Naturkatastrophen: Wie gut ist Deutschland vorbereitet?

"Zeynep", im englischsprachigen Raum "Eunice", zerstörte auch das Dach der O2-Arena in London. Foto: Isochrone / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0

Energie und Klima – kompakt: Von Zeynep zu Zoltan: Die Einschläge kommen näher. Extremwetter werden zum neuen Normal. Wie steht es um die Anpassung?

Was für ein Jahr. Nicht nur die Auswirkungen von Kriegen brechen mehr und mehr in die zumindest oberflächlich friedliche Welt des saturierten westlichen Bürgertums ein, auch die Einschläge der Naturkatastrophen scheinen immer näherzukommen. Selbst hierzulande. Auch wenn es noch lange dauern wird, bis deren Folgen beim wohlhabenderen Teil der Bevölkerung ankommen.

Nach den Dürresommern der letzten Jahre, die den Wäldern mancherorts regelrecht den Garaus gemacht haben und den katastrophalen Niederschlägen, die im Juli 2021 im Ahrtal und im angrenzenden Rheinland ganze Ortschaften zerstörten und mehr als 180 Menschen töteten, war dieses Jahr für Deutschland das Jahr der Sturmfluten.

Bereits im Februar hatte das Orkantief "Zeynep" – in Dänemark, wo es ebenfalls für eine Sturmflut sorgte, wurde es "Otto" genannt – an der Nordseeküste Feuerwehren und Rettungsdienste auf Trab gehalten. Bei Windstärken zwischen neun und elf auf der Beaufort-Skala kletterten die Pegelstände vielerorts über die Sturmflutmarken. Hafenanlagen überschwemmt wurden, doch die Deiche hielten.

Erst Hamburger Hafencity, dann Ostseeküste

Auch die Hamburger Hafencity bekam nasse Füße, insgesamt waren die Ausmaße der Flut für die Nordseeküste und die dortigen Flussmündungen nichts Ungewöhnliches. Bis zum Herbst sollten noch drei weitere ähnliche Sturmfluten an der Nordsee folgen.

In der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober war dann zu Abwechslung einmal die Ostseeküste betroffen, wo extreme Wasserstände seltener auftreten. Dort erlebte man die seit Langem schwerste Sturmflut, die insbesondere in Kiel eine neue Höchstmarke erreichte. Anderswo wurden die Rekordmarken der großen Ostsee-Sturmfluten von 1872, 1904 oder 1995 nicht ganz überboten. Die Schäden waren dennoch enorm.

In Schleswig-Holstein seien 140 Millionen Euro für die kommunale Infrastruktur, 20 Millionen Euro für private Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie 40 Millionen Euro für Küstenschutzmaßnahmen notwendig sind, berichtet der NDR unter Berufung auf die dortige Landesregierung. Kurz vor Weihnachten war die Flut dort noch einmal Thema im Landtag.

Kritik: Gefahrenbewusstsein nur an Teilen der Küste

Der SPD-Abgeordnete Thomas Hölck kritisierte in der Debatte, dass an Teilen der Küste die vom Meer drohenden Gefahren nicht so ernst genommen wurden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass an der Ostsee Sturmfluten eine Seltenheit sind, während die Bedrohung an der Nordsee allgegenwärtig ist.

In vielen Gesprächen und bei Besuchen vor Ort habe er den Eindruck bekommen, so Hölck, dass es zahlreiche Mängel an den Deichen gibt, die Landesregierung aber keinen Überblick habe. Die Verantwortlichkeiten müssen besser organisiert werden. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten lägen eigentlich alle Deiche, die bewohnte Häuser schützen, in der Verantwortlichkeit des Landes.

Dies werde nur nicht immer beachtet; wichtige Deiche blieben den Kommunen überlassen. Küstenschutz ist in Deutschland Ländersache. Insofern ist die Bundesregierung formal wohl im Recht, wenn sie dem Land zwischen den Meeren Hilfe beim Wiederaufbau verweigert. Quasi als verfrühtes Weihnachtsgeschenk war diese Botschaft Mitte Dezember aus dem grün geführten Bundeslandwirtschaftsministerium eingetroffen.

Kleinpartei SSW sieht Absage als "Schlag ins Gesicht"

Gut aufgenommen hat man es in Kiel nicht. Stefan Seidler, einziger Bundestagsabgeordneter des SSW, der Partei der dänischen und friesischen Minderheit, dazu: "Diese Absage ist ein Schlag ins Gesicht der Leute bei uns im Norden." Zwar gebe es noch Spekulationen über Mittel aus anderen Töpfen, aber die Unterstützung bleibe ungewiss.

Und das, obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Hilfen zugesagt habe, so Seidler in einer Presseerklärung. Wenige Tage später kam dann eine weitere Sturmflut, diesmal wieder an der Nordseeküste. Am Morgen des 22. Dezember wurde von der Elbmündung eine schwere Sturmflut gemeldet. Sturmtief "Zoltan" hatte viel Wasser aus Nordwesten in die Deutsche Bucht und vor allem in die Elbmündung gedrückt.

Weiter im Norden stieg das Wasser nicht ganz so hoch. An den nordfriesischen Pegeln wurde nur eine gewöhnliche Sturmflut verzeichnet. In Hamburg stand die Hafencity wieder unter Wasser, auch der Fischmarkt war überflutet, doch das ist in der Hansestadt nichts Besonderes.

3,33 Meter über dem mittleren Hochwasserstand

Diesmal waren allerdings auch umliegende Straßen noch betroffen. Immerhin hatte der Pegel St. Pauli am Freitagvormittag 3,33 Meter über dem mittleren Hochwasser angezeigt. Nach der Definition des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) ist das eine schwere Sturmflut, und zwar an der Grenze zur sehr schweren, von der ab 3,5 Meter über dem mittleren Hochwasserstand gesprochen wird.

Sturmtief "Zoltan" sorgte auch im in Inland für reichlich Wind und Niederschläge. Am 21. und 22. Dezember deckten die Windenergieanlagen 48 Stunden lang mindestens 74 und kurzzeitig sogar über 93 Prozent des Strombedarfs im ganzen Land ab. Derweil sorgte der reichliche Regen dafür, dass in Nordrhein-Westfalen am 22. mancher Fluss über die Ufer zu treten drohte, wie der WDR berichtete.

Übrigens: Der Anstieg der Meere, der sich, wie berichtet, beschleunigt, hat auch Auswirkungen auf die Sturmfluten. Je tiefer das Wasser vor der Küste, desto höher können die Wellen auflaufen. Zu einer Sturmflut kommt es an der deutschen Nordseeküste, wenn ein Sturmtief durchzieht und der Wind für längere Zeit aus Westnordwest da Wasser in die Deutsche Bucht drückt.

Wenn Gezeitenkräfte sich addieren

Besonders brenzlig wird es, wenn diese Bedingungen mit Neu- oder Vollmond zusammenfallen. Dann stehen nämlich Sonne, Mond und Erde auf einer Linie, und die Gezeitenkräfte unseres Zentralgestirns addieren sich mit denen des Erdtrabanten. An diesen Tagen ist das normale Hochwasser besonders hoch. Doch das war am 21. Dezember nicht der Fall, andernfalls wäre die Sturmflut noch höher ausgefallen.

Davon abgesehen warnt das BSH allerdings davor, dass die Sturmflutwetterlagen zunehmen könnten. Eine Untersuchung des Amtes mit Klimamodellen hat ergeben, dass die Tage mit Sturmflutwetter um zehn Prozent zunehmen werden, wenn die Treibhausgasemissionen nicht drastisch zurückgefahren werden.

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