Registrierung? Nein Danke!

Gegen Datensammeln und Newsletterplage: Ein Login für alle

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"Online kostenlos lesen gegen Registrierung" ärgert die Leser der Online-Magazine mindestens genauso wie nervige Werbung. Als Abhilfe gibt es nun nicht nur Webseiten mit "Serials", Registrierungsdaten für Software, sondern auch eine mit Login-Daten für die gängigsten registrierungspflichtigen Online-Blätter

"Nerv mich nicht", das denkt so mancher, wenn er von einem Bekannten einen Link beispielsweise zum Online-Angebot der Welt bekommt und nach dem Anklicken die Meldung erhält, dass er zum Lesen dieses Beitrags erst einloggen müsse. Und wenn er noch keinen Login habe, sich nur kostenlos registrieren müsse. Denn so harmlos das klingt, so nervig ist es, nun erstmal einen Fragebogen ausfüllen und seine E-Mail-Adresse hinterlegen zu müssen. Wer schon länger im Web unterwegs ist, wird besonders misstrauisch, sich hier schon wieder einmal virtuell ausziehen zu müssen und je nach Magazin sein Haushaltseinkommen, seine Hobbys oder seine sexuellen Vorlieben hinterlegen zu müssen.

Der Grund für die Fragerei: Die Zeitschriften möchten mehr über ihre Leser wissen, um gegenüber Werbekunden ein exakteres Profil der Leserschaft vorweisen zu können. Die Registrierungspflicht erspart so teure Marktforschung und Leserbefragungen. Allerdings ist man natürlich nie sicher, ob nicht nur der Gesamtdatenquerschnitt, sondern auch das Profil einzelner User ausgewertet wird. Besonders auffällig ist dies bei amerikanischen Online-Zeitschriften, wo noch wesentlich mehr Details abgefragt werden als auf deutschen Newssites mit Registrierungspflicht und auch oft klar gesagt wird, dass die Fragen zum Zusenden "maßgeschneiderter Newsletter", sprich: Werbemails, ausgewertet werden.

Schon wieder als "Max Mustermann" registrieren?

Somit kann einen zwar niemand hindern, unrichtige Eingaben zu machen, was jedoch noch mehr Mühe macht als einfach die Wahrheit einzutragen, zumal viele Sites auch noch die eingegebenen Adressen auf Plausibilität überprüfen und es nicht die feine Art ist, dann kurzerhand die des Nachbarn zu nehmen, bloß damit man selbst nicht als Welt-Leser enttarnt ist.

Doch es bleibt das Spamproblem. Hiergegen kann man sich wiederum extra einen "E-Müll-Account" beispielsweise bei Spamgourmet einrichten, aber spätestens jetzt artet das Ganze in Arbeit aus und bis man sich endlich durch die ganze Registrierungs-Prozedur durchgewurschtelt hat, ist die Lust meist vergangen, den Artikel, um den es ursprünglich ging, noch zu lesen. Etliche Sites zeigen ihn nun konsequenterweise auch gar nicht an, sondern leiten einen nach der Registrierung auf die Startseite.

Problem: Spam und Vergesslichkeit

Kommt man dann ein paar Wochen später wieder auf die betreffende Website, um einen anderen Artikel zu lesen, hat man den mühselig angelegten Login oft schon wieder vergessen und muss noch einmal von vorne anfangen. Nur manche Sites speichern den Login und gerade bei Surfern mit Sicherheitsbedenken, die deshalb ihre Cookies löschen, wird der Login natürlich nicht gespeichert. Ja, selbst kostenpflichtige Logins werden oft genug von ihren Besitzern vergessen oder verlegt und nach einer Weile nicht mehr benutzt.

Abhilfe schafft nun "Bug me not" ("Nerv mich nicht"), eine Website, auf der man einen bereits angelegten Account hinterlegen und mit der Allgemeinheit teilen kann. Wer eine URL eines registrierungspflichtigen Angebots eintippt, bekommt dann einen geeigneten Usernamen nebst Passwort angezeigt. Im Gegensatz zu Seiten mit Software-Registrierungen ist dies nicht illegal und schädigt niemanden, denn die Zeitschriften kommen so zwar nicht an die erhofften Marktforschungsdaten, doch schadet es ohne Zweifel weit weniger als das Anlegen eines Accounts mit unsinnigen, erfundenen Daten.

Mein Account – Dein Account – Unser Account!

Aufpassen sollte man nur, dass man keinen Account für die Allgemeinheit preisgibt, der echte eigene Daten enthält – und sei es auch nur eine persönlich zuordenbare E-Mail-Adresse – oder mit dem man am Ende gar über Kreditkarte, Bankeinzug oder andere Zahlungssysteme kostenpflichtige Dienste nutzen kann. Und natürlich ist zu befürchten, dass einige Zeitschriften bei "Bug me not" veröffentlichte Accounts sperren werden. Allerdings wird dies niemand davon abhalten, dann erst recht neue Accounts mit Phantasienamen anzulegen und so die erhoffte Leserstatistik wertlos zu machen. Da ist ein "gesharter" Nonsense-Account sicher das kleinere Übel für die Marketing-Leute.

"Bug me not" hat inzwischen nach eigenen Angaben über 14.000 registrierungspflichtige Websites "befreit", darunter auch deutsche Angebote. Ihr Besitzer, ein Australier, will anonym bleiben, um Rechtsstreits aus dem Wege zu gehen, gab aber gegenüber Wired an, die Seite im November 2003 gegründet zu haben, als er sich selbst wieder einmal über die ewige Registriererei geärgert hatte. Einer der Mozilla-Entwickler, Eric Hamiter, hat bereits ein Mozilla-Plugin entwickelt, das automatisch geeignete Login-Daten auf "Bug me not" nachschlägt, sobald ein Login-Fenster erscheint.

Nicht sinnvoll bei personalisierten Webseiten

Die Zeitschriften sind über "Bug me not" und andere, ähnliche Angebote natürlich nicht begeistert, halten aber mit wirklich personalisierten Angeboten gegen, die also nicht nur personalisierte E-Mail-Werbung bieten, sondern beispielsweise auf die persönlichen Vorlieben ausgerichtete Nachrichten und den Wetterbericht passend zum eigenen Wohnort. Da verliert dann der "Gemeinschafts-Account" zumindest für regelmäßige Nutzer des Angebots seinen Sinn. Und auch, wer zwar einen eigenen Account anlegt, doch ihn mit unsinnigen Angaben füttert, wird an den nun speziell für schwule 90-jährige mit 15 Brüdern in Zelten lebende Grönländer zusammengestellten News eher wenig Freude haben. Lee Tien von der Electronic Frontier Foundation (EFF), die prinzipiell gegen unnötige Registrierungen ist, sieht die Login-Plage im Übrigen auch eher entspannt:

Ich kann es der New York Times auch nicht mehr übel nehmen, diese Informationen abzufragen, als jedem anderen Unternehmen. Ich halte es zwar für überflüssig und es wäre mir lieber, sie ließen es bleiben, aber ich kann nicht sagen, dass es falsch ist oder sie es nicht tun sollen.