Profitiert Russland von EU-Sanktionen?

Die Grafik zeigt den Erwärmungseffekt verschiedener Gase aus menschlichen Aktivitäten, sowie verschiedene Szenarien für die zukünftige Entwicklung. Die obersten Kurven bilden die Summen über alle Gase ab. Ein 80prozentiger Rückgang der Emissionen würde demnach den Effekt aller Treibhausgase so weit reduzieren, dass er einem CO2-Gehalt von etwas mehr als 450 ppm entspricht. Bei dem ließe sich der Anstieg der globalen Mitteltemperatur mit einer rund 60prozentigen Wahrscheinlichkeit auf zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau beschränken. Bild: WMO

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Rohstoffökonomien, russischen wie deutschen Bergbauschäden, schwedischen Konzernen, dürstenden Megacities und der zunehmenden Zahl der Methusalem-Reaktoren

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Sind die Sanktionen der EU und der USA (auch Norwegen beteiligt sich) gegen Russland eventuell ein Segen für das Land? Der russische Marxist und Putin-Gegner Boris Kagarlitzki hatte schon jüngst in einem lesenswerten Gespräch mit dem Publizisten Kai Ehlers darauf hingewiesen, dass die Industrie des Landes nur profitieren könne.

Ähnliche Überlegungen treiben offensichtlich russische Umweltschützer um oder zumindest die Gruppe Green Russia, die auf der linken US-Plattform Open Democracy die Korruption in Russland im Allgemeinen und mangelnde Rücksicht auf Umwelt und Anwohner beim Nickel-Abbau im Besonderen beklagt.

Die Stellungnahme wird zwar ein wenig dadurch entwertet, dass sie die endemische Korruption in ihrem Land auf einer US-Seite als Ursache des ukrainischen Bürgerkriegs meint darstellen zu müssen, und natürlich sollten hiesige Leser in diesen Zeiten bei solchen Beiträgen immer im Hinterkopf behalten, dass Russland sicherlich kein Monopol auf korrupte Manager besitzt.

Aber die Umweltschützer weisen dennoch auf einen Fakt hin, der ernst genommen werden sollte: Russland hat sich nach dem Zerfall der Sowjetunion - und vielleicht schon in den vorhergehenden Zeiten deren Niedergangs - zu einer Rohstoffökonomie zurück entwickelt. Das ist schlecht für die Volkswirtschaft, weil der Verkauf endlicher Ressourcen natürlich keine langfristige Perspektive bieten kann und zudem in vielen Fällen die Entwicklung der heimischen Industrie behindert. Letzteres geschieht vor allem dann, wenn durch die Einnahmen aus dem Rohstoffhandel der Kurs der Landeswährung nach oben gedrückt wird, was Importe verbilligt.

Und es ist auch schlecht für die Umwelt, da Bergbau oft mit erheblichen Belastungen durch Abwasser, Freisetzung giftiger Substanzen über die Abraumhalden und mit Schäden an Gebäuden und Infrastruktur in der Nachbarschaft durch Absenkungen verbunden ist. Oft werden auch die Grundlagen für Fischerei und Landwirtschaft zerstört, wie es im Falle des von Green Russia kritisierten Nickel-Projektes zu sein scheint. Wenn also das Bergbauunternehmen durch westliche Sanktionen behindert oder der Westen gar die Produkte nicht mehr abnehmen würde, wäre das für das Land eher von Vorteil.

Ölgeschäfte

Ob es zu Letzterem allerdings kommt, dürfte fraglich sein. Falls das russische Nickel im Westen benötigt wird, wird es dort auch gekauft werden. Wenn es sein muss eben über Schleichwege, die den Vorteil hätten, dass die potenziellen Abnehmer den Preis drücken könnten. Die NATO-Staaten scheinen ja auch keine Probleme damit zu haben, dass die Terrorgruppe IS sich aus dem Verkauf syrischen und irakischen Öls finanziert. Die libanesische Zeitung Daily Star berichtete Ende August von entsprechenden Warnungen der irakischen Regierung.

Ähnliche Meldungen gab es auch schon Anfang Juli, und zwar mit dem Hinweis, dass durch die Schwarzmarktgeschäfte der Terroristen der Ölpreis auf dem Weltmarkt fallen könnte. Trotzt diverser Krisen, die Abnehmer um die Versorgungssicherheit fürchten lassen könnten, ist die europäische Standartsorte Brent mit wenig über 100 US-Dollar derzeit eher günstig zu haben. Jedenfalls im Vergleich zu den Preisen der letzten Jahre.

