Regierungskoalition: Kein weißer Rauch

Schweigen nach dem Edathy-Krisentreffen von Merkel, Gabriel und Seehofer

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Gestern Abend war Krisengipfel der Regierung in Sachen Edathy angesagt. Die drei Parteivorsitzenden der Regierungskoalition, Merkel, Gabriel und Seehofer trafen sich im Kanzleramt, um die Vertrauenskrise zu lösen. Aber gelöst wurde offenbar nichts, zumindest verharrt man im Schweigen - vermutlich nicht lange, denn in den hinteren Reihen ist man empört.

Bundeskanzleramt. Bild: Tischbeinahe/CC-BY-SA-3.0

Vor dem Treffen hatte Merkel aber noch Zuversicht verströmt: "Wir wollen und werden weiter zusammenarbeiten. Ich bin sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird." Sie forderte lückenlose Aufklärung und rechtfertigte Notwendigkeit des Rücktritts von Friedrich, was vermutlich bei Seehofer nicht gut angekommen ist. Vor dem Treffen hatte er mit harter Miene ein "Entgegenkommen" der SPD gefordert, also irgendein schmerzliches Opfer, das als Tit for Tat fungiert. Das kam aber offenbar nicht. Schließlich hatte Oppermann trotzig auf seine wichtige Rolle für die Koaltion hingewiesen: "Ich bin zusammen mit Volker Kauder ein Stabilitätsanker dieser Koalition". Man dürfe "nicht Dinge miteinander verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben".

Da Agrarminister Friedrich (CSU) wohl auf Verlangen von der Kanzlerin blitzschnell zurücktreten musste, steht SPD-Fraktionschef Oppermann im Visier der Union. Er hatte öffentlich gemacht, dass ihn der damals noch amtierende Innenminister während der laufenden Koalitionsverhandlungen darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Edathy im Zuge von Ermittlungen gegen Kinderpornografie aufgetaucht sei. Da der Whistleblower Friedrich, der über seinen Staatssekretär, jetzt zuständig für Geheimes im Kanzleramt, die Information von BKA-Chef Zierke, zunächst an Gabriel weiter gegeben hatte, steht er im Verdacht, Geheimnisverrat begangen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat deswegen Ermittlungen eingeleitet.

Gabriel hatte die Information an Steinmeier und Oppermann weiter gereicht. Die Vermutung besteht, dass Edathy gewarnt worden sein könnte. Wo der Maulwurf, wenn es denn einen gibt, sitzt, ist völlig unklar, Edathy leugnet, dass es einen Tipp-Geber gegeben hatte. Problematisiert wurde, dass Oppermann, der möglicherweise eine wichtige Rolle in der Bundesregierung, vielleicht gar Innenminister, hätte werden können, seinen möglichen Untergebenen Ziercke, der zudem SPD-Mitglied ist, telefonisch über Edathy ausforschen wollte. Der habe zwar nicht gesagt, das habe er aber als Bestätigung dafür gesehen, dass etwas im Busche ist.

Jedenfalls wurde in den Reihen der Union, vor allem aber in denen der CSU, eine Art Kompensation für den Sündenbock Friedrich gefordert. Allerdings ist klar, dass es nichts nützen wird, sollte nun auch der Kopf von Oppermann rollen. Das Problem sitzt im Filz der Koalitionsparteien und deren Verbindungen zu den Staatsanwaltschaften, den Geheimdiensten, dem BKA und den LKAs.

Edathys Notebook soll nach seinen während einer Fahrt von Berlin nach Amsterdam am 31. Januar verloren gegangen oder geklaut worden sein, am 12. Februar, nach Durchsuchung seiner Wohnung, hatte Edathy dies gemeldet. Das macht Edathy natürlich desto verdächtiger, wer will, könnte auch ein Komplott gegen den einstigen Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschusses vermuten, der den Sicherheitsbehörden das Leben schwer gemacht hat. Auch im NSU-Prozess kritisieren Nebenkläger, dass es um die Aufklärung schlecht bestellt sei:

Akteneinsichten werden faktisch verunmöglicht oder - in die Akten gegen eine unbekannte Anzahl an weiteren Beschuldigten - erst gar nicht gewährt. Der Generalbundesanwalt, zu Beginn des Ermittlungsverfahrens noch ganz darauf bedacht, Kooperation und Transparenz gegenüber den Verletzten und Familien der vom NSU Getöteten darzustellen, versucht heute scheuklappenartig sämtliche Aufklärung zu blockieren, die über ein bloßes Abhaken der formalen Anklagepunkte hinaus geht.

Bislang wurden noch keine strafrechtlich belastenden Beweise gegen Edathy gefunden. Entweder hat er keine Kinderpornografie gekauft oder er hat entsprechende Daten vernichtet. Nun hat die Staatsanwaltschaft schriftlich eine Durchsuchung seines Abgeordnetenbüros der Server des Deutschen Bundestags erwirkt. Heute tagt der Innenausschuss im Bundestag unter dem Vorsitz von Wolfgang Bosbach (CDU). Befragt werden sollen Gabriel, Steinmeier, Oppermann, SPD Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht, BKA-Präsident Ziercke und Innenminister de Maizière (CDU). Wird da viel herauskommen? Petra Sitte von den Linken glaubt, die Koalition wolle damit "der Öffentlichkeit weiszumachen, dass sich alle Beteiligten richtig verhalten hätten". Aber das ist auch noch die Rache.