Rechtsextreme Unschuldslämmer

Während die Innenminister der Länder glauben, dass die NPD verboten gehört, sieht sich die rechtsextreme Partei natürlich zu Unrecht verfolgt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Was sollte die NPD auch anderes verbreiten? In einer Mischung aus Galgenhumor und kindischen Trotz glaubt sie, nicht verboten werden zu können. So postete etwa der nordrhein-westfälische Landeschef der NPD, Claus Cremer, das Bundesverfassungsgericht werde entscheiden, dass seine Partei "NICHT verfassungswidrig" sei. Also sei die NPD wohl bald die einzige Partei, die dies durch ein höchstrichterliches Urteil belegen könne. Vertreter anderer Parteien werde er dann fragen, wo denn ihr "Zertifikat" sei.

Cremer folgt damit einer Art Sprachregelung innerhalb der Partei – indes sehen die Innenminister der Länder das alles ganz anders. Sie bekräftigten gestern im Vorfeld der Innenminister-Herbstkonferenz in Osnabrück auf einer Pressekonferenz, dass das NPD-Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg haben wird. Boris Pistorius, Vorsitzender der Innenministerkonferenz, sagte, der Verbotsantrag begründe schlüssig und plausibel, dass die NPD eine verfassungswidrige Partei sei und verboten werden müsse. Was sollten die Antragsteller auch sonst sagen?

Gut zehn Jahre nach dem Scheitern des ersten NPD-Verbotsverfahrens wurde am Dienstag beim Bundesverfassungsgericht erneut ein Antrag gegen die rechtsextreme Partei gestellt. Ein Bote überbrachte dazu das vom Bundesrat erstellte Schriftstück an das Gericht in Karlsruhe. Der Antrag listet zahlreiche Zitate von Parteifunktionären auf, die belegen sollen, dass die NPD ideologisch auf einer Linie mit der einstigen Hitler-Partei NSDAP steht. Die Partei verfolge auch eine "rassistisch-biologistische" Konzeption, die der Garantie der Menschenwürde zuwiderlaufe.

Zudem wird der NPD vorgeworfen, sie verfolge diesbezüglich weiterführend auch das Ziel, Ausländer und Migranten aus Deutschland gewaltsam deportieren zu wollen. Demnach habe die Partei die politische Absicht, deutsche Staatsbürger, die ihren Kriterien des Deutschtums nicht entsprechen – also Eingebürgerte mit Migrationshintergrund – "ihrer Staatsbürgerschaft zu entkleiden, um sie anschließend gewaltsam aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes zu entfernen, also zu deportieren".

In dem Verbotsverfahren soll nun nachgewiesen werden, dass die NPD "ihr Ziel einer Abschaffung der Ordnung im gesamten Bundesgebiet verfolgt und mit Hilfe der Gesamtorganisation auf lokaler Ebene bereits Beeinträchtigungen dieser Ordnung erreicht hat". Ein erstes Verbotsverfahren in Karlsruhe war 2003 insbesondere daran gescheitert, dass die Behörden auch in Führungsebenen der NPD V-Leute platziert hatten.

NPD sieht eine Kriminalisierung einer "politisch missliebigen Konkurrenz

Sicher kann man sich nicht sein, ob der Verbotsantrag erfolgreich sein wird (vgl. Weiter Uneinigkeit im NPD-Verbotsverfahren zwischen Bund und Ländern?; Der erneute Anlauf des NPD-Verbots oder die Markierung einer tolerierten Rechten). Die NPD jedenfalls will aus dem Verfahren und der Berichterstattung in den Medien Profit schlagen. So teilte NPD-Chef Holger Apfel mit, die "fortwährende Debatte" werde den "Bekanntheitsgrad" seiner Partei fördern. Die Menschen würden erkennen, findet Apfel, "mit welch unlauteren Mitteln die Herrschenden versuchen, eine politisch mißliebige Konkurrenz auszuschalten und das gesamte nationale Meinungsspektrum in Deutschland zu kriminalisieren".

Apfel steht in der Partei für den Kurs der "seriösen Radikalität". Meint: zwar weiterhin extremistische denken, aber nicht mehr ganz so brachial den Extremisten ausleben. In üblicher Opfer-Manier reagiert dann auch der Parteivorstand mit einer Stellungnahme. Darin präsentiert sich die antidemokratische NPD freilich selbst als Kämpfer für die Freiheit, während man den demokratischen Rechtsstaat zugleich auf dem Weg hin zu einer Diktatur ("Ideologiestaat") sieht. Dazu verbreitet der NPD-Vorstand dann auch noch abenteuerlich anmutende Argumentationen, die zuweilen wohl eher die Frage aufwerfen, ob Realsatire alles darf.

Angeblich, so die Parteigranden, liebäugele die NPD gar nicht mit der nationalsozialistischen Ideologie, mit Nazideutschland oder sogar mit Hitler. Lediglich die, so die NPD weiter, "völlig verfehlte staatliche Erinnerungspolitik" an die Opfer und Verbrechen der Nazidiktatur seien schuld daran, dass "national" denkende Menschen als Nazis eingestuft würden. Eigentlich ist eine solche Aussage nur eine neue, rhetorisch spitzfindige Verhöhnung der Opfer des Naziterrors.

Immerhin verbreitet derlei eine Partei, deren aktueller Vizechef Udo Pastörs 2009 den Begriff "Judenrepublik" nutzte. Und 2011 bewertete ein Parteikader noch einem Grill mit der Aufschrift "Happy Holocaust" auf einem Parteigelände schlicht als einen Gag. Der ehemalige Parteichef Udo Voigt nannte vor Jahren Adolf Hitler – also den führenden Nationalsozialisten im Nationalsozialismus par excellence – einen "große[n] Staatsmann".

Voigt bringt sich derzeit auch wieder in Stellung, um erneut Einfluss auf das Parteileben der NPD nehmen zu können. Zum neuen NPD-Verbotsverfahren teilt er mit, vor dem Bundesverfassungsgericht würden "Beweise verlangt und keine politischen Interpretationen unserer Aussagen durch den politischen Gegner".

Wann jedoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber entscheiden wird, ob die Landesinnenminister Fakten zusammen getragen haben oder es sich nur um, siehe Voigt, Interpretationen handelt, ist unklar.