auf, das in der Krise seine Identität sucht.

Eher tragikomisch ist, dass ausgerechnet die SYRIZA-Partei zunächst die Militärparaden als Relikt aus nationalistisch-militärischen Zeiten abschaffen wollte. Dagegen stand die Tatsache, dass seit Ausbruch der Krise die Nationalfeiertage ohne Bevölkerung begangenen wurden. Aus Angst vor dem Zorn der Bürger hatten die Politiker die Paraden und Feierlichkeiten nur für sich veranstalten lassen. Die Plebs durfte das Ereignis daheim vor dem Fernseher bewundern. Den Brauch mit den Tanzgruppen fand zuletzt zu Zeiten der Militärjunta von 1967 bis 1974 statt.

Über soziale Netzwerke lieferten sich Anhänger und Gegner der Regierung heftige Dispute über Sinn oder Unsinn des Feierns. Besonders witzig war, dass der ultrakonservative Rechtsausleger Adonis Georgiadis von der Nea Dimokratia Tweets eines bekannten Anarchisten weiterverbreitete. Georgiadis fand am Nationalfeiertag viel Einigendes in den Worten des erklärten Gegners jeglichen Nationalstaatswesens.

"Es wäre lustig gewesen, wenn an jeder Waffe eine Tafel gewesen wäre, die dann den internationalen Preis des Geräts und das von Griechenland gezahlte Geld an die Militärausrüstung angegeben hätte", meinte ein Passant, der die Parade beobachtete. Es ist eine bittere Wahrheit und doch nur die halbe Wahrheit. Die Hellenen begehen den Tag des Volksaufstands genauso, wie sie im Herbst den Oxi-Tag, den Tag des Eintritts in den Zweiten Weltkrieg feiern. Sie feiern damit den Eintritt in Kriege. Den Frieden haben sie auch in 194 Jahren seit ihrer Erhebung nicht gefunden.

Bild: W. Aswestopoulos

Zumindest konnte Premierminister Alexis Tsipras dem ganzen Prozedere am Abend zahlreiche positive Facetten abgewinnen. Die Revolution der Griechen sah er als Fanal gegen die seinerzeit vorherrschenden Feudalsysteme. Zunächst hatten die Griechen sich sogar von diesen befreit, bevor, wie Tsipras in seiner Rede treffend bemerkte, "die Nordmächte den bayerischen König Otto von Griechenland von Gottes Gnaden einsetzten".

Tsipras sah die damalige griechische Erhebung in einer Reihe mit der Französischen Revolution, der Amerikanischen Unabhängigkeit und den napoleonischen revolutionären Reformen. Im zwischenzeitlichen Königtum vermutet er ebenso eine Konterrevolution, wie in der derzeitigen Austeritätspolitik der neoliberalen Parteien. Er hofft, dass er mit seiner Truppe nun die EU revolutionieren kann.

Wenige Tage nach seinem Besuch in Berlin, wo er gegenüber der Kanzlerin eher zurückhaltend auftrat, hat der junge Premier in der Heimat, wie es scheint, wieder zu seiner alten Revolutionsphilosophie zurückgefunden. Damit wären die Feiern des Nationalfeiertages erst recht berechtigt. Denn schließlich begehen die Hellenen den Eintritt in Revolutionen, Kriege und Kämpfe traditionell - sogar schon seit der Antike - mit einem Fest.