Neue Technologien und das älteste Gewerbe der Welt

Facebook soll das wichtigste Marketingwerkzeug von New Yorker Prostituierten werden

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Der Soziologe Sudhir Venkatesh von der New Yorker Columbia University untersucht seit einem guten Jahrzehnt, wie sich die Gentrifizierung um den Times Square auf die Arbeit von New Yorker Prostituierten auswirkt. Dabei stellt e er fest, dass sich im Zuge des Umbaus der Innenstadt von billigen hin zu teuren Restaurants und Unterhaltungsangeboten auch der Markt für sexuelle Dienstleistungen wandelte - nämlich weg von der Straßenprostitution mit Zuhälter und hin zu Escortagenturen und selbständigen Gewerbetreibenden in Wohnungen.

Wie Venkatesh jetzt in einem Aufsatz für Wired bekannt machte, spielt bei diesem Wandel auch die Technologie eine entscheidende Rolle: Internetangebote und mobile Kommunikationstechnologien führten dazu, dass Prostituierte teilweise ihr Marketing selbst in die Hand nahmen und auf Zuhälter verzichteten. Von den elf Zuhältern die Venkatesh bei seinen Forschungen kennenlernte gaben alle innerhalb von vier Jahren ihren Beruf auf. Einer von ihnen ging zum Militär und zwei wurden obdachlos.

Das beliebteste Smartphone bei den vom New Yorker Soziologieprofessor untersuchten 290 Prostituierten ist mit 70 Prozent Anteil der Blackberry, der bei amerikanischen Geschäftsleuten immer noch sehr verbreitet ist und offenbar auch in der Halbwelt einen Hauch von Seriosität verleiht. Auf Platz zwei folgt das iPhone mit 19 Prozent. Alle anderen Smartphones bringen es zusammen auf 11 Prozent.

Bei den Online-Marketinghilfen schätzt Venkatesh, dass Facebook, wo bereits jetzt 83 Prozent der von ihm befragten Prostituierten ein Profil hatten, bald die wichtigste Rolle spielen wird. Die Kleinanzeigensite Craiglist, wo 61 Prozent der Befragten inserierten, steht wegen eben solchen Kleinanzeigen unter rechtlichem Beschuss und löschte im letzten Jahr ihre "Adult"-Rubrik, weshalb erwartet wird, dass sie in Zukunft eine geringere Rolle bei der Vermittlung bezahlter sexueller Kontakte spielen wird.

Arbeitet eine Prostituierte selbständig von zuhause aus, dann kommt sie mit durchschnittlich 150 Dollar pro Dienstleistung auf doppelt so hohe Bruttoeinnahmen wie eine, die auf der Straße um Kunden wirbt. 1 Letztere muss zudem ein Viertel oder mehr an ihren Zuhälter abführen, was normalerweise deutlich mehr ist als das, was eine Selbständige für Marketing und Handwerkszeug ausgeben muss. Agenturen verlangen zwischen 350 und 2.000 Dollar und behalten die Hälfte für Vermittlung, Sicherheit und ihren "guten Namen". Bei Kunden sind Escortagenturen unter anderem deshalb beliebt, weil manche davon Rechnungen mit verschiedenen legalen Dienstleistungen ausschreiben, die teilweise von der Steuer abgesetzt werden. Viele selbständige Prostituierte gestalten ihre Webauftritte deshalb so, dass sie wie die von "Agenturbegleiterinnen" erscheinen.

Auch die Probleme mit der Polizei verringern sich deutlich, wenn eine Prostituierte nicht auf der Straße steht. Allerdings könnte sich das in dem Grad ändern, in dem Behörden Facebook als virtuelle Straße entdecken. Durch die elektronische Kontaktanbahnung haben Sexarbeiterinnen zudem mehr Informationen über ihre Kunden, was zumindest das subjektive Sicherheitsgefühl erhöht.

Andere Sachen dagegen ändern sich auch durch Technologie nicht: So verschweigt der Großteil der Prostituierten weiterhin ihre Gelderwerbsquelle vor Verwandten. Das klappt unter anderem deshalb, weil ein großer Teil der Prostituierten auch noch einen anderen Job ausübt: Die meisten sind Serviererinnen oder Verkäuferinnen. Zwei der Befragten verdienten ihr Geld als Darstellerinnen in Daily Soaps.

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