Profite für Reiche, Krise für das Volk: Die bittere Wahrheit über Deutschlands Agrarpolitik

Seite 2: Bauernproteste und Lobbyismus: Ein unheiliges Bündnis

Auch unsere fruchtbaren Böden, das eigentliche Kapital der Landwirtschaft, werden ausgebeutet. Durch die immer stärkere Beanspruchung laugen sie zunehmen aus. Der Bodenatlas des Bundes für Umwelt und Naturschutz von 2015 – neu aufgelegt 2024 – kommt zu dem Ergebnis, dass etwa die Hälfte der europäischen Böden bereits vor zehn Jahren an organischer Substanz, Humus und Bodenlebewesen verloren hat.

Bodenfruchtbarkeit: Studie zeigt dramatische Entwicklungen

Die Fruchtbarkeit nimmt ab und gefährdet mittelfristig unsere Nahrungsmittelversorgung. Von der Klimaerwärmung und dem Artensterben durch unsere belastete Monokulturlandschaft mal ganz abgesehen. Mit noch mehr Dünger und noch mehr Schädlingsbekämpfungsmitteln wird versucht, dem entgegenzuwirken, weil die Erträge durch den wirtschaftlichen Druck stetig gesteigert werden müssen.

Hinzu kommt eine Flächenkonkurrenz, weil politisch gefördert immer mehr Pflanzen für die Bioenergie angepflanzt werden. Damit werden gleichzeitig weitere Profitfelder eröffnet und die Chemie- und Energielobby kommt als weitere einflussreiche Akteure hinzu.

Moderne Landwirtschaft: Zwischen Effizienz und Ausbeutung

Der Bauernverband brüstet sich mit der Hochrüstung und Ausbeutung. Statt drei Tonnen Weizen in den 50er-Jahren würde man heute fast "dreimal so viel" auf einem Hektar erwirtschaftet, schreiben sie auf ihrer Internetseite.

Probleme sieht der Verband nur bei der Flächenversiegelung und bei der Erosion in südlichen Ländern. Beides wichtige Hinweise, sie kommen als Problemfelder dazu. Die Klimaeffekte machen längst auch vor deutschen Böden keinen Halt mehr.

Ein Blick auf die Austrocknung in Brandenburg im Frühjahr und Sommer sollte genügen. Die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft beziffert in einem einstimmigen Abschlussbericht von 2021 die jährlichen Gesamtschäden der Landwirtschaft gar auf 90 Milliarden Euro!

Verursacht durch die Verarmung und Verdichtung der Böden, die Konzentration auf die klimaschädliche Fleischproduktion, die Belastung des Wassers durch Düngung und Artensterben. Wer demonstriert da? Und wer wird für diese Schäden wohl aufkommen?

Die Landwirtschaft gerät durch die Konzentration und Marktmacht, sowohl der internationalen Nahrungsmittelproduzenten als auch der nationalen Lebensmittelhändler unter besonderen Druck.

Machtstrukturen im Lebensmittelhandel: Blick hinter die Kulissen

Edeka, Rewe, die Schwarz Gruppe und Aldi dominieren den Markt mit zusammen über 85 Prozent des bundesweiten Absatzes im Lebensmittelhandel. "Die Unternehmen der Spitzengruppe sind weitgehend in der Lage, ihre starke Marktposition in den Verhandlungen mit der Lebensmittelindustrie zu ihrem Vorteil zu nutzen.

Dies stärkt die Verhandlungsmacht der Händler gegenüber den Herstellern." Zu dem Ergebnis kommt auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestagstags im Sachstand: Konzentration im Lebensmittelhandel von 2020.

In der Praxis bedeutet dies, die Produktionspreise bleiben stabil niedrig, während die Lebensmittelpreise im Supermarkt steigen. Ich war langjähriger Abgeordneter, daher weiß ich, dass auch die eigenen Hinweise gerne ignoriert werden und Fakten selten zu politischen Handlungen führen – es sei denn, sie werden von einer starken Lobby produziert.

