Österreich: Alle Rechte für lauschwütige Militärs

Neues Militärbefugnisgesetz deutet auf EU-Konvergenz der Abhörregelungen hin.

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Das geplante österreichische Militärbefugnisgesetz erlaubt den militärischen Geheimdiensten praktisch alles, inklusive Bespitzelung der eigenen Bürger im Auftrag ausländischer Dienste. Kontrolle durch den Rechtststaat ist nicht vorgesehen.

Wenn Gesetzentwürfe vom üblichen Zeitplan zur Begutachtung abweichen, ist Grund zum Misstrauen angesagt. Sowohl das geplante Militärbefugnisgesetz, dessen Entwurf Telepolis nun vorliegt, wie auch das Sicherheitspolizeigesetz erfüllen diesen Misstrauensgrundsatz extensiv. Während das letztere mit einer auf drei Wochen - üblich sind sechs - eingeschränkten Begutachtungsfrist durch den Ministerrat gepeitscht wurde, hat man die Frist für die Militärs auf fast drei Monate gedehnt und den Fristablauf mitten in die Weihnachtsferien gelegt, um lästige Diskussionen tunlichst hintanzuhalten.Wenn der Entwurf danach Ministerrat Und Parlament passiert, wird den Militärs "so ziemlich alles an Lauschen, Überwachen und Abzapfen erlaubt, was überhaupt möglich ist", sagt Hans Zeger von der ARGE Daten, Österreichs renommiertem Datenschutzverein.

Die wichtigsten Passagen aus dem Gesetzesentwurf bestätigen direkt, was Christiane Schulzki-Haddouti nach Analyse der ENFOPOL-Papiere formuliert hat: Überall in Europa laufen Bestrebungen, Systeme a la Echelon zu legalisieren. So dürfen Heeresnachrichten- und Heeresabwehramt laut §45 personenbezogene Daten nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit benutzen. Was, der orwellschen Diktion entkleidet, für Hans Zeger im Klartext heisst: "Wie es die Heeresdienste für richtig halten."

§46 schreibt Körperschaften des öffentlichen Rechts, also allen nur denkbaren Behörden und Institutionen vor, alle erwünschten Auskünfte und Daten an die Militärs weiterzugeben. Laut Zusatz (3) dürfen diese zusätzlich "durch Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten" nach Herzenslust ermitteln, denn eine richterliche Kontrolle ist gar nicht erst vorgesehen.

§49 regelt die Übermittlung der erhobenen Daten, die neben österreichischen, aber (1).6 auch "ausländischen Militärbehörden, soweit dies militärischen Interessen der Republik Österreich oder des Empfängerstaates dient", zugänglich gemacht werden dürfen. Dieser Paragraph legalisiert ein Meta-Abhörsystem wie Echelon auf nationaler Ebene. Damit können österreichische Militärs völlig legal österreichische Staatsbürger im Interesse einer fremden Macht bespitzeln - wenn ihnen dies "verhältnismässig" erscheint.

§62 macht mit der Datenschutzkommission eine Behörde, die im Rufe besonderer Zahnlosigkeit steht, zur Beschwerdestelle. Diese darf genau das nicht, was eigentlich der Sinn einer solchen Einrichtung wäre: "ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Datenermittlung." Damit sei "ein perfektes Salzamt" - so nennt man in Österreich Phantombehörden ohne Sinn und Zweck - geschaffen, resümiert Zeger, "dem wichtigsten Beschwerdefall darf die Datenschutzkommission nicht nachgehen."

Was den Heeresnachrichtenämtern billig ist, käme dem Innenministerium gerade recht. In Antwort auf eine dringlichen Anfrage der Grünen vom Donnerstag reklamierte Innenminister Karl Schlögl die auf Druck der Öffentlichkeit gestrichenen Passagen über "vorbeugende Gefahrenabwehr" durch die Polizei erneut in sein Polizeibefugnisgesetz hinein, das vom Parlament noch nicht verabschiedet ist.

Erich Moechel ist Herausgeber des Newsletters q/depesche.