Nur die Doofies sind sicher

Ein Blick in Benjamin von Stuckrad-Barres Online-Tagebuch und auf seine neue CD

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Große Wahrheiten gelassen aussprechen, ist gar nicht so einfach. Benjamin von Stuckrad-Barre (BSB) kann es: "Rückwärts am Hang einparken, ist die Hölle!"

Benjamin von Stuckrad-Barre

Wer so wissend mit der Welt umgeht, der ist natürlich auch im Internet vertreten, wo er sich allerdings überraschend bescheiden auf seiner Homepage vorstellt: "Benjamin von Stuckrad-Barre wurde am 27. Januar 1975 in Bremen geboren. Er wohnt in Berlin zwei Stockwerke über einem Friseur. Daher die Frisur: Rabatt."

Auch diese Netzseite gehört natürlich zum ausgeklügelten Konzept, mit dem der Literat und FAZ-Redakteur vermarktet wird. Seine Bücher und seine neue CD können also von der Homepage mit einem Mausklick via Amazon.de sofort bestellt werden. Das ist modern und damit bequem. Doch neben diesem fast schon üblichen Marketing-Allerlei findet man auf den Seiten auch ein Tagebuch seiner letzten Lesetournee, in Form einer kleinen Bildergalerie mit kurzen Bemerkungen des 25-Jährigen über Land und Leute, Freunde und Feinde. Und wer sich dann durch die Geschichten klickt, kann durchaus etwas lernen: "Der Visagist wusste zu berichten, dass viele Amerikaner Hämorrhoidensalbe gegen Augenfalten benutzen." Ob’s hilft, da sollte man allerdings nicht so sicher sein, denn:

"Wenn ein Box-Coach ein Handtuch auf den Boden wirft, heißt das: Aufgabe, Abbruch. Wenn ein Hotelgast das tut, heißt es: neue Handtücher bitte. Wenn ein tourneereisender Hotelgast sein Handtuch wirft, kann das - angesichts solcher Tristesse - beides bedeuten. Das Hotelpersonal ist deshalb nie ganz sicher, was gemeint ist. Aber sicher ist ja keiner heutzutage. Nur die Doofies."

Und wer möchte das schon sein? Wobei der Jungdichter gerade die Doofies, die Geschmacklosen und -verirrten in unseren Medien gern ins Visier nimmt, um sie gemein und hinterfotzig, also witzig in seinen Texten zu "schlachten". Opfer seiner inszeniert wütenden Attacken sind solch ehrenwerte Figuren wie Heiner Lauterbach, die Scorpions, Katja Riemann oder die süße kleine Tigerente.

Die, schrieb er, "ist wie ein Hakenkreuz - wenn man es sieht, weiß man, man ist am falschen Ort und unter schlechten Menschen." Worauf wiederum ein Kritiker der Berliner Morgenpost knallhart urteilte: "In so jungen Jahren bereits solchen erbärmlich geschmacklosen Blödsinn zu verzapfen, schafft nun auch nicht jeder." An dem jungen Mann muss also was dran sein. Das meinen viele, wie die Verkaufszahlen seiner Bücher beweisen ("Soloalbum" und "Livealbum" hatten eine Auflage von jeweils 150.000 Büchern.). Und wie es auch der stets enorme Besucherandrang bei seinen Lesungen zeigt. Dabei sind literarische Lesungen ja Veranstaltungen, die so interessant sind wie das Abendprogramm auf Super RTL. Und bei denen man sich oft fragt: Wer ist hier eigentlich masochistischer veranlagt: die Zuhörer oder der lesende Dichter? Doch die Auftritte von Stuckrad-Barre haben damit zum Glück nicht das Geringste zu tun. Seine Lesungen werden, wenn er denn in Form ist, von ihm zelebriert wie Popkonzerte, vor einer treuen Gemeinde von Fans, die jede kleine Geste ihres Dichters bestaunen und bejubeln und hin und weg sind, wenn BSB gegen die Doofies außerhalb des Saales ins Feld zieht.

Wie sich das zumindest anhört, verrät jetzt seine neue Doppel-CD "Bootleg" (Preis: knapp 30 DM), die Ende dieser Woche erscheint. Und wer genau zuhört, wie Stuckrad-Barre beispielsweise einen Text aus dem Magazin "Instyle" vorliest, wie er ihn dabei knapp, aber treffend kommentiert und genau dadurch der gerechten Lächerlichkeit preisgibt, der fühlt sich schnell an Harald Schmidt erinnert. Doch BSB, der eine Zeitlang Texter von Schmidt war, hat noch einen anderen Ahnherr: Karl Kraus, dessen Abscheu vor Sprachmüll jeglicher Art und Couleur er augenscheinlich teilt. Und dabei erwischt es halt nicht nur ein Lied von "Pur": "Ein Tu-Wort wie ,seelenaneinanderreiben‘ möchte ich nicht hören. Das ist ekelhaft. Dagegen muss man vorgehen, solange man lebt." Sondern auch mal einen Marburger Journalisten:

"Mike Roth, bester Feuilletonist im Hause der beliebten MNZ schaffte, was nicht vielen gelingt. In seiner Kritik kamen in einem einzigen Satz die ,Fans‘ vor, die sich, wo sonst, ,in Scharen sammelten‘, um von ihrem, ja Mike, Du kannst es! ,Popidol‘ eine Unterschrift - na? na? Jawohl! ,zu ergattern‘. Das ist Rekord. Kisch-Preis nach Marburg."

Und Punktsieg für BSB!