Revolution der Zwerge

Schleswig-Holstein macht jetzt "Neuen Datenschutz"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Schleswig-Holstein findet derzeit eine Revolution im Datenschutz statt: Ab dem 1. Juli dieses Jahres wird das "Unabhängige Zentrum für Datenschutz" die bisherigen Aufgaben des Landesdatenschützers aber auch neue Aufgaben übernehmen: So soll es zu einem "service-orientierten Kompetenzzentrum des Datenschutzes und der Datensicherheit" ausgebaut werden. Es wird sowohl Behörden als auch die Wirtschaft nicht nur beraten, sondern auch kontrollieren. Beschlossen wurde dies im neuen Landesdatenschutzgesetz, das vom Landtag noch vor den Landtagswahlen einstimmig verabschiedet wurde.

Das neue Gesetz setzt bereits die Vorgaben der Europäischen Datenschutzrichtlinie um. Anders als bei der geplanten Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes wurde hier jedoch gleich in einem ersten Schritt das Recht vereinfacht, verschlankt und modernisiert. Darauf sind die Kieler zu Recht ein wenig stolz.

In dem Tätigkeitsbericht zum Jahr 1999, der diese Woche vorgestellt wurde, stellte der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Helmut Bäumler die Testergebnisse seines recht ambitionierten IT-Labors vor. Das Labor ist in der deutschen Datenschutzlandschaft einmalig - etwas ähnliches gibt es bislang im großen Stil nur beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn. Durch die Integration in das "Unabhängige Zentrum für Datenschutz" wird es künftig noch eine entscheidend größere Rolle spielen.

So testete das Labor Datenschutz-Tools, führte Praxistests für neue Betriebssysteme durch und installierte Test- und Reverenzsysteme für Datensicherheit. Zudem werden derzeit in Schleswig-Holstein verschiedene Modellprojekte durchgeführt. So zum Beispiel das Projekt "Webzugriff Anonym und Beobachtbar" (WAU), ein Projekt zur datenschutzgerechten Biometrie (BioTrust) sowie die Errichtung eines virtuellen Datenschutzbüros. Hinzu kommen zahlreiche Tipps und Hinweise zum Selbstschutz im Internet - wie Sicherheitsaspekte beim Internetanschluss, den Umgang mit Mitarbeiterdaten auf Homepages oder den Personenbezug von IP-Nummern.

Auch stellte Bäumler in seinem Bericht fest, dass es in der Vergangenheit immer wieder im Umgang mit dem Patientengeheimnis zu Problemen kam. So verweigerte eine Uniklinik die Behandlung, nur weil eine Patientin ihre Daten nicht für Forschung und Lehre frei geben wollte. Patienten beschwerten sich zu Recht über die Umstände, unter denen sie untersucht und über Krankheitsdaten befragt wurden. So wurde eine schwere Krebsdiagnose sogar im Beisein anderer Patienten eröffnet.

Bei den Kontrollen von digitalen Telekommunikationsanlagen stellte sich heraus, dass die Verwaltung ohne fremde Hilfe sie nicht mehr beherrschen kann. Allerdings lassen sich viele Anlagen per Fernadministration manipulieren. Bäumler: "Unter bestimmten Umständen können Telefonapparate sogar wie Abhörmikrofone zum Mithören aller Gespräche, die in einem Raum geführt werden, umfunktioniert werden." Privatisiert werden dürften Telekommunikationsanlagen durch die Landesregierung deshalb nur dann, wenn die Tätigkeit der Systemadministratoren lückenlos nachvollzogen werden kann.

Generell fiel den schleswig-holsteinischen Datenschützern auf, dass viele Kommunen bei der Einführung von Informationstechnik keine Sicherheitsmaßnahmen vorsehen. So konnte sich die Datenzentrale nachts per Fernwartung auf Rechnersystemen bewegen, ohne dass die Verwaltungen davon etwas merken konnten.

Insgesamt hat sich beim innovativsten deutschen Landesdatenschützer eine Wende hin zu einem technik- und bürgerrechtlich orientierten Datenschutz vollzogen. Damit jedoch noch nicht genug: Der schleswig-holsteinische Landtag hat neben dem neuen Landesdatenschutzgesetz auch ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. Erstmals gibt es allen Bürgerinnen und Bürger den Anspruch auf Zugang zu den Informationen in Verwaltung, ohne dass sie besondere Gründe darlegen müssen. Neben Berlin und Brandenburg ist Schleswig-Holstein das dritte Bundesland, in dem ein solches Gesetz eingeführt wurde.