Öko-Sozialismus: Utopie oder unsere letzte Chance?

Seite 2: Was ist nötig für eine sozial-ökologische Transformation?

Für eine ökologische und soziale Transformation hat Dörre eine Reihe konkreter Vorschläge. Die Wirtschaft soll umfassend demokratisiert werden, Großunternehmen und Konzerne durch die Einrichtung von Investitionsfonds ins Eigentum der Mitarbeitenden überführt werden, während kleine und mittlere Unternehmen marktwirtschaftlich kooperieren können.

Arbeitsprozesse sollen neu organisiert werden, mit teilweiser Aufhebung der Arbeitsteilung und kurzer Vollzeit für alle, um Zeit für die demokratische Mitgestaltung der Gesellschaft zu gewinnen. Produkte und müssen qualitativ hochwertig, langlebig und wiederverwertbar sein.

Eine robust finanzierte öffentliche Infrastruktur soll einhergehen mit einer Aufwertung von Sorgearbeit und einer Care-Revolution.

Wichtig ist eine demokratische Umverteilung zugunsten der Ärmsten, die Einrichtung von Transformations- und Nachhaltigkeitsräten, die wirklich etwas ausrichten können, und eine demokratische volkswirtschaftliche Verteilungsplanung, nach dem Motto: "Besser statt mehr für alle statt für wenige".

Transformatives Recht und demokratische Teilhabe: Wege zur Nachhaltigkeit

Transformatives Recht kann ein wichtiger Hebel sein, wie das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gezeigt hat. Wahlen könnten mit Entscheidungen über Investitionen verbunden werden.

Für eine nachhaltige Entwicklung der Länder des Globalen Südens sei eine "New International Economic Order" (NIEO) notwendig.

Dörre hofft auf eine dritte Kraft, jenseits von westlichem Machtblock und Brics, wenn sich die Länder, die Kobalt, Nickel, Wasserstoff und andere dringend benötigte Stoffe exportieren, zu Kartellen zusammenschließen und gerechte Handelsbedingungen durchsetzen, damit sie selbstbestimmt in ihre eigene Entwicklung investieren können.

Die Frage nach dem Staat: Ein neuer Blick auf politische Strukturen

Klaus Dörre bezieht sich auf den marxistischen Soziologen E. O. Wright (1947–2019), der Modelle zur Demokratisierung der Wirtschaft im Spannungsfeld zwischen ökonomischer und staatlicher Macht und der Zivilgesellschaft entwickelt hat.

Jeglichen gewaltsamen Umsturzfantasien erteilt Dörre eine Absage. Selbst in Südafrika, wo die Gewalt des ANC angesichts der Apartheid legitim war, wirkten deren Spuren bis heute in der Gesellschaft nach, weil subalterne Gewalt als legitimes Mittel ansehen.

Stattdessen geht es ihm darum, auf demokratischem Weg Mehrheiten für den Sozialismus zu gewinnen und die Bourgeoisie wegzudrängen. Aus Sicht von Dörre, der sich ausdrücklich nicht als Anarchist versteht, ist es ein Grundfehler linker Politik, den Staat als böse anzusehen.

Stattdessen sei die liberale Demokratie zu verteidigen und wir sollten um ein geeintes sozialistisches Europa kämpfen.

Und die Betriebe? Die Rolle der Arbeiterschaft in der Klimadebatte

In den Klimadebatten kommen Arbeiter:innen zu wenig vor, werden sogar unsichtbar gemacht, betont Dörre. Dabei gebe es Ansätze, wie den "Kasseler Weg", eine Nachhaltigkeitsstrategie bei VW, die mit den Beschäftigten ausgehandelt wurde.

Von den Grünen fühlten sich viele bevormundet und wenden sich nach rechts. Für die Verbreitung des Gedankens der Nachhaltigkeit und gegen die Hinwendung nach rechts helfen weder Appelle noch ein Parteiverbot, sondern es seien persönliche Kontakte entscheidend.

Die Menschen wollen gesehen und persönlich angesprochen werden, darum sei das Gespräch unter Kolleg:innen und auch gewerkschaftliches Organizing wichtig.

Weiterdenken: Die Grenzen des aktuellen Systems und die Suche nach Alternativen

Mit seinen Ausführungen gibt Klaus Dörre Impulse und wirft Fragen auf, die für eine kritische Debatte hilfreich sein können. Angesichts der real existierenden Machtverhältnisse sind seine Vorschläge durchaus radikal, wenngleich sie sich weitgehend im Rahmen des Bestehenden bewegen.

Weder stellt er die Marktwirtschaft und das Geld, noch die Nationalstaaten infrage, wie eine Besucherin kritisch anmerkte.

Um solche weiterführenden Fragen könnte es bei einer nächsten Veranstaltung des Buchladens Schwarze Risse am 18. März gehen, wenn die Kulturanthropologin Andrea Vetter darlegt, wie eine solidarische, postkapitalistische Postwachstumsgesellschaft erreicht werden kann: "Degrowth – ein anderes Wirtschaften ist möglich".

Mo. 18.03.2024, 19:30h im Mehringhof, Versammlungsraum (2. Hof, Aufg. 3), Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin: Degrowth – ein anderes Wirtschaften ist möglich.

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