Neues vom Fruchtzwerg

Big Brother sperrt Journalisten aus

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War es kommerzielle Absicht, schlichter Größenwahn oder einfach nur Dummheit? Die wahren Motive der PR-Agentur "Stoffels Media Consulting", die für das Endemol-RTL2-Containerprojekt "Big Brother" (BB) die Pressearbeit macht, sind nicht bekannt. Fakt ist jedoch, dass am vergangenen Donnerstag die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) von Vertretern der Agentur Stoffels daran gehindert worden ist, über den Einzug von Verona Feldbusch ins BB-Haus zu berichten. Ein nicht nur ungewöhnlicher, sondern auch einmaliger Vorgang bei einem kommerziellen Großereignis dieser Art. Und gleichzeitig ein Eingriff in die Pressefreiheit dieses Landes.

Associated Press zog daraufhin auch die Konsequenzen und gab noch am gleichen Abend bekannt, dass sie künftig über "Big Brother" nicht mehr berichten werde: "Die für die Öffentlichkeitsarbeit der TV-Show ,Big Brother' Verantwortlichen haben selektiv Rechte für die Berichterstattung über den Einzug von Verona Feldbusch in den Wohncontainer an Nachrichtenagenturen vergeben. Associated Press wurde trotz intensivster Bemühungen von dieser Berichterstattung ausgeschlossen. Die Zuständigen haben sich geweigert, AP-Reportern Zutritt zum Gelände oder andere Informationen zu geben, die für eine unabhängige Berichterstattung unerlässlich sind. (...) Auf Grund dieser Vorkommnisse sehen wir uns gezwungen, zukünftig auf eine Berichterstattung über die TV-Show ,Big Brother' insgesamt zu verzichten."

Besonders verärgert ist AP, weil gleichzeitig Journalisten und Fotografen der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters auf das Gelände gelassen wurden. Der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung sagte dazu AP-Chefredakteur Peter Gehrig: "Veronas Einzug ist ein öffentliches Ereignis, und die Verantwortlichen schließen uns als Nachrichtenredaktion aus. Das habe ich noch nie erlebt. Ich vermute kommerzielle Gründe. Oder es sind keine Profis. Diese Auswüchse stimmen mich nachdenklich."

Vermutlich stimmt beides: So bezeichnete ein Insider des BB-Projekts die für den Vorfall mitverantwortliche Agentur-Mitarbeiterin Eren Kiziltan vielsagend als "sehr nett und bemüht". Und arg bemüht wirkte dann auch ihre Erklärung zu der Aussperrung von AP. Exklusivverträge gebe es nicht, meinte Kiziltan. Man habe halt, um den Andrang der Medienvertretern zu beherrschen, irgendwo Grenzen setzen müssen.

Und wer die Qual der Wahl hat, entscheidet sich eben dann gern für nette Verwandte im Geiste, also vor allem für die Bild-Zeitung, die neben dpa und dem Hausfotografen künftig als einzige Medienvertreterin offenbar aufs Gelände darf.

Dennoch könnte sich der Vorfall zu einem folgenschweren Eigentor entwickeln, weil er den Gegnern - auch und gerade den Landesmedienanstalten - neuen Stoff für ein mögliches Verbot der für den September geplanten zweiten "Big-Brother"-Staffel liefert. Schließlich werden nicht nur, wie zuvor heftig beklagt, die Persönlichkeitsrechte der Kandidaten mit Füßen getreten. Sondern es wurden sogar persönliche Krisen wie die der hochverschuldeten Kandidatin Sabrina sensationsheischend durch Medienpartner von Endemol ausgeschlachtet. Und nun wird halt auch noch die freie Berichterstattung über "Big Brother" massiv behindert.

Das sollte allerdings auch den AP-Kollegen von dpa und vielleicht sogar von der Bild-Zeitung ein wenig zu denken geben. Denn ohne ergänzende öffentliche Berichterstattung ist selbst ein größenwahnsinniger Big Brother nur ein geschmackloser Fruchtzwerg.