Regenerative Energien werden zunehmend zum Problem für die Mineralölindustrie

Der World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur macht es deutlich. In den Hinterzimmern der Politik ist ein heftiger Kampf um die Energieversorgung der Zukunft ausgebrochen

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Fossile Energieerzeugung wird zunehmend zur finanziellen Belastung für die Staaten. Regenerative Energien könnten die finanzielle Lücke schließen. Allein die intensive Lobbyarbeit der Mineralölproduzenten versucht, dies zu verhindern, und ist dabei durchaus erfolgreich. Unter anderem über den World Energy Outlook (WEO), der jährlich von der Internationalen Energieagentur (IEA) veröffentlicht wird. Kritiker werfen der Organisation vor, dass sie die wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten regenerativer Energien immer wieder deutlich zu klein berechne (Erfolg schafft Feinde).

"Man sieht immer wieder, dass die IEA sehr stark auf das Wachstum klassischer Energieträger setzt", sagt Rainer Hinrichs-Rahlwes, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) in Berlin, gegenüber Telepolis. Dabei, so Hinrichs-Rahlwes, gehe es nicht um falsch Rechnen, "sondern um eine falsche Interpretation der Zahlen", die dem Bericht zugrunde gelegt würden.

Die IEA denkt in Kraftwerken, eine dezentrale Struktur in der Energieerzeugung spielt in den Überlegungen der Organisation eher eine untergeordnete Rolle.

Hans-Josef Fell, Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen und deren energiepolitischer Sprecher, geht bei der Beurteilung der IEA noch einen deutlichen Schritt weiter. In der Öffentlichkeit sei die IEA die zentrale Organisation für Energiefragen. Wer sich jedoch intensiver mit der IEA beschäftige, sehe sehr schnell, dass sie "das Handlungsorgan der Mineralölwirtschaft" sei, so Fell zu Telepolis.

Allein für die EU lägen die Kosten für den Import von Brennstoffen bei 400 Milliarden Euro. Dagegen jedoch stehe ein Außenhandelsdefizit von etwa 120 Milliarden Euro. Zwar seien die in der jüngeren Vergangenheit zunehmend gestiegenen Brennstoffpreise nicht allein ursächlich für die Finanzkrise in den EU-Mitgliedsstaaten, trotz allem würde ihr negativer Einfluss auf die Haushalte immer wieder unterschätzt oder bliebe schlicht unberücksichtigt.

Die gestiegenen Energiepreise in der EU spiegeln die gestiegenen Brennstoffpreise wider

Weltweit beliefen sich 2011 die Subventionen für fossile Brennstoffe auf 532 Milliarden US Dollar. Diese Summe ist das Sechsfache der Subventionen für regenerative Energien und darüber hinaus eine Steigerung von 30 Prozent zum Vorjahr. Subventionen, die unter anderem in den Abbau bislang nur schwer zu erreichender Vorkommen gesteckt werden.

So erleben die USA derzeit ein regelrechtes Comeback der fossilen Brennstoffe. Dort wurden kürzlich große Schiefergasvorkommen entdeckt, deren Umfang auf bis zu 7,7 Billionen Kubikmeter geschätzt werden. David Victor, Energieexperte an der University of California sagte in der Technology Review:

Auf die Windkraft kommt ein regelrechtes Blutbad zu.

Denn nach der Veröffentlichung dieser Daten sackte der Gaspreis von ursprünglich über 10 US-Dollar pro Maßeinheit auf 2 Dollar ab. Ein Preis, der von regenerativen Energieproduzenten kaum zu unterbieten ist. Udo Ungeheuer, designierter Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), beklagt daher nicht zu unrecht in der TR: "Die Subventionen verzerren den Wettbewerb. Das macht es den erneuerbaren Energien schwer, sich am Markt durchzusetzen."

Zumindest in Europa kann daher gesagt werden: Da die fossilen Brennstoffe für die Energieerzeugung immer teurer werden, spiegeln die europäischen Energiepreise ein realistisches Preisniveau wider. Nicht die regenerativen Energien sind der Preistreiber, sondern vielmehr die fossilen Brennstoffe, die aus immer tieferen und schwieriger zu erreichenden Lagerstätten gefördert werden müssen.

Für die Öl-Produzenten stellen regenerative Energien keine Alternative dar

Transparency International veröffentlichte 2011 einen globalen Korruptionsbericht mit dem Schwerpunkt "Klimaveränderung". Dort schreibt einer der Autoren, David L. Levy, dass Unternehmen eben nicht so einfach ihr Geschäftsmodell verändern könnten.

Exxon verlor Geld, als das Unternehmen während der Energiekrise in den 1970ern versuchte, sich zu diversifizieren.

Heute habe das Unternehmen verstanden, dass seine Expertise in der Geologie, der Kohlenwasserstoffchemie und der Förderung und dem Verkauf entsprechender Produkte liege. 2009 investierte das Unternehmen daher zwar 600 Millionen US-Dollar in ein Projekt zur Erzeugung von Biobrennstoff durch Algen, demgegenüber jedoch 41 Milliarden Dollar in den Kauf eines Produzenten von Schiefergas.

Aufgrund der negativen Erfahrung mit der Entwicklung eigener Produkte im Bereich der regenerativen Energien suchten die Öl- und Gasproduzenten daher den Schulterschluss mit der Kohleindustrie. Dort fanden sie nicht nur einen geeigneten Unterstützer, der vor demselben Dilemma stand, sondern darüber hinaus noch über dringend benötigten Expertisen verfügte: die Fähigkeit CO² zu verflüssigen und in den Erdboden zu injizieren (CCS).

Die Mineralölproduzenten versuchen, massiven Einfluss auf die Politik zu nehmen

Der grünen Bundestagsabgeordneten Fell sieht daher den World Energy Outlook der IEA eher als Hindernis denn als Lösung für die Probleme der globalen Klimaerwärmung:

Würde die IEA die Verknappung der fossilen Brennstoffe anerkennen, würde eine immense Geschwindigkeit beim Aufbau einer regenerativen Energieversorgung einsetzen.

Das derzeitige System sei jedoch nicht vielmehr als "ein Ausbluten der Volkswirtschaften". Hinrichs-Rahlwes dagegen sieht durchaus auch Veränderung in der IEA. So seien dort nicht nur die Vertreter der Mineralölwirtschaft vertreten. Es gäbe durchaus auch Leute, die den regenerativen Energien aufgeschlossen gegenüberstünden.

Im globalen Korruptionsbericht 2011 von Transparency International heißt es:

2007 haben mehr als 60 der weltweit größten Unternehmen die Organisation "Combat Climat Change" (3C) ins Leben gerufen. Das Ziel von 3C ist die Schaffung eines politischen Netzwerkes zur Veränderung des Kyotoprotokolls bis zum Jahr 2013.

Offensichtlich scheint, dass die Mineralölindustrie aufgrund der Entwicklung der regenerativen Energien zunehmend ihr Geschäftsfeld verliert. Umso klarer ist daher, dass im Hintergrund von Organisationen wie der IEA ein heftiger Kampf darüber entbrannt ist, wie die Energieversorgung der Welt in der Zukunft aussehen soll. Derzeit scheinen die Verfechter der fossilen Brennstoffe, zumindest im globalen Vergleich, die Nase vorn zu haben.