Optische Schalter auf der Streckbank

Der Brechungsindex von Silizium lässt sich über ein elektrisches Feld steuern - wenn man das Material auf die Streckbank packt

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Die Informationsübermittlung per Licht und die via Ladungsträger direkt miteinander verknüpfen zu können, das ist zurzeit eines der wichtigsten Forschungsthemen der Mikroelektronik, wie nicht zuletzt diverse Telepolis-Beiträge der letzten Zeit zeigen. Im Idealfall kann man dazu Technologien nutzen, die die Ingenieure bereits im Griff haben. So auch im Fall des gestreckten Siliziums, bei dem dänische Forscher spannende Eigenschaften entdeckt haben.

Auf gestrecktes Silizium, „strained silicon“, setzen heute schon alle großen Prozessorhersteller. Und zwar mit dem Ziel, die Elektronenbeweglichkeit zu erhöhen. So, wie man durch einen lichten Hochwald schneller rennen kann als durch ein Jungfichten-Dickicht, könnten sich auch die Ladungsträger mit weniger Störungen bewegen, wenn nur die Abstände zwischen den Atomen ein bisschen größer wären. Nun ist das Größenverhältnis Mensch zu Baum verglichen mit dem von Elektron zu Atom selbst für den schlanksten Läufer viel, viel ungünstiger. Es reicht deshalb, die Atome nur um ein Prozent weiter auseinander zu rücken – schon nimmt die Beweglichkeit der Elektronen um zwei Drittel zu.

In der Praxis nutzt man dazu eine Unterlage aus einem zweiten Material, (etwa Silizium-Germanium) dessen Kristallgitter etwas grobmaschiger ist. Dass das so wirksam ist, hat (und hier hinkt das Beispiel von oben) nicht nur etwas mit der Größe der Rennteilnehmer zu tun, sondern liegt im wesentlichen daran, dass sich dadurch Vorzugs-Potenziale herausbilden: Die Elektronen wandern nicht mehr in alle Richtungen gleichmäßig gern, die Kristallstruktur des Silizium ist nicht mehr symmetrisch.

An dieser Stelle wäre noch kurz zu ergänzen, dass das Adjektiv „gestreckt“ als Übersetzung von „strained“ eigentlich nicht ganz korrekt ist: die Leitfähigkeit für Löcher erhöht man nämlich, indem man das Silizium staucht, nicht streckt – trotzdem spricht man von „strained silicon“.

Der Verlust der Symmetrie hat einen ausnahmsweise angenehmen Nebeneffekt: Denn damit erfüllt das gestreckte Silizium die Voraussetzung, dass ein linearer elektro-optischer Effekt wirksam werden kann. Dieser sogenannte Pockels-Effekt führt dazu, dass der Brechungsindex des Materials linear vom anliegenden elektrischen Feld abhängig ist.

Der Effekt selbst ist nicht neu, deshalb verwundert es fast, dass seine mögliche Anwendung in gestrecktem Silizium erst jetzt gezeigt wurde – und zwar in einer Arbeit (doi:10.1038/nature04706) in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature: Forscher der Technical University of Denmark in Kongens Lyngby (in der Nähe von Kopenhagen gelegen) zeigen darin, dass sich mit dem gestreckten Silizium ein elektro-optischer Modulator konstruieren lässt. Sie dehnen die Kristallstruktur mit Hilfe einer Schicht aus Siliziumnitrit, einem besonders harten Stoff, der in Motoren, Bügeleisen oder künstlichen Gelenken Verwendung findet.

Dass man prinzipiell auch in Silizium einen elektro-optischen Effekt hervorrufen kann, hatten auch schon andere Wissenschaftler entdeckt. Bisher hatte man dazu allerdings die Dichte der Ladungsträger ändern müssen, was einen Stromfluss von 0,2 Ampere durch die optisch aktive Schicht voraussetzt – und damit keine gute Voraussetzung für den Einsatz in der Mikroelektronik bildet. Außerdem ist die Geschwindigkeit des von dem dänischen Team konstruierten Modulators nicht von Ladungsträger-Eigenheiten abhängig, sondern nur davon, wie flott man ein elektrisches Feld ein- und ausschalten kann.