Quasiteilchen aus Quasiteilchen - und doch echt

Wenn Materie und Licht sich in dunklen Ecken erkennen, sind Polaritonen genannte Quasiteilchen das Ergebnis des Seitensprungs, die auf faszinierende Weise Eigenschaften von Vater und Mutter mitbringen

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Treffen sich ein Elektron und ein Loch… was in der Realität als Witz enden würde, endet in der Quantenwelt meist damit, dass die Physiker ein neues Quasiteilchen beschreiben dürfen. In diesem konkreten Fall spricht man von einem Exziton, einem gebundenen Zustand von Elektron und Loch. Quasiteilchen bringen oft erstaunliche Eigenschaften mit, die sie teilweise von ihren Bestandteilen erben, zum anderen Teil aber auch auf magisch erscheinende Weise hinzubekommen. Es handelt sich dabei zwar nicht um echte Teilchen (sondern um Anregungen und Kombinationen daraus), den Quasiteilchen lassen sich aber oft genauso schön Teilcheneigenschaften zuschreiben wie ihren Eltern.

Ein Exziton zum Beispiel kann sich durch einen Kristall bewegen, seine Anregungsenergie mit sich führend. In Halbleitern kann, wenn das Exziton wieder in seine Bestandteile zerfällt, die nun überschüssige Energie als Licht frei werden. Natürlich haben wir das Exziton hier nicht nur als reines Beispiel aufgeführt - es ist nämlich der eine Elternteil eines anderen spannenden Quasiteilchens, des Polaritons. Damit ein Polariton entsteht (übrigens nicht mit dem Polaron zu verwechseln, das die Deformation des Kristallgitters als Quasiteilchen beschreibt), muss ein Exziton mit Photonen eines Lichtfeldes koppeln. Außer Exzitonen kommen auch Phononen und Plasmonen als Eltern in Frage - aber um diese wollen wir uns aus gutem Grunde hier nicht kümmern.

Das Ergebnis jedenfalls verknüpft Eigenschaften von Materie und Licht - und erschien den Forschern bisher zwar als interessante Erfindung der Theoretiker, von jedem praktischen Einsatz aber weit entfernt. Das lag vor allem daran, dass Polaritonen bisher nur bei sehr niedrigen Temperaturen und niedrigen Dichten erzeugt wurden - zwei Umweltfaktoren, die in der Welt der Praxis (etwa im Halbleiterlaser) gerade nicht herrschen. Ein im Wissenschaftsmagazin Nature (http://www.nature.com) erschienener Artikel griechischer Forscher berichtet in dieser Beziehung nun von einem echten Durchbruch: Den Wissenschaftlern ist es gelungen, eine Gallium-Arsenid-Diode zu konstruieren, die Licht direkt aus Polaritonen-Zuständen abstrahlt, und zwar bei relativ hohen Temperaturen um 235 Kelvin.

Grundlage dieser Entwicklung war die Idee, die Eltern der Polaritonen in winzigen Höhlen einzusperren. Für die Exzitonen nutzt man Potenzialbarrieren, so genannte Quantentöpfe, während man die benötigten Photonen über kleinste verspiegelte Höhlen an Ort und Stelle hält. In diesen doppelt abgesicherten Kavitäten gelingt es, Polaritonen mit relativ langer Lebensdauer zu erzeugen - im Pikosekundenbereich nämlich. Das scheint recht kurz, stört aber nicht.

Wichtiger ist, dass die derart erzeugten Polaritonen dem energetischen Grundniveau zuzuordnen sind. Da es sich zudem um Bosonen handelt (die anders als Fermionen alle dasselbe Energieniveau annehmen dürfen), sind die Quasiteilchen sehr gutmütig, was weitere physikalische Manipulationen betrifft, bis hin zum Erreichen eines Bose-Einstein-Kondensats. Die Konstruktion von Einzelphotonen-Emittern scheint ebenso möglich wie die Nutzung als Laser, LED oder Fotodetektor oder optischer Schalter. Voraussetzung dafür ist aber, den nutzbaren Temperaturbereich weiter zu erhöhen, wie es dem griechischen Forscherteam nun gelungen ist. Als vorteilhaft sehen die Wissenschaftler zudem an, dass sie mit dem technisch gut beherrschten Gallium-Arsenid arbeiten konnten. Polaritonen-basierte Lichtemitter könnten, so die Hoffnung, künftig als höchst effiziente LEDs eingesetzt werden, die mit besonders niedrigem Energieverbrauch arbeiten. Zudem ließen sich auch Polaritonen-Laser konstruieren, die ihren Lasereffekt ebenfalls schon bei außergewöhnlich geringer Stromzufuhr starten.