Kleinbauern: Zwischen Marktzwängen und Politik

Insgesamt erleben wir eine Entwicklung, die in vielerlei Hinsicht besorgniserregend ist und auch immer mehr Druck, gerade auf die verbliebenen Kleinbauern, ausübt. Doch diese Entwicklung ist längst im Gange. Auch jetzt bleibt die Debatte oberflächlich und blendet die eigentliche Sachlage aus.

Und der Bauernverband? Er hat es genau so gewollt. Gerade wenn es brenzlig wurde und wird, als Höfe in großer Zahl starben, wenn die Lebensmittelindustrie die Preise drücken, rollen keine Traktoren vor dem Bundestag, werden keine markigen Reden und Warnungen ausgerufen. Warum wohl nicht?

Politik und Landwirtschaft: Eine verwobene Beziehung

Überwiegend stellt die Union den Landwirtschaftsminister, und sie dominiert die Landwirtschaftspolitik im Bundestag. Das Höfesterben war eingepreist. Die anderen Parteien hielten sich weitgehend raus, aber ausgerechnet CDU und CSU schwingen sich jetzt zum obersten Richter der Ampel und Anwalt der Bauern auf?

Es herrscht schon lange eine Durchmischung von vorwiegend Unionspolitikern mit Lobbyisten des Bauernverbandes. Der ist gut vernetzt und durchsetzt mit einflussreichen Lobbyisten der Agrar-, Lebensmittel- und Chemielobby. Kleinbauern spielen dort kaum eine Rolle. Viele Funktionäre und Mitglieder produzieren nicht nur landwirtschaftliche Rohstoffe, sondern sind an der Weiterverarbeitung beteiligt, bei der die größeren Gewinne locken.

Die Wirtschaftsjournalistin Annika Joeres beschreibt, wie der Bauernverband gerade an der Spitze mit Funktionären durchsetzt ist, die große Höfe besitzen, an riesigen Molkereien beteiligt sind und weitere wirtschaftliche Interessen verfolgen. Allein der Verbandschef des Bauernverbandes Rückwied, Großgrundbesitzer und CDU-Politiker, sitzt im Aufsichtsrat des riesigen Aktienunternehmens Südzucker.

Im Präsidium des Bauernverbandes sitzt auch Johannes Röhring, der weitere Funktionen in Landwirtschaftsverbänden bekleidet und eine Schweinemast und Biogasanlage betreibt. "Nebenbei" ist er Bundestagsabgeordneter und Obmann seiner Fraktion – natürlich, im Landwirtschaftsausschuss.

Die Rolle der Politik in der Landwirtschaft: Ein kritisches Hinterfragen

In der Politik laufen die Fäden zusammen und im Bundestag, in den Landtagen saßen und sitzen Lobbyisten, um die Politik direkt mitzubestimmen. In der EU ist das noch ausgeprägter und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die EU-Subventionen weiterhin hauptsächlich an die Fläche gekoppelt sind.

Je größer der Betrieb, desto mehr Geld gibt es. So wird "Wachse oder Weiche" mit Steuergeldern gefördert. Der Abbau der Dieselsubvention ist dagegen ein Witz. Doch nun gibt es scheinbar glühende Unterstützung oder Häme für die Bauernproteste.

Aufruf zur Veränderung: Landwirte müssen kämpfen

Beides ist fatal, zumal die Hintergründe im Verborgenen bleiben und die eigentlichen Machtstrukturen aufrechterhalten bleiben. Viele Landwirte lassen sich für fremde Zwecke instrumentalisieren und dies teilweise gegen ihre eigenen, langfristigen Interessen. Bildet eine Lobby, die euch wirklich vertritt. Fahrt mit den Traktoren nach Brüssel, vor den Zentralen der Lebensmittelkonzerne und zur Parteizentrale der CDU.

Einige Landwirte machen das falsche Spiel ihres Verbandes nicht mehr mit und gerade sie sollten unterstützt werden. Insgesamt benötigen wir massive Veränderungen, wenn wir unsere Ernährung sichern und die eigentlichen Bauernopfer verhindern wollen.

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