Offener Brief an Wolfgang Porsche

Vielleicht sollte man sich einmal in den Chefetagen Gedanken darüber machen, was die Mitarbeiter und die Kunden wollen

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Sehr geehrter Herr Porsche,

es gab mal eine Zeit, da wurden die Mitarbeiter und die Kunden im Hause Porsche noch ernst genommen. Aktuell hat es jedoch den Anschein, dass Sandkastenspiele und ein unsinniges Macht-Mikado den gesunden Menschenverstand komplett verdrängt haben. Selbst bisher erfolgreiche Top-Manager scheinen von allen guten Geistern verlassen zu sein. Statt einer Manifestation der Sinne, was Sportwagen nun einmal sind, wird einer sinnlosen Maßlosigkeit gehuldigt, bei der es längst nicht mehr um die Mitarbeiter und den Standort Stuttgart geht, sondern nur noch um faule Kompromisse, damit einige wenige weiter das grosse Sagen haben.

Dieser Weg ist nachweislich falsch. Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt, dass nahezu 90 % aller Fusionen nicht die gewünschten Effekte bringen. Die aktuelle Marktkapitalisierung von Porsche und das 51 % - Paket an Volkswagen zeigen, dass Porsche keineswegs überschuldet ist und diese Situation relativ schnell überwinden kann. Bei einer Marktkapitalisierung von 65 Milliarden Euro ist das Porsche-Aktienpaket aktuell 32,5 Milliarden Euro wert. Ein schneller Verkauf, der aktuell noch bei etwa 220 Euro datierenden Volkswagenaktie zu einem durchschnittlichen Preis von etwa 150 Euro würde also mindestens 22 Milliarden erbringen. Selbst bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von nur 60 Euro pro Aktie wären die gesamten 9 Milliarden Schulden unmittelbar getilgt.

Wenn der erste Angriff für eine Übernahme somit nicht klappt, heißt dies übrigens nicht, dass nicht der zweite erfolgreich sein kann. Nur sollte ein solcher Angriff nicht in einer Weltwirtschaftskrise erfolgen, in der jedes Unternehmen danach trachten muss, sich von der Abhängigkeit von Banken zu befreien. Zweitens ist es notwendig, dass die politischen Rahmenbedingungen vor einem weiteren Übernahmeversuch geklärt sind. Vielleicht sollte man sich einmal in den Chefetagen Gedanken darüber machen, was die Mitarbeiter und die Kunden wollen. Die Mitarbeiter wollen nämlich ihre Unabhängigkeit nicht verlieren - und dass Porsche die Unabhängigkeit verliert wollen auch die bisherigen Kunden nicht.

Würde Porsche eine Emission von Aktien (ich würde das Herausbringen von Stammaktien empfehlen) durchführen, könnte die Schuldenlast von Porsche auch ohne Abbau der bisherigen 51 %-Beteiligung nachhaltig gedrückt werden. Viele Kunden, auch Hedge Fonds und Großinvestoren, stehen sicherlich gerne bereit, wenn es darum geht, den Machtspielen eines Herrn Piëch ein Ende zu bereiten. Es geht jetzt um Erfindungsreichtum und unkonventionelle Maßnahmen, um die Unabhängigkeit des Mythos Porsche sicherzustellen. Dies wäre auch im Sinne von Ferry Porsche, dem legendären Erfinder des Porsche 356, der in Stuttgart-Zuffenhausen die Mitarbeiter noch ernst nahm.

Als ich 1981 bei Porsche Praktikant war, fragte Ferry Porsche nach meinem Namen und schüttelte mir die Hand, als ich ihm im Gang zur Lehrlingswerkstatt begegnete. Heute schüttelt es jeden Schwaben, der zusehen muss, wie ein schwäbischer Mythos nach Niedersachsen outgesourct werden soll. Doch noch ist es nicht zu spät. Alle Mitarbeiter und Kunden müssten sich jetzt erheben und dem üblen Treiben ein Ende bereiten. Der Generalstreik der Mitarbeiter und aller Kunden scheint die einzige Möglichkeit zu sein, damit bei Porsche ein Neuanfang im Denken und mit neuen Personen gelingen kann. Die Devise kann nur lauten, Übernahme von VW oder Eigenständigkeit. Wer noch einmal das Wort Fusion in den Mund nimmt, sollte im Hause Porsche sofort entlassen werden. Es kann nur einen einzigen möglichen Hauptsitz von Porsche geben und dieser heißt nun einmal Stuttgart-Zuffenhausen.

Mit den besten Wünschen

Ihr

Artur P. Schmidt, Wirtschaftskybernetiker, ehemaliger Schüler des Ferdinand-Porsche Gymnasiums.