New Yorks Polizei will exzessive Gewaltanwendung eindämmen

Polizeichef William Bratton bei der Vorstellung der geplanten Reformen. Bild: NYPD

Dazu werden neben neuen Regeln und Formularen 900 Taser-Elektroschockwaffen ausgegeben

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Polizei von New York, das NYPD, will mit neuen Regeln, vereinheitlichten Berichten, einer besseren Ausbildung in "Smart Policing" und mehr nichttödlichen Waffen versuchen, den in letzter Zeit wieder scharf kritisierten Einsatz von Gewalt durch Polizisten einzudämmen und möglichst genau zu dokumentieren. Gestern hat William Bratton, der Leiter des NYPD, einen Bericht über die Maßnahmen vorgelegt, die ab nächstem Jahr in Kraft treten sollen.

Die Reform ist eine Folge der Kritik des für die Polizei zuständigen Generalinspekteurs, dessen Bericht gestern veröffentlicht wurde. Hier wurde vor allem bemängelt, dass die Anweisungen für die Anwendung von Gewalt für die Polizisten nur "vage und ungenau" sind und die Ausbildung ungenügend ist. Häufig, d.h. in mehr als einem Drittel der überprüften Vorfälle, seien Polizisten nicht diszipliniert worden, "die Gewalt ohne Rechtfertigung" angewendet haben. Untersucht wurden 179 dokumentierte Fälle exzessiver Gewaltanwendung zwischen 2010 und 2014. Die nach dem Bericht "angesichts der Größe der NYPD bemerkenswert geringe Zahl" sei ein Beleg für die sowieso geübte Zurückhaltung der Polizei. Die meisten Beschwerden kamen von Schwarzen gegen weiße Polizisten, der Bericht will aber "kein statistisch signifikantes Verhältnis" zwischen Ethnien der Polizisten und derjenigen der Opfer sehen.

Einer der wichtigsten Schritte, willkürliche oder exzessive Gewalt seitens der Polizisten zu reduzieren, dürfte die Anweisung sein, bei exzessiver Gewaltanwendung von Kollegen gegen diese einzuschreiten und diese zu melden. Falls dies nicht geschieht, drohen disziplinäre Strafen bis hin zur Entlassung. Ähnlich bestraft werden soll, wer nicht auf Bitten eines Menschen nach medizinischer Betreuung reagiert. Systematisch soll jetzt über den Einsatz von Schusswaffen und Gewaltanwendung bei Festnahmen hinaus auch jede andere Form der Gewalt durch Zeugenaussagen, Beschwerden, Videos von Anwesenden oder BodyCams der Polizisten dokumentiert werden: Schläge mit dem Knüppel, Pfefferspray, körperlicher Zwang … Ebenso soll auch jede Gewalt dokumentiert werden, die Polizisten erleiden müssen, wenn sie geschlagen, bespuckt oder anderweitig angegriffen werden.

Allerdings sind Verhaltensregeln mit Strafandrohung das eine, deren Einhaltung und Umsetzung etwas anderes. Bekannt ist, dass Polizisten sich oft gegenseitig decken und exzessive Polizeibrutalität auch oft nur durch zufällig von Zeugen gemachte Videoaufnahmen aufkommen. Eine eigene Abteilung soll eingerichtet werden, um den Gebrauch von Schusswaffen und Todesfälle von Verhafteten zu untersuchen. Wenn es allerdings stimmen sollte, dass 2014 Gewalt nur bei 2 Prozent der Festnahmen ausgeübt worden sei, dann wäre dies bereits ziemlich wenig - oder weist daraufhin, dass manche auf Beschwerden von vorneherein verzichten und Gewalt vertuscht wird.

Zuvor hatte das NYPD bereits mit einem Test begonnen, Polizisten mit Kameras auszustatten, wie das Ende des letzten Jahres von Barack Obama gefordert wurde und was bereits einige Polizeidienststellen eingeführt haben. Das NYPD lässt zunächst 45 Polizisten mit BodyCams auf Streife gehen und will demnächst 1000 damit ausstatten. Dabei sollen die Polizisten beachten, die Kameras beim Umgang mit Verdächtigen einzuschalten, die aber abzuschalten, wenn sie mit Opfern oder Informanten zu tun haben. Die Videos sollen 18 Monate lange aufbewahrt werden.

Bislang haben nur wenige Polizisten Taser-Elektroschockwaffen. Jetzt erhalten Streifenpolizisten 900 weitere, um dadurch den Einsatz von Schusswaffen zu senken. Allerdings ist die Gefahr bei solchen so genannten "nichttödlichen" oder "weniger tödlichen" Waffen, dass sie schneller und unbedenklicher eingesetzt werden, weil sie weniger gefährlich sind. In vielen Fällen werden Elektroschockwaffen unnötig und zur Demütigung von Polizisten verwendet. Die Verwendung von Schusswaffen ist mittlerweile selten geworden. 2014 berichtete das NYPD von 79 Fällen, in 35 Fällen schoss ein Polizist auf eine Person, 10 Menschen wurden dabei getötet.

Die einheitliche Erfassung aller Formen der Gewaltanwendung von und gegenüber Polizisten in den "Force Incident Reports" soll auch dazu dienen, überhaupt erst einmal genaue Daten über Art und Ausmaß zu erhalten, um möglicherweise eingreifen zu können. Jährlich soll ein Bericht veröffentlicht werden, um auch gegenüber der Öffentlichkeit mehr Transparenz zu schaffen. Aber wenn sich die "Kultur" der Polizei nicht ändert, werden neue Vordrucke für Berichte wohl wenig daran ändern, ob exzessive Gewalt berichtet wird. Dass den Polizisten explizit verboten wird, Gewalt als Rache, Strafe oder zur Verhinderung zu verwenden, dass ein Verdächtiger schnell noch Drogen schluckt, ist auch gut gemeint. Insgesamt soll die Pflicht der Polizisten herausgearbeitet, Menschen zu schützen und deeskalierend zu wirken. Man wird sehen.