Recht auf Geschlechtsselektion bei IVF-Kindern?

Ein britisches Paar will vor Gericht ziehen, um die Erlaubnis zu erhalten, durch Präimplantationsdiagnostik ein Mädchen zu erhalten

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Motive gibt es für Designer-Kinder viele. Die Anfänge sind harmlos. Aber deutlich wird wieder einmal, dass moralische Beschränkungen dann, wenn die Technik zur Realisierung eines Wunsches existiert, ins Bröckeln kommen. Gerade wurde bekannt, dass in den USA die Eltern eines kranken Kindes durch IVF entstandene Embryos genetisch auf die Eignung haben testen lassen, um geeignete Zellen füt dessen Behandlung zu gewinnen (Genetisch auf geeignete Spenderzellen getestetes Wunschkind geboren). In Großbritannien wollen Eltern mit der Präimplantationsdiagnostik das Geschlecht ihres Kindes bestimmen.

Durch einen Unfall ist 1998 die einzige Tochter eines Ehepaars mit drei Jahren ums Leben gekommen. Jetzt haben sie noch vier Söhne. Seit 15 Jahren würden sie versuchen, eine Tochter zu erzeugen. Und weil sie schon so viele Söhne haben, sei doch auch ihr Wunsch berechtigt, jetzt durch In-Vitro- Fertilisation nicht zufällig, sondern sicher eine Tochter zu erhalten. Dazu müssen sowieso mehrere Embryos gemacht werden, und mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) ließe sich dann feststellen, welche Embryos weiblich sind, um diesen dann in die Gebärmutter einzupflanzen. Bis zu drei Embryos werden bis spätestens drei Tage nach der Befruchtung in die Gebärmutter eingepflanzt, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kommt, durchschnittlich 17 Prozent beträgt.

Nach den gegenwärtig in Großbritannien gültigen Gesetzen, die von der Human Fertilisation and Embryology Authortity (HFEA) kontrolliert werden, ist es bislang untersagt, das Geschlecht des Kindes für eine In-Vitro-Fertilisation festzulegen. Selektieren darf man die Embryos nur, wenn ernsthafte medizinische Gründe dafür vorliegen, also beispielsweise wenn schwere Erbkrankheiten über die männliche Erblinie weiter gegeben werden.

Das britische Ehepaar Masterson meint, dass sie mit ihrem Wunsch, sollte er genehmigt werden, nicht die "Schleusentore" für ähnliche Wünsche öffnen würden. Ihre Situation sei einzigartig, nachdem sie solange versucht hätten, ein Mädchen zu erhalten, und es dann auf so tragische Weise verloren haben: "Wir sind uns dessen bewusst, dass Nicole unersetzlich ist und sie durch Niemanden in unseren Herzen ersetzt werden kann", schrieben sie im Früjahr dieses Jahres, als sie den Antrag an die HFEA gestellt haben. Man wolle mit der Veränderung der Vorschriften für den Einsatz der PID nicht nur der eigenen Familie helfen, sondern allen Familien, die eine ähnliche Tragödie durchmachen mussten, um wieder ein Kind desselben Geschlechts erhalten zu können.

Alan Masterson sieht durch den Tod der Tochter die Familie "Ewigkeit im Ungleichgewicht", weil man ein "sehr besonderes und wertvolles Familienmitglied" verloren habe. Auch wenn man die Person nicht ersetzen könne, könnte man durch die genetische Selektion doch die "weibliche Dimension" wieder für die Familie herstellen.

Die HFEA hat den Antrag abgelehnt, weswegen das Ehepaar jetzt vor Gericht ziehen will. Man habe keine Gelegenheit für eine "faire Anhörung" erhalten, was durch Artikel 6 des Europäischen Abkommens über Menschenrechte garantiert wird, das seit 2. Oktober auch in Großbritannien eingeführt wurde. Bürger müssen nicht mehr zum Europäischen Gerichtshof gehen, sondern können jetzt auch in Großbritannien die Regierung oder Behörden wegen Menschenrechtsverletzung anklagen.

Abgelehnt hatte die HFEA den Antrag, da das Ehepaar sich zunächst an eine Klinik hätte wenden sollen, die sich mit der Durchführung einverstanden erklärt und dann den Antrag einreicht. Die von den Mastersons angeschriebenen Kliniken hatten jedoch alle abgelehnt. Die Option bestehe aber weiterhin, dass die HFEA den Antrag genehmigen könnte, sofern er von einer Klinik eingereicht wird.

Mit derselben Begründung ließe sich natürlich auch fordern, dass man ein verstorbenes Kind auch klonen dürfte. Und wenn man schon das Geschlecht bestimmen kann, dann ist der Weg nicht mehr weit, auch andere Eigenschaften einzufordern. Was die PID bei der In-Vitro-Fertilisation angeht, so ist zumindest nur schwer wirklich zu begründen, da sowieso mehr Embryos befruchtet werden, als eingesetzt werden können, warum die Selektion nicht nur medizinisch, sondern auch nach anderen Gesichtspunkten erfolgen darf - zumal ja immer für einigermaßen wohlhabende Menschen die Möglichkeit besteht, die genetische Selektion in anderen Ländern durchführen zu lassen, so sie nicht verboten ist.