Rekordbetrug an Sparern in Spanien?

350 000 Kunden sollen mit einem Schneeballsystem um 5-6 Milliarden Euro betrogen worden sein

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Die Aufregung unter Kleinsparern in Spanien ist groß. Bilder wie am „Schwarzen Freitag“ 1929: Sparer vor den Büros von Afinsa und Forum Filatélico, die die Welt nicht mehr verstehen und ihre Einlagen zurückfordern. Doch die Konten der Firmen wurden am Dienstag gesperrt, 21 Büros und Privatwohnungen seither durchsucht und neun Direktionsmitglieder verhaftet.

Sparer drängeln sich vor den Büros der Betrügerfirmen

Der Nationale Gerichtshof hat Verfahren wegen mutmaßlicher Korruption, Steuervergehen, Geldwäsche, strafbare Insolvenz, Urkundenfälschung und Untreue eröffnet. Der Gesamtumfang der Betrügereien soll sich um über fünf Milliarden Euro belaufen, womit es sich um den größten Finanzskandal Spaniens handeln würde. In zwei Verstecken einer Privatwohnung wurden 10 Millionen Euro in bar gefunden.

Die Einlagen sollten über Briefmarken gedeckt sein. Die Ermittler behaupten, die Preise für die Marken seien bis zu 900 % überzogen. Geprüft wird auch, ob mit gefälschten Marken „gehandelt“ wurde. Im Haus von Francisco Guijarro Lázaro, der die Briefmarken lieferte, seien nicht nur das Geld, sondern auch falsche Marken und Druckplatten gefunden worden. Die Kunden haben ihre Briefmarken meist nie gesehen. Die Firmen boten zwar die Übergabe an, wegen der „Sicherheit“ wurde darauf aber meist verzichtet.

Werbung für den Kauf der Briefmarken

Geködert wurden die Kunden mit hohen Zinsen, die sich zwischen 6 und 12 % bewegt haben. Die seien auch stets bezahlt worden, aber nicht aus erwirtschafteten Gewinnen, sondern über Einlagen neuer Kunden, womit ein Pyramiden- oder Schneeballprinzip vorläge. Die oft älteren Kleinsparer, mit durchschnittlich 15.000 Euro Einlage, kamen aufgrund von Mund- zu Mundpropaganda zu den Firmen, die das Geschäft über 25 Jahre langsam aufgebaut hatten.

Die Firmen weisen alle Vorwürfe zurück und versuchen die Anleger zu beruhigen. Dass mit Briefmarken derartige Renditen erzielt werden können, ist fraglich. Das gilt auch für Zinshöhen, die weit über den Bankzinsen lagen, die viele Anleger selber für ihre Immobilienkredite zahlten. Allerdings hatte es zuvor auch Warnhinweise gegeben: Die Finanzaufsicht des Wirtschaftsministeriums hatte ein Strafverfahren gegen die Wirtschaftsprüfer der Firmen eingeleitet. Bei einer Routineprüfung war deutlich geworden, dass 2002 die Bücher von Afinsa und Filatélico ungenügend kontrolliert wurden. Vor deren Geschäften warnten auch Konsumentenvereinigungen. Die britische Lloyds hatte zum Jahresanfang die Versicherungspolicen im Wert von 1,2 Milliarden Euro nicht verlängert, weil man Zweifel am Wert der Briefmarken hatte.

Da es sich nicht um Bankgeschäfte handelte, war die Aufsicht niedrig, weder die Börsenaufsicht noch die Zentralbank kontrollierten. Zuständig waren nur die Konsumentenschützer, wofür die Regionalregierungen zuständig sind, die aber bislang kaum Kontrollbefugnisse haben und nur Bußgelder verhängen können.

Die Angst der Anleger, ihr gesamtes Geld zu verlieren, ist berechtigt. Wegen der löchrigen Rechtslage tritt im Fall eines Bankrotts auch kein Garantiefond ein, um den Schaden zu lindern. Das könnte insgesamt große Auswirkungen auf die gesamte spanische Ökonomie haben und die Immobilienblase zum Platzen bringen, vor der seit Jahren gewarnt wird. (Verschulden auf Lebenszeit in Spanien). Manche haben über die eingenommenen Zinsen bei den beiden Firmen ihre Hypotheken bei Banken bezahlt. Die Antikorruptionsbehörde geht davon aus, dass die beiden Firmen völlig insolvent sind.