Public Netbase Wien

Netzbasis für Kulturschaffende

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Wer die Räume von Public Netbase in den ehemaligen Büros des Wiener Messepalasts betritt, und die übliche, technische Büroumgebung von Internet-Cafes erwartet, wird gleich am Eingang von Kybermax begrüßt, ein lebensgroßer Roboter, der über das Internet angesteuert werden kann. Tee Null (Anm.: hier ausgeschrieben, da die 0 allzuleicht mit einem O verwechselt werden kann), ist ein Internet-Server der anderen Art und die Räume, von denen aus er betrieben wird, spiegeln diese hybride Andersartigkeit bestens wieder. Hier mischt sich der gedämpfte und schon recht abgeschredderte Luxus der österreichischen Sozialbürokratie der siebziger Jahre mit seinen Hellholzfurnieren und Spannteppichen mit der Maschinenästhetik einer lokalen und globalen Internet- und Kulturszene.

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Und gemischt wie die Einrichtung ist auch das ökonomische Überlebensmodell der "öffentlichen Netzbasis". Es setzt sich zusammen aus viel freiwilliger und unbezahlter Arbeit, Einnahmen durch Internet-Provider-Dienstleistungen und Fördergeldern der öffentlichen Hand. Und es erscheint wichtig, daß der Charakter solcher Mischökonomien hervorgehoben wird, da darin eines der Erfolgsrezepte von kulturellen Internet-Projekten zu bestehen scheint (siehe dazu auch Howard Rheingolds Artikel über seine Erfahrungen mit ElectricMinds).

Als t0 zum Jahresbeginn 1995 Netzpremiere feierte, führte der Server eine Art Underdog-Existenz auf einem Rechner des Allgemeinen Krankenhauses Wien (AKH) und war zunächst vor allem das Projekt von Konrad Becker, Künstler und Musiker, sowie von seinem Freund und Webmaster Francisco de Sousa Webber. Dort featureten sie Projekte einer internationalen elektronisch-digitalen Szene mit Künstlern wie Ulrike Gabriel, Keisuke Oki und Ingo Guenther. Ein neues Förderinstrument des Österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Kunst, die sogenannten "Kuratoren des Bundesministers", ermöglichten t0 jedoch schon wenig später einen Schnellstart und den Ausbau zur Public Netbase. Kuratorin Stella Rollig zog ins "Depot" im Wiener Messequartier (um dessen Ausbau zum "Museumsquartier" ein jahrelanger Streit geführt wurde, der sich vordergründig vor allem an den Architekturentwürfen entzündete, so daß es nun zwar ein Museumsquartier, aber keine spektakulären Neubauten gibt) und ermöglichte es t0 dort ebenfalls einzuziehen, sowie dem Server eine bessere, eigenständige Anbindung zu geben.

Konrad Becker, schon seit den frühen achtziger Jahren als Musiker (Monoton) und Elektronik-Künstler aktiv, verfügte über die entsprechenden Kontakte, um das Konzept einer öffentlichen Netzbasis schnell mit Leben zu füllen. Dieses Konzept verbindet auf ziemlich einzigartige Art und Weise die Idee von "Public Access", also preisgünstigem und nutzerfreundlichem Netzzugang, mit auf den ersten Blick elitären Kunstformen und einem öffentlichen Veranstaltungsforum (der Public Netbase "Media~Space). So werden inzwischen mehr als 1000 Teilnehmer über t0 mit Internetzugang versorgt und 3000 MB Infoware lastet auf den Festplatten des Web-Servers. Doch was ich zuvor als "elitär" bezeichnet habe, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als jener zeitgenössische Mix aus Sub- und Mikrokulturen, der über Kunst im engeren Sinn weit hinausgeht, sehr viel Musik (Techno und danach) Musik (Techno und danach), aber auch Texte, kritische Informationsforen, Linksammlungen und vieles mehr beinhaltet. Mit dieser Bandbreite an zeitgeistigen Hype-Formaten gelang es t0 seit 1995 35 Millionen Visits und eine internationale Rezeption auf sich zu ziehen.

Die Breite und Tiefe des Angebots in bits und bytes auf t0 wird vor allem dadurch ermöglicht, daß der Server sich als Plattform für eigene Projekte seiner NutzerInnen anbietet und von verschiedenen Communities, ob physisch in Wien verankert oder Teil der geographisch kaum mehr verortbaren intellektuellen Disapora, intensiv genutzt wird. Dieser Community-Effekt ist jedoch nicht Ergebnis eines spontanen Selbstorganisationsprozesses im Internet, sondern harter Vernetzungs- und Kommunikationsarbeit in der wirklichen Welt. Die Kontinuität und Zähigkeit mit der diese Realvernetzung von t0 betrieben wird - inzwischen längst nicht mehr von Becker allein, sondern auch von der Chief Information Officerin Marie Ringler sowie weiteren 8 MitstreiterInnen - unterscheidet t0 von der Internationalen Stadt Berlin, die mit ihren Bemühungen, interessante Inhalte auf den Server zu bekommen, frühzeitig nachgelassen hat, was neben vielen anderen Dingen wohl mit ein Grund für das Scheitern der IS sein kann. Die Idee - den Vergleich mit der IS fortspinnend -, t0 vom Netz zu nehmen, würde wohl kaum so widerstandslos von den 1000 NutzerInnen hingenommen werden, wie das in Berlin der Fall war.

