Roboter als Haustiere für alte Menschen

Auslagerung der Aufmerksamkeit in die Technik

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Es ist ein Elend. Je weiter wir in der Informationsgesellschaft voranschreiten und je höher der materielle und medizinische Standard in einer Gesellschaft ist, desto mehr alte Menschen gibt es auch proportional zur Gesamtbevölkerung eines Landes. Überdies werden sie zudem immer älter. Das aber heißt auch, daß es immer weniger jüngere Menschen gibt, die die Alten finanziell, medizinisch und sozial versorgen, während die Versorgungsleistungen der Alten teurer werden. Wer es sich leisten kann, kauft sich halt die entsprechenden Dienstleistungen, wer wenig Geld und keine Nachkommen hat, muß im Alter in Knappheit leben und kommt bestenfalls, wenn er es alleine nicht mehr schafft, in ein Altenheim.

Wer sich eine Untersuchung zu Herzen nimmt, die unlängst veröffentlicht wurde und in der festgestellt wurde, daß diejenigen Frauen, die entweder keine Kinder hatten oder erst spät wenige bekamen, am längsten leben, wird womöglich als greiser und kränkelnder Single mit der möglicherweise nicht mehr so schönen Welt der Alten konfrontiert werden.

Aber wofür gibt es denn die Technik, die ja auch immer Ersatz ist? An der University of Salford entwickelt Brian Bury eine mögliche Lösung des Altenproblems, das gleichzeitig den Menschen und der technischen Entwicklung sowie dem Markt dient (siehe auch "Robo-pet keeps watch on old folk's health", Sunday Times vom 27.12.98). Rosie heißt der Prototyp eines Roboters, der als ein Companionable Autonomous Robot with Emotional Responsivity (Carer) die für unsere Zeiten ideale Lösung darstellt. Die Rosies der Zukunft sollen nämlich die einsamen Alten begleiten, ihren Zustand überwachen und ihnen als eine Art elektronisches Haustier dienen. Menschen jeden Alters brauchen nämlich Aufmerksamkeit, weswegen Tiere einen möglichen Ersatz darstellen. Doch wirkliche Tiere sind doch auch ein wenig anspruchsvoll. Ihre Aufmerksamkeit kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Geduld. Und dann verlangen sie als Ausgleich für ihre Aufmerksamkeit auch eine gewisse Anpassung der Menschen an ihre Bedürfnisse. Das ist ein bißchen viel für uns moderne Einzelgänger, die für ihr Geld nur Aufmerksamkeit kaufen wollen, die dann keine Gegenleistung mehr abverlangt.

Die Robot-Haustiere für die Alten sollen also zwar wie ein Hund vor Freude mit dem Schwanz wedeln, wenn sie einen begrüßen, sie sollen vielleicht auch Miauen oder Bellen, möglicherweise mit einem Ball spielen und etwas aufheben und tragen können. Eventuell könnte man ihnen auch das Sprechen beibringen, und wenn man denn einmal so ein nettes Haustierchen hat, dann wäre es wahrscheinlich auch gut, die Metall- und Plastikteile mit einem künstlichen Fell zu überziehen. Das ist schöner anzusehen und zu streicheln. Keinesfalls sollen die Rosie-Nachfolger jedoch außer freundlichen oder fürsorglichen Emotionen auch Ärger, Wut oder Bockigkeit zeigen.

Über die selektierten Haustiereigenschaften hinaus bewährt sich Rosie als eine Art Wachhund. Körperdaten der künftigen Patienten wie Temperatur, Blutdruck oder Puls werden erfaßt und drahtlos an den Robot übermittelt, der dann, wenn etwas brenzlig aussieht, das "Herrchen" in Stress gerät oder sich zu wenig bewegt, den Arzt benachrichtigt. Rosie findet sich in der Wohnung über eine abgespeicherte Karte zurecht. Man könnte am Robot natürlich auch eine Videokamera anbringen, so daß man aus der Ferne visuell überprüfen kann, ob alles in Ordnung ist.

Mit den emotionalen Rosies wird niemand mehr seinen Lebensabend alleine verbringen müssen. Und natürlich ist es wohl angenehmer, von einem Robot-Haustier begleitet zu werden, als in einer intelligenten Wohnung zu leben und überwacht zu werden. Gerade weil aber Aufmerksamkeit in der Aufmerksamkeitsökonomie immer knapper und teurer wird, werden immer mehr technische Angebote entwickelt, sie vom Menschen abzulösen und als Produkt feilzubieten, das entweder eigene Aufmerksamkeitsleistungen wie etwa virtuelle Agenten oder wie Rosie fremde Aufmerksamkeit ersetzt.