Rechtsextremismusverdacht beim Bund der Selbstständigen

Trennung vom Landesverband NRW als Konsequenz erwogen

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Der Bund der Selbstständigen (BdS), die größte und älteste Mittelstandsvereinigung Deutschlands, prüft eine Trennung von ihrem Landesverband Nordrhein-Westfalen wegen möglicher Kontakte zu Rechtsextremisten. Rolf Kurz, Präsident des BDS-Bundesverbandes gegenüber dem WDR-Magazin Monitor: "Es kann nicht sein, dass hier eine Scharnierfunktion und vor allen Dingen dann womöglich eine Förderung rechtextremen Gedankengutes über den Verband möglich ist. Dort werden wir auf jeden Fall die Grenze setzen."

Telepolis hatte schon vor dem Monitor-Bericht über den BDS und die "Stimme der Mehrheit" berichtet:: Stimme der Mehrheit?. BDS-Präsident Kurz reagierte jetzt auf Nachforschungen des ARD-Politmagazins Monitor, die belegen, dass mit Hilfe der in der vom BDS Landesverband-NRW gegründeten Arbeitsgemeinschaft "Stimme der Mehrheit" seit Jahren rechtsextreme Verlage tätig sind. "Es handelt sich bei den Gründern um einen Kreis von politisch gleichgesinnten rechten Leuten, die sich sehr stark auf die 'konservative Revolution' der Weimarer Zeit beziehen, die man häufig als Steigbügelhalter des National-Sozialismus bezeichnet", betont Siegfried Jäger, Rechtsradikalismus-Experte der Universität-Duisburg.

Nicht nur Mitglied der "Stimme der Mehrheit", wie Telepolis recherchierte, sondern sogar stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen des BdS ist der mittlerweile fraktionslose Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann aus Hessen, wie aus den offiziellen Angaben des Bundestags zu seiner Person hervorgeht.

Veröffentlichungspflichtige Angaben

4. Verein; Stiftung:
Bund der Selbständigen,
Landesverband Nordrhein-Westfalen,
Dortmund,
(Stellv. Vorsitzender, ehrenamtlich)

Dennoch bestritt der NRW-Landesvorsitzender des BdS, Hans Peter Murmann, auf Anfrage von Monitor, die Beziehung zwischen der "Stimme der Mehrheit" und dem BdS-NRW, "Bei der Stimme der Mehrheit handelt es sich nicht um eine Arbeitsgemeinschaft des BDS NRW." Auf der Homepage der BDS-Arbeitsgemeinschaft "Stimme der Mehrheit" fand nach Veröffentlichung des Telepolis-Artikels und noch während der Recherchen von Monitor eine Säuberung statt: Listen mit Büchern rechtsextremer Verlage wurden gelöscht, ebenso das BDS-Logo und andere Bezüge der "Stimme der Mehrheit" zum BDS-Landesverband NRW. Bei der Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft findet man aber noch unter Links: "BdS - Stimme der Mehrheit" (Screenshot vom 21.11.03 ). Bestätigt wird dieser Zusammenhang durch einen am 4. Juni 2002 archivierten Screenshot der Website der Stimme der Mehrheit. Der Präsident des BDS-Bundesverbandes, bestätigte gegenüber Monitor diese "Löschaktion", so Kurz wörtlich.

Den Redaktionen von Monitor und Panorama liegt auch ein Tonbandmitschnitt des "Stimme der Mehrheit"-Mitgründers und CDU-Mitglieds Prof. Hans-Helmuth Knütter vor: "Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngere das tun können, mit persönlichem, mit körperlichem Einsatz für die Durchsetzung der politischen Ziele einsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. Die Älteren können aber auch etwas tun. Man wird auch den hier Anwesenden aufgrund des Alters wohl kaum zumuten können, sich an Saalschlachten und Straßenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tun können, ist natürlich: Geld sammeln, Aktionen ermöglichen." Mit Saalschlachten und Straßenkämpfen sind wohl kaum Aktionen innerhalb des so genannten Verfassungsbogens gemeint.

Ebenfalls als Folge der Veröffentlichung des Telepolis-Artikels Stimme der Mehrheit? meldete sich der Anwalt des CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach bei der Telepolisredaktion:

Frau Steinbach bewegt sich allerdings im Umfeld der Stimme der Mehrheit, wie das Anwaltsbüro selbst bestätigt hat. Auch in der Jungen Freiheit (Screenshot ) findet man dies bestätigt. Steinbach ist regelmäßige Interviewpartnerin der "Jungen Freiheit" (zuletzt). Anfangs kannte der Zusammenschluss "Stimme der Mehrheit" offenbar keine formalen Strukturen, sondern verstand sich als eine Art Lobbygruppe.

Nicht erst seit der Hohmann-Affäre, sondern seit Erika Steinbachs umstrittenem Engagement für das "Zentrum gegen Vertreibung" stürzen sich jedoch Medien im In- und Ausland, besonders auch aus Polen und Tschechien, auf diese Veröffentlichungen und stellen Steinbachs Scharnierfunktion zwischen dem rechten Spektrum innerhalb der Vertriebenverbände und der CDU/CSU einerseits und einem Netzwerk von Persönlichkeiten am rechten Rand der Gesellschaft heraus. Wie wenig dies ihrer Glaubwürdigkeit zuträglich ist, zeigte sich zuletzt beim Ausstieg des bekannten Grünen Professor Micha Brumlik, Direktor des renommierten Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt/Main, aus dem Projekt Vertreibungszentrum:

Der Tagespresse entnehme ich", so schrieb Brumlik an Erika Steinbach, "daß Sie dem Buch von Klaus Rainer Röhl 'Gegen das Vergessen' ein Vorwort beigesteuert haben. Sie haben damit einem Autor, dessen Ansichten seit geraumer Zeit - spätestens seit seiner Parteinahme für Ernst Nolte - jenseits dessen liegen, was als historisch seriös vertretbar und politisch verantwortungsvolle Haltung gelten kann, einen Reputationsgewinn verschaffen wollen. Das möchte ich in keiner Weise - auch nicht höchst indirekt - mittragen." An einer, wie immer gearteten Aufrechnungspolitik, so Brumlik weiter, "bin ich nicht interessiert. Indem Sie Herrn Röhl ein Vorwort beisteuern, tun Sie indessen nichts anderes, als derartige aufrechnende Perspektiven zu unterstützen. Soll man - wie Röhl insinuiert - wirklich ernsthaft darüber nachdenken, daß Dresden grausamer war als Hiroshima?