Planeteningenieure

Erstaunlich einfach sei es im Prinzip, die Erde und andere Planeten in eine andere Umlaufbahn zu bringen, um Leben zu bewahren oder günstigere Umstände für es zu schaffen, behaupten Wissenschaftler

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Sprechen die einen noch ziemlich bescheiden von der Kolonisierung eines Planeten, so die anderen vom "Terraforming", also von der Umwandlung etwa des Mars zu einem Planeten, auf dem irdisches Leben gedeihen kann. Amerikanischen Wissenschaftlern ist das alles ein wenig zu kleinkariert gedacht, sie meinen nämlich, es sei erstaunlich einfach, das Sonnensystem umzubauen, also die Erde und andere Planeten in eine neue Positition etwa zur Sonne zu bringen.

Die Sonne, aufgenommen von Soho, Nasa

Einen Hebel gibt es natürlich nicht, aber man könnte doch, so stellt BBC News die Spekulation von Don Korycansky (University of California), Gregory Laughlin (Ames Research Center) und Fred Adams (University of Michigan) vor, einen Asteroiden nehmen, um die Kreisbahn der Erde um die Sonne zu verschieben. Und das könnte schon bald notwendig werden, schließlich werde die Sonne schon in einer Milliarde Jahre 10 Prozent mehr Licht und Hitze ausstrahlen, wodurch das Leben auf der Erde bedroht wird. In den kommenden Milliarden von Jahren wird das dann noch unerträglicher werden und schließlich das Ende allen Lebens mit sich bringen. Zunächst einmal wird die Sonne immer größer und heißer, bis sie schließlich in sich zusammenstürzen wird und das Sonnensystem zerstören wird.

Der Physiker Fred Adams hatte letztes Jahr schon einmal ein bisschen Stimmung gemacht und beschrieben, wie die Sonne von einem Roten Riesen zu einem Weißen Zwerg werden wird (Das Ende der Welt). Doch die Katastrophe, dass die Sonnenhitze in drei Milliarden Jahren die Biosphäre auf der Erde ganz zerstört haben wird, könnte - man spekuliert halt gerne, auch schon damals - ein weinig aufgeschoben werden, wenn es zu einer Begegnung zwischen unserem Sonnensystem und einem vorbeiwanderten Stern käme. Ein Kandidat dafür wäre beispielsweise Jupiter, bei dem wegen seiner Masse auch nur eine kleine Veränderung seiner Umlaufbahn durch einen vorbeifliegenden Stern katastrophale Folgen für die Erde haben könnte: "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erde durch eine solche Begegnung entweder in den Weltraum gestoßen wird oder während der nächsten 3,5 Milliarden Jahre in die Sonne stürzt, ist eins zu 100000." Die Chance für die Erde würde darin bestehen, dass sie so aus dem Sonnensystem austritt, wodurch noch eine Million Jahre lang ihre Meere nicht gänzlich zu Eis erstarren. Den Menschen würde das nicht viel nützen, aber das ist bei solchen Dimensionen auch nicht mehr ganz entscheidend.

Sterbender Stern, aufgenommen von Hubble

Nun machen die Menschen zwar schon ihr Möglichstes, um die Klimaerwärmung selbst zu beschleunigen, ohne passiv auf die Sonne warten zu müssen, aber es kann ja nichts schaden, möglicherweise Techniken zu entwickeln, wie man die prognostizierte Erwärmung durch Verschieben des Heimatplaneten korrigieren könnte. Vielleicht setzen die Astronomen auch darauf, dass die Biotechnik bald so weit sein wird, den Menschen unendliches Leben zu schenken. Anstatt also die Rettung in der Flucht zu suchen oder nur Angst vor den großen Himmelsgeschossen zu haben, könnte man ja da bleiben und einfach die Verhältnisse verändern. Wird die Sonne heller, müsste man nur die Umlaufbahn der Erde um sich herum ein wenig größer machen - und vielleicht noch die des einen oder anderen Planeten verändern, damit das Sonnensystem im Gesamten stabil bleibt.

Auch an Slashdot hat natürlich diese SF-Story schon angedockt. Ein Leser schreibt süffisant: "It's idioitic to worry about something that's billions of years away. Who knows if mankind will survive this next Bush Administration? :)"

Um etwas bewirken zu können, müsste nach den Berechnung der Wissenschaftler ein etwa 100 Kilometer im Durchmesser großer Asteroid ziemlich nahe an der Erde vorbeifliegen, um diese ein wenig wegzudrücken. Und das müsste er nicht nur ziemlich genau machen, sondern noch besser wäre es, ihn auf eine solche Umlaufbahn zu bringen, dass er wie etwa die Raumsonde Cassini durch den Vorbeiflug an der Erde noch einmal kräftig Schwung holt, dann bis zum Jupiter fliegt, beim Herumfliegen noch einmal Schwung holt und dann noch schneller, d.h. mit mehr Kraft die Erde aus ihrer Bahn schiebt. "Unsere erste Analyse zeigt, dass das allgemeine Problem einer langfristigen Planetentechnik (planetary engineering) fast alarmierend einfach zu lösen ist", zitiert BBC die Planeteningenieure. So oft müsste der Vorbeiflug auch gar nicht geschehen. Um die Erde von allmählich sich erwärmenden Sonne entsprechend zu entfernen, müsse man gerade einmal einen Asteroiden mit der richtigen Größe alle 6000 Jahre vorbeischicken (zu oft ist ja auch nichts, sonst würde es zu kalt werden).

Vielleicht müsste man hier und da, räumen die Wissenschaftler gemäß der Devise: "Dem Ingenieur ist nichts zu schwör" ein, auch die Umlaufbahnen von ein paar anderen Planeten entsprechend korrigieren, damit nicht alles auseinander driftet. Insbesondere könnten die Venus und der Merkur relativ schnell instabil werden. Der Erdenmond sollte natürlich dem Geschoss aus dem All auch nicht zu nahe kommen und schon gleichmäßig mit der Erde ein Stück weiter hüpfen - und was passiert dabei eigentlich auf der Erde, beispielsweise mit den Gezeiten? Gibt es Überschwemmungen, gewaltige Winde und Erdbeben, überhaupt Ungemütliches durch den gewaltigen Druck, durch den die nicht gerade leichte Erde beiseite geschoben wird?

Ein bisschen aufpassen müsse man bei der Planeten-Beiseiteschiebtechnik schon, die aber viel einfacher sei, als das Terraforming eines Planeten. Würde der Asteroid nämlich auf die Erde stürzen oder sie auch nur streifen, hätten die Menschen auch nicht mehr viel von der Großtat der Planeteningenieure (die eigentlich ganz gut als Erpressung der Guten durch den obligatorischen Bösewicht in den nächsten James Bond Film passen würde). "Diese Gefahr kann nicht deutlich genug betont werden", schreiben die Wissenschaftler und meinen natürlich nicht den Bösewicht, sondern nur den Asteroiden. Über die kleinlichen Klimaschützer, die hier auf Erde ein bisschen den Ausstoß der Treibhausgase reduzieren wollen, können die Planeteningenieure wahrscheinlich nur milde lächeln: Als eine Möglichkeit, "die ganze Biosphäre der Erde zu schützen, ist diese Methode vielversprechend und effektiv".

Und wenn es mit der Erde nicht recht klappen sollte oder ein einziger bewohnter Körper nicht mehr genügt, könne man ja einfach ein paar Monde oder Planeten in die richtige Position schieben, so dass ihre Umlaufbahn Leben ermöglicht oder zumindest das Terraforming beschleunigt.