Post-Post-Gender-Zeitalter

Christoph Puppe über die Krise der Männlichkeit

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Christoph Puppe ist in Hacker-Kreisen als Pluto bekannt. In den 1990er Jahren versuchte er im Internet Pizza zu verkaufen und programmierte JavaScript, das Datenbankabfragen an Server schickt und HTML im Browser erzeugt. Mit beiden Ideen war er nach eigener Schätzung etwa 15 Jahre zu früh dran. Nun fragt er sich, ob ihm das auch mit seinen ungewöhnlichen Vorstellungen zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern so gehen wird.

In seinem eBook BDSM, Emanzipation und Männlichkeit - Oder: Ich will auch eine Klitoris! vertritt er die These, dass Mann und Frau grundsätzlich verschieden seien, weswegen sich die Nivellierung ihrer Unterschiede für beide Geschlechter negativ auswirke. Wagt er sich damit auf ein Feld, von dem er nichts versteht – oder hat er Einfälle, für die einer in Tabus und Konventionen erstarrten akademischen Geschlechterforschung mittlerweile die Freiheit fehlt? Urteilen Sie selbst.

Herr Puppe, Sie schreiben dass es "geil" sei, "durch den Wald zu rennen, töten zu spielen und danach eine Frau zu vögeln". Können Sie uns das ein wenig erläutern?

Christoph Puppe: Gerne. Das ist erst einmal absichtlich provokant formuliert. Es soll zum Denken anregen. Oder besser noch zum selbst ausprobieren. Denn wie erklären sie dem Panther das Fliegen und dem Vogel das Schwimmen? Nur durch das Erleben ist echter Erkenntnisgewinn möglich. Also: Wenn Sie das verstehen wollen, kommen sie mit in den Wald und wir spielen Paintball, spielen Jagen, Hetzen, Töten und Getötet werden. Ohne Schutzkleidung, nur im T-Shirt. Und dann können wir über das Erlebte reden. Über Ihre Gefühle dabei.

Ich war da, hab es oft getan und bin danach über eine meiner Frauen hergefallen. Wir hatten beide sehr befriedigenden Sex - und das war kein Kuschelsex.

Wer die Berichte über Kriege liest, dem begegnen immer und immer wieder Schilderungen von Massenvergewaltigungen. Bei der Eroberung Südamerikas vor fünfhundert Jahren genauso wie bei der Befreiung Berlins vor 60 Jahren. Hier ist also ein Prinzip am Werk, das Aggression und Sexualität miteinander verbindet. Das ist in einem Krieg ein furchtbares Verbrechen. Aber wenn es in einem spielerischen Kontext stattfindet, eine große Freude für alle freiwillig Beteiligten.

Das bei mir selbst zu merken, war für mich entsetzlich. Schließlich stellt mich das Gefühl, dass es auch bei mir funktioniert, auf eine Stufe mit den Männern, die in allen Zeitaltern die Frauen und Männer des besiegten Stammes furchtbar missbrauchten. Das zu realisieren ist eine Einsicht, die nicht schön ist. Die mir aber auch klar macht, dass ich nicht besser bin, als diese Männer die unsägliche Verbrechen begangen haben. Und dass nur das Glück der späten Geburt in einer Phase ohne lokale Kriege in meiner Heimat mich vor dem Schicksal bewahrt hat, zum Täter zu werden.

Und warum schreiben Sie das in Ihrem Buch und fordern Männer auf, diese Erfahrung zu machen?

Christoph Puppe: Weil es da etwas gibt, was in vielen, aber nicht allen von uns ist. Und wenn da etwas ist, dann ist es wichtig, sich dessen bewusst zu werden. Wer authentisch sein will, muss sich kennen. Die guten und die schlechten Seiten. Die Stärken und (fast wichtiger): die Schwächen.

Der Untertitel meines Buches ist: "Ich will so werden wie ich bin. Du darfst." Und da ist es gut, auch die dunklen Seiten der eigenen Identität anzunehmen und in einem Kontext auszuleben, in dem alle Beteiligten freiwillig und mit Freude dabei sind. Deswegen ist mir das BDSM wichtig, weil es dort zu jedem Trieb jemanden gibt, der mitmacht. Oder wie einmal jemand in der Sklavenzentrale sagte: "Pervers bist Du erst, wenn Du keinen mehr findest, der mitmacht."

"Je mehr verboten ist, desto mehr Straftaten gibt es"

Warum sollte man so etwas ausleben?

Christoph Puppe: Weil Unterdrückung dieser Formen von Sexualität, sofern sie in einem sind - was aber nicht für Jeden oder Jede oder Jedes zutreffen muss - dazu führt, dass diese Anteile sich einen Weg bahnen, der dann oft ungut ist. Es gibt Statistiken, die religiöse oder staatliche Unterdrückung von Sexualität oder bestimmten Praktiken mit der Häufigkeit von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Verbindung bringen. Der Zusammenhang ist einfach und signifikant: Je mehr verboten ist, desto mehr Straftaten gibt es.

Was ich mit meinem Buch zu sagen versuche ist: Erkenne Dich selbst, sei Du, egal ob als Sklave im Keller, als Haremshalter oder ganz stinknormal als Partner in einer gleichberechtigten Beziehung zu einem anderen Menschen. Um mich da aus dem Vorwort selbst zu zitieren: "Nicht was Du bist ist wichtig, sondern wie." Und das "wie" ist immer: im Einklang mit den Gesetzen, dem Anstand und der Fairness beim Umgang mit Mensch und Tier und Umwelt.

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