Mehr Treibhausgase

Derzeit also besonders wenig ökonomische Anreize für den Klimaschutz. Öl wird weiter verbraucht, bis es mit Karacho den jenseitigen Hügel des Peak "Oil" hinunter geht und derweil steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre weiter an. Das geht erwartungsgemäß aus dem am Dienstag veröffentlichten Treibhausgas-Bulletin der Weltmeteorologieorganisation WMO hervor.

Demnach nimmt die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase weiter zu. Das Kohlendioxid (CO2), auf dessen Konto derzeit rund 65 Prozent des durch menschliche Aktivitäten verursachten, zusätzlichen Treibhauseffektes geht, erreichte 2013 im Jahresmittel 396 ± 0,1 ppm (parts per million, Millionstel Volumenanteile an der trockenen Luft). Der CO2-Gehalt der Atmosphäre liegt inzwischen bei 142 Prozent des vorindustriellen Niveaus und seine relative Bedeutung nimmt weiter zu: Rund 83 Prozent des Erwärmungseffektes der in den letzten fünf Jahren emittierten Gase wird von CO2 verursacht. Daher hat es durchaus seine Berechtigung, dass sich die öffentliche Debatte meist auf dieses Gas und seine Quellen konzentriert, nämlich die Verbrennung fossiler Energieträger und - in deutlich geringerem Maße - die Entwaldung und die Umwandlung von Prärie- in Ackerland.

Versauerung

Nur etwa die Hälfte dieser zusätzlichen CO2-Mengen verbleibt übrigens langfristig in der Atmosphäre. Ozean und Biosphäre nehmen den Rest auf, ohne sie würde die Konzentration in der Lufthülle und damit die Erwärmung noch viel rascher zunehmen. Ein Viertel des emittierten CO2 landet derzeit in den Weltmeeren. Das sind vier Kilogramm CO2 pro Tag und Erdbewohner, eine ganze Menge also, deren Aufnahme im Wasser nicht ohne Folgen bleibt.

Zum einen wird durch das zusätzliche CO2 die Aufnahmefähigkeit des oberflächennahen Wassers für weitere Emissionen vermindert. Derzeit, so das WMO-Bulletin, liege sie nur noch bei 70 Prozent des vorindustriellen Wertes und es könne sehr wohl sein, dass sie bis zum Ende des Jahrhunderts auf nur noch 20 Prozent reduziert wird. Die Folge wäre bei sonst gleich bleibenden Rahmenbedingungen, dass mehr Treibhausgas in der Atmosphäre verbleibt und der Treibhauseffekt zusätzlich verstärkt wird.

Zum anderen bildet das im Wasser gelöste CO2 Kohlensäure und führt damit zur Versauerung der Ozeane. Das ist bereits messbar und sei in dem bisherigen Ausmaße einmalig für die letzten 300 Millionen Jahre der Erdgeschichte. Die Versauerung bedeutet für die meisten maritimen Ökosysteme eine enorme Belastung. Alle Lebewesen mit Kalkschalen oder -skeletten werden Schwierigkeiten bekommen, zu überleben und sich fortzupflanzen. Viele Details und auch die genauen Ausmaße des Problems sind noch Gegenstand der Forschung. Dass allerdings ein erhebliches Risiko für die Fischbestände und damit die Welternährung durch den möglichen Ausfall eines wesentlichen Teils des Planktons besteht, gilt als sicher.

Dürstende Megacity

Doch das sind langfristige Probleme. In Brasiliens wichtigster Wirtschaftsmetropole, in São Paulo, haben die Menschen ein sehr akutes Problem: Es gibt kaum noch Trinkwasser. Die britische Zeitung Guardian berichtet von der schlimmsten Dürre seit dem Beginn der Aufzeichnungen vor 84 Jahren. Das Wasser müsse inzwischen rationiert werden, weil die Reservoirs der Megametropole nur noch zu zehn Prozent gefüllt sind.

Inzwischen gibt es auch bereits handfesten Streit mit der Bundesregierung in Brasilia und dem benachbarten Rio de Janeiro, das von den Wassern des gleichen Flusses, dem Rio Jaguari, abhängig ist. Unter anderem ist durch die Entnahme in São Paulo auch nicht mehr genug Wasser für die Wasserkraftwerke vorhanden. Nach Angaben von Wikipedia lebten 2010 in der Stadt über 11 Millionen Menschen und im Großraum São Paulo sogar 20,5 Millionen Menschen, was sie zur größten Metropole der Südhalbkugel macht.