Obama will Kalifat innerhalb drei Jahren besiegen

"Ich will, dass die Bevölkerung versteht, was die Bedrohung ist und was wir dagegen tun werden"

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Sogar von Schock war die Rede, als US-Präsident Obama Ende August Medien gegenüber eingestand, dass er noch keine Strategie gegen IS habe. Knappe zwei Wochen später, am kommenden Mittwoch, will er nun sein strategisches Konzept verkünden.

In einem Interview am Wochenende demonstriert er Zuversicht:

Wir werden ihre Fähigkeiten systematisch reduzieren, wir werden das Territorium, das sie kontrollieren, verkleineren und letztendlich werden wir sie besiegen.

Es sind Sätze, die die amerikanische Öffentlichkeit braucht. Nach den langjährigen Militäreinsätzen in Afghanistan und Irak, die nicht die erhoffte und angepriesene Stabilität in den zwei Krisenregionen brachten, sondern im Irak die Grundlagen dafür legten, dass genau das eintrat, was man im Krieg gegen Saddam Hussein verhindern wollte: dass das Land zum Hotspot der al-Qaida wurde. Und nicht nur das, zum Herrschaftsbereich des al-Qaida-Ablegers IS gehören auch große Teile Syriens.

"Wir sind nun entschlossen", wird US-Außenminister Kerry zitiert. Es werde möglicherweise drei Jahre dauern, so der Außenminister; der Präsident spricht von Monaten.

Was strategisch bereits feststeht, ist, dass die USA politisch und militärisch auf eine Koalition mit anderen Ländern bauen und darauf, dass die Regierung in Bagdad politisch "mitarbeitet". Was die militärischische Strategie angeht, so legt Obama Wert darauf, dass keine Bodentruppen zum Einsatz kommen. Hier gibt es aber Widersprüche seitens bekannter Militärs, die dies zur "Definitionsfrage" erklären: denn auf den Einsatz von US-Spezialtruppen werde man nicht verzichten können. Der andere große heikle Punkt ist Syrien.

Obama erklärte sich zwar in der jüngsten Zeit zurückhaltend gegenüber Forderungen aus Militärkreisen, wonach Angriffe auf den IS in Syrien strategisch unverzichtbar seinen, aber er ließ auch erkennen, dass es hier Ausnahmen geben könnte: die dazugehörige Sprachregelung würde damit argumentieren, dass US-Angehörigen mit dem Leben bedroht sind, so wie etwa US-Geiseln, die vom IS in Syrien festgehalten werden.

Sind die schwierigen Implikationen von US-Militäreinsätzen auf Ziele in Syrien offensichtlich - es würden Fragen danach auftauchen, ob die USA damit nicht auch Partei in einem innenpolitischen Konflikt nimmt -, so stehen für Skeptiker schon die ersten beiden politischen Säulen des Kampfes gegen den IS auf brüchigem Boden: die Allianzen mit anderen Staaten.

Brüchige Allianzen, lokale Machtinteressen

Wie überraschend sich Allianzen zwischen geopolitischen Kontrahenten bilden können, zeigte zum Beispiel der Kampf gegen IS-Milizen bei Amerli. Dort kam es einige Tage lang zu einer Zusammenarbeit zwischen von den US unterstützten Peshmerga und schiitischen Milizen, die von Iran unterstützt werden.

Schon nach kurzer Zeit zeigten sich allerdings die Animositäten und die lokalen Machtinteressen, wie ein Bericht der Washington Post in aller Deutlichkeit veranschaulicht.

Was sich hier andeutet, prägt bereits die Unübersichtlichkeit und die Konflikte in den syrischen Gebieten, die nicht unter der Kontrolle von Assads Armee stehen: die Kämpfe um lokale Herrschaftsgebiete mit lokalen Machtinteressen. Was sich auch bei kurdischen Eroberungen zeigt.

Waffenlieferungen bzw. militärtechnische Unterstützung, Luftunterstützung, finanzielle Unterstützung usw. fördern Milizen und ihre Warlords. Größere Allianzen, die sich dabei bilden, haben häufig nur begrenzte Haltbarkeit. Einzelne Gruppen können schnell die Fronten wechseln.

Dissenz in den Partnerstaaten

Dazu kommt im großen Bild, dass Staatsbündnisse wie die arabische Liga, die ihre Mitarbeit beim Kampf gegen die IS signalisieren, auch interne Konflikte über ihren Kurs gegenüber Salafisten und Dschihadisten haben, wie das Beispiel Libyen zeigt.

Die Frage, welche Milizen bzw. Gruppierungen in Syrien und im Irak tatsächlich als "moderat" und unterstützungsfähig bewertet werden, die das Syrienschlamassel bislang beherrschte, wird auch beim Kampf gegen IS für Diskussionen und Fraktionen sorgen. Zusätzlich kompliziert wird das Spiel der Allianzen vor den jeweiligen innenpolitischen Konstellationen. Ägypten hat in den letzten Monaten vorgeführt, wie gut sich das Label "islamistische Terroristen" dazu eignet, interne Säuberungen durchzuführen, deren Agenda reine Machtpolitik ist. Es wäre naiv davon auszugehen, dass der Kampf gegen IS von solchen Instrumentalisierungen ausgenommen ist.

Dass es innerhalb arabischer Staaten, wie z.B. jüngst in Jordanien Dissenz gegen die große Front gegen den Islamischen Staat zeigt, gibt, ist ein Hinweis auf innenpolitische Schwierigkeiten, mit denen zunächst nicht gerechnet wird.

Was die irakische Zentralregierung betrifft, so kennt man die grundlegenden innenpolitischen Streitlinien, die sich aus den Forderungen der Sunniten gegenüber der schiitischen Mehrheit ergeben, ohne dass man dafür Rezepte gefunden hat. Ob die neue Regierung unter al-Abadi hier Versöhnendes schafft, was wesentliche Voraussetzung für ein Zurückdrängen des IS wäre, ist noch völlig offen. Solange die irakische Armee dort, wo sie überhaupt noch stark agiert, mehr oder weniger als Zusammenschluss schiitischer Milizen wahrgenommen wird, bleiben die sunnitischen Stämme fern. Ohne Mitwirkung dieser Stämme ist das Zurückdrängen des IS wenig wahrscheinlich.

"Ich will, dass die Bevölkerung versteht, was die Bedrohung ist und was wir dagegen tun werden", wird Obama zitiert. Das klingt wieder einmal viel einfacher, als es ist. Und es war noch nicht einmal von der ideologischen Bedrohung durch den IS die Rede, dessen Dschihadismus sehr eng mit dem Wahhabismus Saudi-Arabiens verwandt ist (vgl. dazu Fatale Beißhemmung gegenüber Radikalen) und dessen Adepten sogar im weit entfernten Wuppertal als "Scharia-Police" kokette Islam-Mode-Spielchen mit Gewalt und Simpel-Fanatismus treiben.