Rechtsruck in Polen

Lech Kaczynski von der rechten Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist neuer polnischer Präsident

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wieder einmal gehören die Demoskopen zu den Verlierern. In allen Umfragen lag vor der zweiten Runde der polnischen Präsidentenwahlen der liberalkonservative Donald Tusk vor dem nationalkonservativen Lech Kaczynski leicht in Führung. Andere prognostizierten ein Kopf- an Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten aus dem rechten Parteienspektrum. Doch nun hat Kaczynski mit 54,47 Prozent gegenüber Donald Tusk mit nur 45,53 Prozent die Wahlen klar gewonnen.

Lech Kaczynski

Damit besetzt die rechtskonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht nur das mit wesentlich mehr Vollmachten als in Deutschland ausgestattete Präsidentenamt. Die PiS ist auch die stärkste Regierungspartei und wird künftig den Premierminister stellen. Ursprünglich war für dieses Amt der Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski vorgesehen. Der Zwillingsbruder des designierten Präsidenten verzichtete aber für einige Wochen zugunsten eines Hinterbänklers aus den Reihen der PiS auf diesen Posten. Damit wollte er die Wahlchancen seines Bruders bei der Präsidentenwahl erhöhen, denn die Zwillingsbrüder in den höchsten Staatsämtern Polens hätten doch vielleicht manche Polen abgeschreckt. Es ist möglich, dass Jaroslaw Kaczynski nach der Präsidentenwahl doch noch das Amt des Premierministers anstrebt. Auf jeden Fall wird er der wahre starke Mann der Regierung bleiben.

Zumindest war es auffallend, dass die Koalitionsgespräche bis zum Sonntag ruhen und jetzt wieder aufgenommen werden. Die Koalition wird von den beiden Parteien gestellt, die noch bei der Präsidentenwahl gegeneinander antraten. Es ist also eine Koalition zwischen einer rechten und einer Rechtsaußen angesiedelten Partei, wobei letztere stärker ist und durch die siegreiche Präsidentenwahl noch mehr Einfluss gewonnen hat.

Das zeigt das Ausmaß des Rechtsrucks in Polen. Der künftige Präsident hat als Bürgermeister von Warschau durch seine minderheitenfeindliche Politik international für Schlagzeilen gesorgt. So hatte er eine Demonstration von Homosexuellen verboten, gegen kulturelle Minderheiten gehetzt und hat mit der Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe im rechten Wählermilieu gepunktet.

Allerdings betonen politische Beobachter, dass es sich bei der PiS um eine Partei handelt, die sich noch auf dem Feld der europäischen Konservativen bewegt und nicht mit rechtspopulistischen Parteien wie der mittlerweile gespaltenen FPÖ von Jörg Haider verglichen werden kann. Der größte Unterschied zur Bürgerplattform (PO) seines Konkurrenten Tusk ist vor allem auf wirtschaftspolitischem Gebiet zu finden. Während Tusk sein Vorbild in Margarethe Thatcher sieht und für ein konsequentes neoliberales Wirtschaftsprogramm eintritt, bekennt sich die PiS zum alten Sozialkonservatismus. Dem entsprechend unterschiedlich ist auch das Wählerreservoir. Der gebildete Neoliberale in den großen Städten, der sich von einem engen Bündnis mit Westeuropa Chancen erhofft, wählte die PO. Die Bevölkerung im ländlichen Raum, die sich zu den Modernisierungsverlierern zählt, setzte eher auf die PO.

Die Hälfte der Wahlberechtigten blieb der Abstimmung allerdings fern. Das lag sicher auch daran, dass in der Stichwahl nur noch zwei Kandidaten der Rechten antraten. Die Linke war schon in der ersten Runde ausgestiegen. Dazu haben gravierende Fehler während ihrer letzten Regierungszeit beigetragen. Die Sozialdemokraten hatten sich zum Träger der Umstrukturierung der Wirtschaft gemacht und wurden von vielen Modernisierungsverlierern als Träger des Neoliberalismus angesehen. Außerdem ist auch ihre Vergangenheit als Staatspartei im nominalsozialistischen Polen nicht vergessen. Gerade die PiS konnte mit ihrem Kampf gegen die Macht der Kommunisten Wähler gewinnen.

Stärkere Distanz zu Deutschland

In Deutschland sind vor allem die außenpolitischen Vorstellungen der PiS genau beobachtet worden. Schließlich bestimmt der Präsident laut Verfassung die Richtlinien der Außenpolitik. So wurde schon registriert, dass sich die PiS noch im Wahlkampf weigerte, mit einer deutschen Politikerdelegation zusammen zu treffen. Damit konnte sich die Partei vor den Wählern natürlich besser als Streiterin für die polnischen Interessen gegen Deutschland und Russland feiern lassen.

Das deutsch-polnische Verhältnis dürfte unter einem Präsidenten Kaczynski sicher nicht besser werden. Auch in der EU-Politik dürfte die stärkere Betonung nationaler Interessen auf der Agenda stehen. Unvergessen ist noch die harte Haltung Polens auf den Gipfel von Nizza, die maßgeblich von konservativen Politikern ausgearbeitet wurde. Dagegen dürften sich die Beziehungen zu den USA verbessern. Der designierte Präsident hat schon den Vorschlag eines Referendums über die Einführung des Euros ins Gespräch gebracht.

Die Aufregung über angeblich explizit antideutsche Maßnahmen des neuen Präsidenten ist allerdings interessengeleitet. So musste er in deutschen Medien heftige Kritik einstecken, weil er eine Studie über die Zerstörung Warschaus während der deutschen Besatzungszeit in Auftrag gegeben hatte, die vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Man muss doch eher fragen, warum eine solche Studie nicht schon früher erstellt wurde. Zumal Kaczynski ausdrücklich darauf verwies, dass er die Frage einer Entschädigung für diese Schäden nur auf die Tagesordnung bringen würde, wenn einige Vertriebenenfunktionäre fortfahren sollten, mittels des Projekts Preußische Treuhand Druck auf Polen auszuüben. Es zeugt von einer selektiven Wahrnehmung, hier den Polen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Nicht um das deutsch-polnische Verhältnis, wohl aber um die Rechte von Minderheiten in Polen müsste man sich Sorgen machen, wenn die PiS die Propaganda ihrer 4. Republik in die Tat umsetzen.