Doch das viele Lob und die anfängliche Erwähnung von Fördergeldern sollen nun nicht den Eindruck erwecken, das Team von t0 würde ein sorgenfreies Leben führen. Die "Ära Rollig" in der Kuratorengeschichte ist längst zu Ende und t0 ist darauf angewiesen, bei vielen Förderstellen die Klinken zu putzen, (wie etwa auch bei der Jugendabteilung des Magistrats Wien, wo t0 die Konzentration auf Techno und das jugendliche Alter vieler NutzerInnen zugute kamen), um das finanzielle Überleben von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat, sicherzustellen.

So macht das besondere Förderklima in Wien den Weiterbestand des Projektes möglich, könnte aber auch zum Stolperstein werden, und zwingt die Betreiber zumindest, förderkompatible Konzepte zu produzieren. Das marktwirtschaftlichere Konzept des Silverservers in Wien (siehe dazu auch den Artikel Standleitungen für alle!), bei dem kulturelle Aktivitäten durch wirtschaftliche Erträge sozusagen binnensubventioniert werden, würde sich als Alternative anbieten. Hier wiederum droht (ganz allgemein und nicht nur auf Silverserver bezogen) die Gefahr, daß die kommerziellen Aktivitäten letztendlich den kulturellen Elan aufzehren.

Ob nun Förderknickse vor der Ministerialbürokratie oder Providerdienstleistungen als Brotberuf und Kunst in der Nachtschicht, kulturelle Internetprojekte mit dem Anspruch, (Teil)Öffentlichkeiten herzustellen haben es jedenfalls nicht leicht, auch nicht im (ehemaligen) Subventionswunderland Österreich.

In diesem Zusammenhang ist die Erwähnung der mit nur einer kurzen Lebensspanne gesegneten "Digitalen Stadt Wien" von Interesse, die im Jahr 1996 mit großen Versprechungen und dem vollen Rückhalt des SPÖ-dominierten Rathauses an den Start ging, um jetzt "die digitale Stadt Wien" zu gründen. Was diese jedoch zuerst taten, war, eine Clickable Map mit einer U-Bahnkarte Wiens ins Web zu stellen, wobei die "Kulturlinie" praktisch ausschließlich aus Inhalten von t0, Silverserver und Thing.at (der dritte große Kulturserver in Wien) unfreiwillig bespielt wurde. Die drei genannten Server, die sozusagen als kleine Privatinitiativen gegründet wurden, und längst inhaltlich florierten, als die jungsozialistische Digitale Stadt mit großem Brimbramborium ausgerufen wurde, wehrten sich heftig gegen den Vereinnahmungsversuch von oben. (siehe dazu auch den Artikel über den Niedergang der Digitalen Stadt Wien)

Nach dem Umzug in größere Räumlichkeiten im Museumsquartier konnte Public Netbase auch die öffentlichen Aspekte der Arbeit verstärken. Neben Künstlern als Providerkunden werden im langsam sich mit Leben füllenden Museumsquartier auch etwas zahlungskräftigere Kulturorganisationen mit Internet-Zugang via LAN versorgt. Mehr Platz im neuen Domizil bedeutet auch, mehr Terminals aufstellen zu können, an denen NutzerInnen den Vorteil einer Standleitung genießen, aber auch, öffentliche Veranstaltungen, wie z.B. eine wöchentliche DJ-Session, Kunst-Events, Vorträge und Diskussionen durchführen zu können. Diese Öffentlichkeit verstärkt den bereits erwähnten Community-Effekt und findet auch Niederschlag auf den Pages des Servers. Diese, in existentialistischem Schwarz und Neongelb gehalten, sind mit einer grafisch orientierten Navigation, tausenden MBŽs und "Schmankerln" wie Live-Streamings und VRML-Worlds auf jeden Fall eine tiefergehende Exploration wehrt.

Da nun auch in Österreich - und zwar weit radikaler als in Deutschland - die monetären Sparpakete geschnürt werden, um die Volkswirtschaft Euro-tauglich zu machen, ist langfristig auch eine Austrocknung der Fördermöglichkeiten zu befürchten. Vor diesem Hintergrund ist t0 zu wünschen, daß ein nachhaltiges Konzept gefunden werden kann, das, ob nun marktwirtschaftlich oder subventioniert, eine langfristige Überlebensstrategie ermöglicht. Denn weitere Servertode (so wie in Berlin) kann sich die deutschsprachige kulturelle Internetlandschaft eigentlich kaum noch leisten.

Anm.: Alle Grafiken im Text sind Navigations-Icons von Public Netbase, Institut für neue Kulturtechnologien.

Kontakt: Marie Ringler