Ölpest: Wird die Rechnung jemals bezahlt?

Die fragwürdige und schmierige Zusammenarbeit zwischen US-Regierungsvertretern und Repräsentanten der Ölindustrie

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„BP ist verantwortlich, BP wird die Rechnung bezahlen“, sagte Barack Obama Anfang der Woche. Die Gewissheit, dass der Schuldige für die Katastrophe feststeht und dafür zur Haftung gezogen werde, blieb einzig übrig, um der Öffentlichkeit eine andere Botschaft als nur Hilflosigkeit anzubieten. Tage später wurde auch diese sichere Insel überspült, es folgten irritierende Nachrichten, wonach ein Gesetz von 1990, der Oil Pollution Act, die Haftung eines Konzerns auf 75 Millionen Dollar pro Unglück beschränkt.

Davor war bereits klar geworden, dass die Reinigungsarbeiten im Golf von Mexiko in die Milliarden gehen würden. Dass BP, wie dessen Führung wiederholt beteuert „alle legitime Forderungen bezahlen wird“, ist eine Botschaft, die der Imagereparatur des Konzerns geschuldet ist. Von Skeptikern wird sie nicht wörtlich genommen, auch wenn sich BP-Vorstand Tony Hayward wie ein Big-Daddy gibt, der die Geldbörse auspackt:

What I've said is what I mean: All legitimate claims will be honored.

Tony Hayward, BP-Chef

Kritiker verweisen auf die komplizierten gesetzlichen Regelungen zur Haftung bei solchen Unfällen. Bei den folgenden Gerichtsverhandlungen könnten sich überraschende Schlupflöcher auftun, der Poker vor Gericht unterliegt anderen Interessen und Regeln als die Öffentlichkeitsarbeit, die der Konzern gerade nötig hat. Was Senator Bill Nelson Medien gegenüber von seinem Treffen mit Hayward berichtet, riecht nach Akten, Akten, Akten und verschwitzten Hemden:

Als ich ihn mit Fragen bedrängte, wer die Haftung für die wirtschaftlichen Schäden übernehmen wird – ich meinte nicht die Aufräumarbeiten – sagte er, dass dies eine Angelegenheit sei, über die wir später ausmachen werden. Er sagte, das werden wir zusammen diskutieren. Ich weiß nicht, ob er das Wort verhandeln benutzte, aber das war mein Eindruck

Hayward selbst hat einen schlechten Eindruck von den Amerikanern. Einer britischen Zeitung gegenüber erklärte er, dass er viele „nicht legitime“ Schadensersatzforderungen erwarte: "because 'this is America', many of the claims will be 'illegitimate'". Auch verweist Hayward darauf, dass der Auslöser der Katastrophe von der Bohrinsel-Firma Transocean verschuldet wurde.

I think I have said all along that the company will be judged not on the basis of an accident that, you know, frankly was not our accident.

Die Klage einer Angehörigen hatte schon kurz nach dem Bohrinsel-Unglück auf einen weiteren Beteiligten verwiesen, auf die US-Firma Halliburton, verantwortlich für Befestigungen am Bohrloch. Dass hier Pfusch am Bau im Spiel sein könnte, darauf verwiesen dann Veröffentlichungen in der Folge dieser Klage. Doch Haliburton gelang es, ziemlich bald wieder aus der Öffentlichkeit zu dieser schmutzigen Sache zu verschwinden.

Existenzen, die vernichtet werden

Gewiss ist: Schadensersatzverfahren werden sich in die Länge ziehen. Wie das Verfahren nach dem Untergang des Öltankers ExxonValdez 1989 in Alaska gezeigt hat, mussten Fischer bis zu 20 Jahre lang warten, bis sie Schadensersatz ausbezahlt bekamen. Aus ursprünglichen 5 Milliarden Dollar Entschädigungszahlungen, zu denen Exxon 1994 gerichtlich verpflichtet wurde, wurden - über eine Reihe von Einsprüchen seitens des Konzerns - vor dem Supreme Court schließlich nur mehr 508 Millionen. Der Sieger solcher Marathons ist der Große; das schwant nun auch den Fischern und Besitzern kleinerer Geschäfte an den Küsten, die von der Riesen-Öllache bedroht werden. Ihre Existenz ist in größter Gefahr vernichtet zu werden:

"At ground zero in these disasters, there are people who are simply annihilated."

Indessen versuchte man in der vergangenen Woche in Washington eifrig, gesetzliche Lücken zu schließen. Die 75-Millionen-Dollar-Schadens-Deckelung, die dem Oil Pollution Act von 1990 (ebenfalls eine Reaktion auf das Exxon-Ladez-Unglück) entstammt, sollte mit einem neuen Gesetz beträchtlich erhöht werden. Rückwirkend ab April, das Deepwater Horizon-Unglück einschließend. Eine genaue Summe nannte Regierungssprecher Gibbs unter der Woche noch nicht, nur dass sie „signifikant“ höher sein werde.

Der Senator Robert Menendez, ausgesprochener Gegner von Ölbohrungen vor der Küste, erregte Aufsehen mit einem Gesetzesvorschlag, der die Deckelung auf 10 Milliarden Dollar erhöht. Den Zorn von Verbraucherorganisationen könnte erregen, dass der Oil Spill Liability Trust Fund, nach dem Untergang der Exxon Valdez vom Kongress bestätigt, für Schäden durch die Ölpest im Golf von Mexiko aufkommen wird. 1,6 Milliarden Dollar sollen in dem Gemeinschaftstopf sein, er ist speziell für Aufräumarbeiten, Küstenschutz usf. eingerichtet, die Deckelungshöhe liegt bei einer Milliarde, ein neuer Gesetzesentwurf will sie weiter anheben, aber: die größte Einnahmequelle dieses Fonds, argumentieren Verbraucherrechteanwälte, sei eine Steuer („8-cent-per-barrel tax assessed on the oil industry until 1994“), dem Steuerzahler könne doch nicht die Kosten für diese Katastrophe aufgelastet werden.

Die fragwürdige und schmierige Zusammenarbeit zwischen US-Regierungsvertretern und Repräsentanten der Ölindustrie, die Kritiker seit langem monieren und immer wieder bestätigt sehen, zeigt sich erneut in Berichten, die darauf aufmerksam machen, dass BP erfolgreich bei der Aufsichtsbehörde Minerals Management Service (MMS) des Innenministeriums Lobbyarbeit betrieben habe, um schärferen Sicherheitsmaßnahmen zu entgehen (siehe dazu auch Profit hat Priorität):

An investigation by the Associated Press and other media outlets seemed to show that, after lobbying by BP, the Minerals Management Service (MMS) within the Interior Department relaxed the rules so that the company could dodge filing a proper blow-out contingency plan.