Putin bleibt zuhause, Medwedew fotografiert

Zum G 8-Gipfel in Camp David sandte Russland ungewöhnliche Signale. Putin meldete sich ab. Medwedew schoss auf dem Weg zum Gipfel Fotos und eröffnete mit den Bildern einen neuen Account bei Instagram

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Mit seinen Fotos vom Flug über den Antlantik zeigte Medwedew nach Meinung russischer Kommentatoren, dass er Putin nicht die Schau stehlen will. Alle Welt soll sehen, da kommt nicht der russische Präsident zum G8-Gipfel, sondern nur der Ministerpräsident. Und der ist übrigens kein schlechter Fotograf und hat ein Faible für das Internet.

Medwedews Fotos zeigen nur die Banalitäten einer Flugreise. Bild: instagram

Putin hatte Anfang Mai mitteilen lassen, er werde nicht an dem Gipfel teilnehmen, weil er mit der Bildung der neuen russischen Regierung beschäftigt sei. Putin sei "einfach müde von diplomatischen Zeremonien" und habe keine Lust "zu streiten und zu überzeugen", berichtete die russische Zeitung RBK daily unter Berufung auf eine anonyme Quelle im Kreml. Dass Putin mit der geplanten amerikanischen Raketenabwehr in Osteuropa nicht einverstanden ist, könne der wahre Grund für seine Absage gewesen, meinen russische Medien.

Der Chefredakteur des Journals "Russland in der globalen Politik", Fjodr Lukjanow, kommentierte, Putin würden diplomatische Rituale zur Last fallen, "insbesondere jetzt, wo Obama einen Wahlkampf führt und nichts versprechen kann." Völlig will Putin die russische Präsenz auf Gipfel-Treffen jedoch nicht an Medwedew übergeben. Russische Medien berichteten, der Kreml-Chef werde Mitte Juni an dem G20-Gipfel in Mexiko teilnehmen. Dort wird Putin auch Gelegenheit haben, mit Barack Obama zusammenzukommen.

Keine Vereinbarung über Syrien und den Iran möglich

Dass der G 8-Gipfel in Camp David fast zu einer Routine-Veranstaltung zu werden droht, daran ist nach Meinung amerikanischer Politologen Wladimir Putin schuld. Eine Beratung über Syrien und den Iran sei ohne den russischen Präsidenten sinnlos, so die von der Zeitung Kommersant befragten amerikanischen Experten. Es gäbe keine Garantie, dass auf dem Gipfel der entwickelten Industrieländer gefasste Beschlüsse nicht "von der russischen Delegation (in der UNO, Anm. d. Autors) blockiert werden", meint der Politologe Jonathan Sanders. Der Berater des russischen Präsidenten, Arkadi Dworkowitsch, hatte schon vor dem G8-Gipfel erklärt, für Russland es gehe in Camp David darum, strittige Fragen zu Syrien aus der Abschlussresolution herauszuhalten.

Weil ohne Anwesenheit des russischen Präsidenten keine bindenden Beschlüsse zu Syrien und dem Iran und der amerikanischen Raketenabwehr möglich sind, werde auf dem G8-Gipfel die Lösung der Euro-Krise im Mittelpunkt stehen, meint der Kommersant. Bei dieser Debatte werde Obama sich jedoch im Hintergrund halten. "Die Bedingungen wird Deutschland diktieren, und für Washington bleibt ein Platz im Zuschauersaal", zitiert das Blatt Heather Conley, den Direktor des Europa-Pogramms im Zentrum für strategische und internationale Forschungen in Washington.

Hoher Militär: Raketenabwehr "kompensieren", notfalls "vernichten"

Auf den G8-Gipfel in Camp David folgt am Sonntag und Montag der Nato-Gipfel in Chicago. Wie der Chef der Militärallianz Anders Fogh Rasmussen in einem Beitrag für das "Wall Street Journal" mitteilte, werde die Nato auf ihrem Gipfeltreffen den Beginn einer "beschränkten Einsatzfähigkeit" des Raketenschilds mitteilen, der Europa vor Raketen aus dem Iran schützen soll.

Der russische Generalstabschef Nikolai Makarow hatte bereits angekündigt, man werde die geplanten Abwehrraketen, welche nach Meinung Moskaus die Wirksamkeit der russischen ballistischen Raketen beeinträchtigen, mit neuen Radar-Anlagen kompensieren. Auch ein Präventivangriff auf die geplanten Abwehranlagen sei nicht ausgeschlossen, erklärte der russische Generalstabschef.

Schlüsselrolle bei Abzug aus Afghanistan

Hauptthema auf dem Nato-Gipfel wird Afghanistan sein. Unter anderem soll darüber beraten werden, wie die Sicherheit des zentralasiatischen Landes nach dem für 2014 geplanten Abzug der ISAF-Truppen sichergestellt werden kann. Schon jetzt verhandeln USA und Nato mit zentralasiatischen Ländern über die Routen, über welche riesige Mengen von Militärmaterial abtransportiert werden können. Eine Schlüsselrolle werden dabei Pakistan und Russland spielen. Nachdem die Nachschubrouten über Pakistan durch Taliban-Anschläge blockiert wurden und Pakistan den amerikanischen Transit wegen umstrittener amerikanischer Drohnen-Einsätze vor einem halb Jahr stoppte, war Russland für die USA und die Nato das wichtigste Transitland für den Afghanistan-Nachschub geworden.

Russland füllt diese Lücke gerne, denn der Transit bringt Geld in die Staatskassen. Außerdem kann Moskau seine Verhandlungsposition so gegenüber den USA in Fragen der geplanten Raketenabwehr verbessern. Wie russische Medien berichten, hat Putin der Nato und den USA sogar die Nutzung eines Flughafens in der zentralrussischen Stadt Uljanowsk angeboten, was schon zu Protesten der russischen Kommunisten führte.

Inzwischen gibt es allerdings Zeichen, dass Pakistan seine Blockade gegen Transporte für die US-Truppen wieder aufhebt. Die Außenministerin von Pakistan, Hina Rabbani Khar, erklärte Anfang der Woche, man wolle die Beziehungen zu den USA und der Nato wieder aufnehmen. An dem Nato-Gipfel in Chicago wird auch der Präsident Pakistans, Asif Ali Zardari, teilnehmen. Damit könnte Russland seinen wichtigsten "Joker" gegenüber den USA verlieren, kommentierte der Kommersant.