Prionen: Krankheitserreger noch unterhalb der Viren

Alle Prionen-Erkrankungen sind tödlich

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Prionen, ein Akronym für "proteinaceous infectious particle" sind infektiöse Proteinstrukturen. Obgleich ihre Bildung in vielem noch ungeklärt ist, besteht Übereinstimmung darin, dass sie für eine zunehmende Zahl von Erkrankungen in Frage kommen. Solche Krankheiten werden bisher als "transmissible spongiform encephalopathy" (TSE) bezeichnet, und bei uns als "spongiforme Enzephalopathie". Der Begriff "Prion" wurde zunächst 1982 von Stanley B. Prusiner geprägt, der dafür 1997 den Nobelpreis erhielt.

Immer neue Beobachtungen stützen inzwischen die "Prionen-Hypothese": ein falsch gebildetes Protein wird zum Auslöser der menschlichen v.Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und weiterer Krankheiten von Menschen und Tieren wie BSE, Kuru und anderen. Nicht Viren werden dafür mehr verantwortlich gemacht (Slow-Virus-Erkrankung), sondern die Prionen, die frei von Nukleinsäuren sind. Gleichwohl haben sich Forscher seit Jahren vergeblich darum bemüht, ein Protein dieser Art zu synthetisieren.

Synthetische Prionen

Inzwischen ist es der Arbeitsgruppe von Guiseppe Legname und Kollegen aus den USA und Deutschland gelungen, solch ein Prion herzustellen. Das berichten sie in der neuesten Ausgabe von Science. Sie synthetisieren das Prion-Protein (PrP) in Verbindung mit Escherichia coli, weil Bakterien dafür bekannt sind, dass sie keine Prionen enthalten. Danach falten sie es in eine Form, die wie ein infektiöses Prion aussieht: sie nehmen das Segment mit der Fähigkeit zur Amyloidbildung und plazieren es in einen beweglichen Behälter unter Zugabe von Thioflavin T, einer Farbsubstanz zum Nachweis von Amyloid.

Amyloidfibrillen, die von Prion Protein gebildet werden, formieren sich zu den schädlichen Ablagerungen (Bild: Stanley Prusiner)

Nach 40 Stunden haben sich Amyloidfibrillen gebildet. Dieses Produkt verabreichten sie transgenen Mäusen. Nach 380 bis 660 Tagen beobachten sie den Nachweis der typischen Gehirnerkrankungen. Nun übertragen die Forscher den Gehirnextrakte wiederum auf Mäuse, nämlich transgene und solche ohne Besonderheiten. Jetzt dauerte es nur 90 Tage für die transgenen und bis zu 150 Tage für die übrigen Mäuse, bis sie erkranken.

Das Prion-Protein (PrP) weist ein Molekulargewicht von 33-35 kDa auf und wird bei vielen Säugetieren gefunden. Überraschenderweise stellt sich heraus, dass es sich um eine wirtseigene Substanz und nicht um ein exogenes Produkt handelt. Das bedeutet, dass auch der gesunde Organismus das Prion-Protein produziert, allerdings als ungefährliches zelluläres Prion-Protein (PrPC).

Wie Stanley Prusiner fand, hat die mit der Traberkrankeit (Scrapie) assoziierte Form ebenfalls eine Größe von 33-35 kDa; er bezeichnet sie als Scrapie-Form bzw. PrPSc. Während PrPC, das natürliche Produkt, von Proteasen leicht verdaut wird, ist das bei PrPSc keineswegs der Fall: Da wird nur ein N-terminales Peptid abgeschnitten, und der Rest, das sogenannte PrP 27-30, ist gegenüber den Proteasen unempfindlich. Ferner ist PrPC in Wasser und milden Detergenzien löslich; die pathogene Form PrPSc hingegen ist unlöslich.

