Neues Unternehmen sucht DNA-Spender

Gesucht werden Hunderttausende von Spendern, um eine lukrative vergleichende Datenbank mit den individuellen genetischen Informationen aufbauen zu können

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Das menschliche Genom ist mehr oder weniger sequenziert. Jetzt beginnt die wesentlich interessantere und lukrativere Phase der Auswertung, die Identifizierung der Gene und ihrer Funktionen sowie die Analyse der vielen genetischen Unterschiede bei den Individuen. Für die Erkenntnis der genetischen Ursachen von Krankheiten und die Entwicklung entsprechender, auch auf den Einzelnen zugeschnittenen Medikamenten ist die Analyse der individuellen genetischen Variationen unumgänglich.

Unter anderem mit James Watson, dem Mitentdecker der Doppelhelix der DNA, als Direktor und mit James Clark, dem Gründer von Netscape, als Investor, ist die im letzten Jahr aus der Taufe gehobene Firma DNA Sciences heute mit einem ehrgeizigen neuen Projekt gestartet. Gegrndet wurde ein "Gene Trust", der die Absicht hat, von vielen hunderttausend freiwilligen Spendern DNA-Proben zu sammeln und damit eine DNA-Datenbank aufzubauen. Die aus der Analyse der Genproben gewonnenen Erkenntnisse sollen an Forschungsinstitute und Unternehmen lizenziert werden. DNA.com will auch mit Pharmafirmen zusammenarbeiten, um neue diagnostische Verfahren und neue Therapien zu entwickeln. Und ganz allgemein will DNA.com, das mit Healtheon/Web MD kooperiert, zu einer Art Portal für Kunden werden, die Informationen über Genetik und Gentherapie erhalten wollen.

Natürlich ist DNA.com mit dem Aufbau einer Datenbank mit SNPs (single nucleotide polymorphisme) nicht ohne Konkurrenz. SNPs sind Varianten der Nucleotiden in den Genen, die sich bei den Menschen unterscheiden. SNPs, können Aufschluss darüber geben, warum bestimmte Menschen für bestimmte Krankheiten anfälliger sind, aber natürlich auch, wie sich spezifische Medikamente zur Behandlung entwickeln lassen. Neben Pharma-Unternehmen wie Novartis oder Glaxo Wellcome, die so etwas auf eigene Faust machen, gibt es mittlerweile auch eine Reihe von neuen Firmen, die sich auf die Erhebung und Auswertung dieser genetischen Daten spezialisiert haben. Anders als beim herkömmlichen Verfahren, nur aus der Untersuchungen von wenigen Familien, in denen eine Krankheit vererbt wird, die genetische Ursache festzustellen, geht es bei der Identifizierung der SNPs oder der genetischen Grundlage von Krankheiten, an denen viele Gene beteiligt sind, um Massenuntersuchungen. Bislang wurden eher seltene Krankheiten identifiziert, die oft nur durch die Veränderung eines einzigen Gens verursacht werden.

Allein letzte Woche sind zwei neue Unternehmen an die Börse gegangen. Da ist einmal deCODE Genetics, eine umstrittene Firma, die möglichst die genetischen Daten aller Isländer (275000) zu vermarkten sucht (Gendatenbank für eine ganze Nation), und dann gibt es noch Gemini Genomics, eine britische Firma, die eine umfangreiche Datenbank mit DNA-Proben und medizinischen Befunden von Zwillingspaaren besitzt. Auch Estland will versuchen, ein Datenbank mit den genetischen Informationen der gesamten Bevölkerung (1,4 Millionen) einzurichten, um als Standort für die Biotechnologie interessant zu werden. Genomics Collaborative will durch eine Kooperation mit Ärzten und Krankenhäusern an Gen-Proben herankommen. Auch ein letztes Jahr gegründetes Konsortium, an dem sich 10 große pharmazeutische Unternehmen, darunter Bayer, Hoffmann-La Roche, Novartis und Hoechst Marion Roussel, und vier britische und amerikanische universitäre Forschungslabors sowie die Stiftung Wellcome Trust beteiligen, hat sich eine Analyse von möglichst vielen SNPs zum Ziel gesetzt. Vor kurzem hat das SNP Konsortium angekündigt, mit dem Human Genome Project zu kooperieren (Gemeinsame Jagd nach dem Genom).

DNA.com also versucht zu diesem Zweck, möglichst viele Freiwillige für den "Gene Trust" zu gewinnen. Selbstlos sollen sie, natürlich ohne Bezahlung, eine Fragebogen online ausfüllen und eine Blutprobe von sich entnehmen lassen, damit die Firma "eine riesige Datenbank mit Informationen über Menschen - körperliche Merkmale, Gesundheitsgeschichte, Reaktionen auf Behandlungen etc." erstellen kann, durch die sich der medizinische Fortschritt beschleunigen soll. Daher liege der Aufbau einer solchen Datenbank nicht nur im kommerziellen Interesse von DNA.com, sondern auch im Interesse jedes einzelnen DNA-Spenders, der so für das Wohl der Menschheit sorgt: "Das Wissen, das wir vom Gene Trust erhalten, kann die Medizin für immer verändern. Aber das können wir ohne Ihre Hilfe nicht erreichen."

Was neben den Besitzverhältnissen den Datenschutz anbelangt, verspricht DNA.com, dass alle Daten strikt vertraulich behandelt und keine Informationen an die Öffentlichkeit gelangen werden, durch die sich einzelne Menschen ohne ausdrückliche Genehmigung identifizieren lassen, wenn man dazu nicht gesetzlich verpflichtet werde. Auch wenn also das Unternehmen die Daten nicht mit persönlichen Informationen verknüpft und seine Systeme hackersicher machen sollte, besteht die Gefahr natürlich auch immer darin, dass die einmal vorhandenen Informationen staatlicherseits einmal genutzt werden könnten. Die Begehrlichkeiten wachsen mit den Möglichkeiten. Zumindest hätten Sicherheitskräfte so umfangreiche Gendatenbanken zur Verfügung. Nur ein kleiner Kreis von Mitarbeitern habe Zugriff auf die Daten, Wissenschaftler von Universitäten oder Unternehmen sollen nur auf Gruppendaten zugreifen können, so dass einzelne Menschen nicht identifiziert werden können.