Neue Theorie vom Ursprung des Lebens

Waren die ersten Organismen Höhlenbewohner?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie das Leben begonnen hat, ist noch ein Rätsel. Manche glauben, daß Sporen von Mikroorganismen auf Meteoriten durch das Weltall gereist, auf der Erde gelandet sind und so den Startschuß zur Besiedlung gegeben haben (Woher stammt das Leben?). Bislang ging man in aller Regel davon aus, daß Leben im Wasser entstanden sei. Durch Blitzentladungen bildeten sich in der "Ursuppe" aus Aminosäuren die ersten organischen Stoffe, die sich womöglich zu kleinen Kugeln als Urformen des Lebens zusammenfanden. Doch im Wasser würden die ersten organischen Moleküle von Wellen und Strömungen wieder leicht auseinanderfallen, und die vor mehr als 3,5 Milliarden viel stärkere Bestrahlung durch ultraviolettes Licht würde jedes Leben schnell wieder zerstören.

Graham Cairns-Smith hatte schon Mitte der 80er Jahre ein anderes Modell vorgeschlagen. Für ihn entstand Leben möglicherweise auf Tonmineralien, auf deren Grundlage sich die ersten Informationsträger gebildet haben könnten. Silikate enthalten viele freie Stellen, die von anderen Atomen besetzt werden können, ohne daß dadurch die Grundstruktur zerstört wird. Bei der selbstorganisierten Kristallbildung können sich "Fehler" ereignen, die die Bildung von neuen Strukturen begünstigten. Cairns-Smith schlägt vor, daß Tonmineralien die Bildung und Festigung von ersten Informationsträgern begünstigt haben, die sich im Zuge der Evolution dann aber davon loslösten.

Normalerweise aber stoßen die meisten Mineralien und auch Ton organische Moleküle ab. Wissenschaftler aus Edinburgh und Chicago haben auf der Grundlage der Anregung von Cairns-Smith jetzt in den Proceedings of the National Academy of Sciences einen neuen Vorschlag gemacht: Leben könnte in den labyrinthischen Röhrennetzwerken auf den Oberflächen von Felsen entstanden sein. Der Stein der Weisen sei der Feldspat, der häufig in Felsen zu finden ist und organische Moleküle nicht abstößt. Durch im Regen enthaltenen Säuren bildeten sich kleine Poren in der Breite von einem Tausendstel Millimeter Breite und einer Länge von einem Hundertstel Millimeter. Eine Million solcher Poren können in jedem Quadratmillimeter zu finden sein und bilden eine riesige Oberfläche mit winzigen Höhlen, die das beginnende Leben schützten und zusammenhielten. Erstaunlich sei eben, daß Bakterien genau die Größe dieser Höhlen hätten, was anderweitig schwierig zu erklären wäre. Das Regenwasser und die von ihm ausgeschwemmten Mineralien stellten die Aufbaumaterialien der ersten Höhlenbewohner dar.

Die Forscher nehmen an, daß sich in diesen Schutzbehältern organische Moleküle sammeln und stabilisieren konnten. Möglicherweise könnte die Porentheorie auch eine Erklärung für die Entstehung der Zellwand liefern. Wenn kein Regen mehr fällt, trocknete das Leben in den Poren immer wieder aus und entwickelte so als Schutz ein fetthaltiges Schild am Eingang. Mit der Zeit könnte dieser Deckel nach außen gewachsen sein und dort Nährstoffe aufgenommen haben. Und schließlich konnten die ersten Organismen die Pore im Stein auch verlassen, wenn sie von der Schutzschicht ganz umschlossen waren und so die erste Zelle gebildet hatten.

Natürlich ist das alles Spekulation und bislang nur eine weitere Theorie über die Ursprünge des Lebens. Aber sie ist auch deswegen faszinierend, weil so Leben auch auf anderen Planeten entstanden sein oder in den geschützten winzigen Höhlen noch immer zu finden sein könnte.