Für Maus und Hamster ist die Struktur von PrPSc weitgehend identisch

Vergleichende spektroskopische Strukturanalysen zeigen dann noch einen erheblichen Unterschied in der Sekundärstruktur: PrPC enthält einen relativ hohen a-helikalen Anteil und fast keine b-Faltblatt-Elemente, während PrPSc einen erhöhtes b-Faltblatt und einen geringeren a-Helix-Anteil aufweist. Demnach handelt es sich bei PrPC und PrPSc um Strukturisomere. Ferner wird das PrPSc aus dem Original, dem PrPC, gebildet. Gleichwohl sind bisher 14 verschiedene Scrapie-Stämme bei Schafen isoliert worden.

Die Renaissance in der Prionen-Forschung

Die synthetischen Prionen unterscheiden sich von den vorher bekannten Prionen. Auch wird der Vorgang nicht durch die Triggerung von "schlafenden" Proteinen ausgelöst. Dafür spricht die Übertragung der Prionen auf die beiden Mäusetypen. Stanley B. Prusiner, aus dessen Arbeitsgruppe diese Ergebnisse stammen, erklärt:

Die Beobachtung ist die Renaissance in der Prionen-Forschung. Es ist das erste Mal, dass wir Prionen in einem Reagenzglas herstellen, und dass wir Forscher unser Experimentierfeld darauf einstellen können. Wir haben damit das Werkzeug gefunden, um den Mechanismus zu untersuchen, wie sich ein Protein spontan in eine Struktur faltet, die eine Erkrankung auslöst.

Das Besondere der PrPSc-Struktur besteht darin, dass sie sich während des Krankheitsverlaufs ansammelt und Plaques im Gehirn bildet. Daraus entsteht die fortschreitende Enzephalopathie, wie hier am Beispiel der v.Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, die mit ihren Vakuolen einem Schweizer Käse entspricht und durch die zunehmende Funktionsunfähigkeit zum Tode führt.

Gewebeschnitt mit dem Nachweis der von Creutzfeldt-Jakob Erkrankung (Bild: University of California)

Die Erkrankung an einer Prionen-Krankheit kommt nach bisheriger Lesart immer durch eine Übertragung zustande. Das kann oral beispielsweise durch Nahrungsaufnahme oder über den transkutanen Weg geschehen, sprich Bluttransfusion oder Schnittverletzungen.

Dass hierbei Lymphdrüsen und die Milz beteiligt sind, gilt inzwischen als gesichert. Aus diesem Grund untersuchten britische Forscher 12.600 Rachenmandeln- und Blinddarmproben, die zwischen 1995 und 1999 bei Operationen entnommen wurden, also mit Beginn der ersten vCJK-Erkrankungen. 60 Prozent der Proben stammen von Patienten im Alter von 20 bis 30 Jahren, der Altersgruppe, die besonders gefährdet ist. In drei Proben fanden die Forscher vermehrt Prion-Protein berichten sie in der Ausgabe des "Journal of Pathology" vom Mai 2004. Daraus errechneten sie die Zahl von 1300 bis 3800 Briten, die mit vCJK infiziert sind.

Forscher aus Toulouse haben inzwischen auch Prionen bei Schafen, die von Scrapie befallen sind, ein Jahr vor Ausbruch der Erkrankung in der Muskulatur entdeckt (Olivier Andréoletti et al.: "PrPSc accumulation in myocytes from sheep incubating natural scrapie" Nature Medicine 10, 591-593 (2004)).

Davon unabhängig haben G. Legname und Mitarbeiter nicht nur die seltenen Erkrankungen des Nervensystems im Auge, weil sie wenig mehr als 1:1 Million betreffen. Ebenso ungeklärt sind der Morbus Alzheimer, die Parkinsonsche Erkrankung und die Amyotrophe Lateralsklerose. Sie zeigen ebenfalls Abnormitäten der Füllsubstanzen im Gehirn. Im Vordergrund steht das Amyloid, wenn auch mit unterschiedlichen Auswirkungen. Könnten diese Veränderungen ebenfalls durch Prionen verursacht sein?