Quo vadis, Totes Meer?

Das Tote Meer stirbt - Bis 2050 vollends ausgetrocknet?

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Der tiefste kontinentale Punkt der Erde wird immer tiefer, weil das Tote Meer auszutrocknen droht. Jährlich sinkt der Salzwasserpegel um mehr als einen Meter. Verantwortlich für die sich anbahnende Umweltkatastrophe sind größtenteils die Industrie und die Landwirtschaft Israels und Jordaniens, die alle Zuflüsse zum Toten Meer zum eigenen Wohl anzapfen. Von den Regierungen beider Staaten wurde bislang noch nichts unternommen. Nur die von den Umweltschützern mehrfach intonierten Kassandrarufe wurden samt und sonders überhört.

Totes Meer: ehemaliger im Jordangraben eingebetteter aus einem Nord- und einem Südbecken bestehender Salzsee, der zur Jahrtausendwende noch eine Fläche von 1020 Quadratkilometern hatte; Anrainerstaaten: Israel, Palästina und Jordanien; damalige Länge: 80 Kilometer, Breite: 16 Kilometer. Der infolge von starker Verdunstung und verminderten Zufluß ausgetrocknete See hatte im Jahr 2000 einen Wasserpegel von 394 Metern unter dem Meeresspiegel...

Bis 2050 vollends ausgetrocknet

Ungefähr so könnten in 50 Jahren die ersten Zeilen eines Lexikoneintrages über das salzreichste Gewässer der Erde lauten, sofern sich das bewahrheitet, wovor viele Geowissenschaftler und Umweltschützer schon seit längerem warnen: Sinkt der Wasserspiegel des Toten Meers weiterhin so rasch wie bisher, wird der Salzsee bis zum Jahr 2050 tatsächlich vollends ausgetrocknet sein.

Obgleich die derzeit vorliegenden statistischen Daten alles andere als beruhigend klingen, sieht der Leiter des Büros der Umweltorganisation "Friends of the Earth" http://www.foe.org/ in Amman, Sultan Abdel Rahman, noch keinen Anlass zur Panik: "Das Meer wird 2050 nicht ausgetrocknet, dafür aber um die Hälfte geschrumpft sein." Gleichwohl sinkt der Wasserspiegel des Toten Meeres jedes Jahr um mehr als einen Meter. Wie schnell dies vonstatten geht, zeigt sich vor allem auf der israelischen Seite, wo die Hotels, die früher direkt am Ufer gebaut wurden, heute bereits mehrere hundert Meter von der Wasserlinie entfernt stehen.

Bei alledem sackt auch der Boden rund um den Salzsee jährlich um mehr als sechs Zentimeter ab. Wie Forscher vom Geologischem Forschungsinstitut Israels mithilfe von europäischen Satelliten-Aufnahmen jüngst feststellen, betrifft dies vor allem das West- und Südufer.

Für die nicht gerade mit Grund- und Trinkwasser verwöhnten Anrainerstaaten des Totes Meeres geht dieser Prozess mit einer anderen unheilvollen Entwicklung einher. Denn das Absinken des Salzwasserspiegels bewirkt, dass das frische Grundwasser zugleich das neu entstandene Gefälle ausgleicht. Fließt es ins Tote Meer http://www.globalnature.org/livlakes/seen/totesmeer.htm, verdunstet es. Dies hat zur Folge, dass Israel und Jordanien jährlich 375 Millionen Kubikmeter Grundwasser verlieren.

Umweltkatastrophe ist von Menschen gemacht

Verantwortlich für diese fatale Entwicklung ist zu Zweidrittel die israelische und jordanische Landwirtschaft, die als Folge der häufig grassierenden Dürren das nasse Element von den Zuflüssen wie zum Beispiel von Jordan einfach abzweigt, um ihre Felder und Obstplantagen mit Wasser zu versorgen. Das andere Drittel geht größtenteils auf das Konto diverser Industriebetriebe, die das kostbare Nass beispielsweise zur Gewinnung von heilenden Mineralien anzapfen. Und für die Großstädte wird daraus auch noch Trinkwasser gewonnen. "Das Frischwasser wird in Städte wie Amman gepumpt, folglich fließt kaum mehr Wasser den Jordan hinunter", so Sultan Abdel Rahman.

Da die Zuflüsse für die landwirtschaftliche Bewässerung und industrielle und zum Teil auch für die private Wasserversorgung genutzt werden und folglich immer weniger Frischwasser in die Salzsee gelangt, da aber auch der israelisch-palästinensische Konflikt und das ohnehin politisch angespannte Verhältnis zwischen Israel und Jordanien die Bereitschaft zu einer Lösung des Problems lähmt, könnte das Tote Meer alsbald auch seinen Sonderstatus als Touristenattraktion, als heilsame Umgebung für chronisch Kranke und bizarres Biotop verlieren.

Zehnmal mehr Salz als im Mittelmeer

Bislang erfreut sich das leicht ölige und bitter schmeckende Wasser, dessen Salzgehalt zehnmal höher ist als im Mittelmeer, bei haut- und gelenkkranken Touristen großer Beliebtheit. Aber auch einige Vertreter von Fauna und Flora scheinen sich um und im Toten Meer wohl zu fühlen. Längst haben in der vermeintlich lebensfeindlichen Umgebung seltene Tier- und Pflanzenarten eine Nische gefunden.

Für die jordanischen Umweltschützer von "Friends of the Earth" war dies Anlass genug, um letztes Jahr die UNO mit der Forderung zu konfrontieren, das Tote Meer endlich als Biosphärenreservat und Weltkulturerbe zu deklarieren. Doch dieser Versuch verlief ebenso im Sande wie das von der jordanischen Regierung vorgeschlagene Projekt, Wasser aus dem Roten Meer ins Landesinnere zu leiten. Zwar stehen die Pläne für einen Kanal zwischen beiden "Meeren". Doch bislang hat sich noch kein Investor gefunden, der bereit wäre, sein Geld in ein Wasserprojekt zu stecken, das buchstäblich auf Sand gebaut ist.