Run auf die neue Ressource des biotechnologischen Zeitalters: das Genom isolierter Gesellschaften

Gen-Unternehmen erwirbt Exklusivrechte am Erbgut der Bürger von Tonga

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Isolierte Länder mit wenig Einwanderung und einer homogenen Bevölkerung werden zunehmend für die Genforschung interessant, um die Gene für bestimmte Erkrankungen identifizieren zu können. In Island haben Regierung die Firma deCODE einen Vertrag geschlossen, der es dem Unternehmen erlaubt, Gentests mit Krankheitsdaten aller Einwohner zu verbinden und die anonymisierten Ergebnisse zu verkaufen (Gendatenbank für eine ganze Nation). Jetzt steigt auch das Königsreich Tonga in der Südsee ins Geschäft mit der neuen Ressource der genetischen Daten ein und hat einen Vertrag mit der australischen Firma Autogen Limited geschlossen, diese auswerten zu dürfen.

Von Tongas 170 Inseln sind nur 45 bewohnt. Auf ihnen leben etwas mehr als 100000 Menschen, zwei Drittel alleine auf der Insel Tongatapu. Besiedelt wurde es vor 3500 Jahren durch Polynesier. Es ist das einzige Land im Südpazifik, das noch nie von einer fremden Macht beherrscht wurde. Zwischen 1900 und 1970 war Tonga allerdings ein britisches Protektorat. In einer konstitutionellen Monarchie regiert gegenwärtig der König Taufa'ahau Tupou IV. Wirtschaftlich hängt Tonga wesentlich vom Export landwirtschaftlicher Produkte ab. Der Tourismus wird aufgebaut. Vertrieben werden auch handwerkliche Produkte. Zum Reichwerden dient dies alles nicht, zumal Tonga auch sehr entlegen liegt.

Allerdings hat sich Tonga bereits zwei Dinge zunutze gemacht, die die Globalisierung ermöglicht. Es zählt zu den Steueroasen und wurde unlängst von der OECD in eine entsprechende Liste eingetragen. Auf Druck vieler Länder wird erwogen, mit wirtschaftlichen Sanktionen gegen solche Länder vorzugehen. Und dann hat Tonga bietet Tonga auch seine Domain .to zur Registrierung gegen 35 US-Dollar an. Bei den wenigen Menschen kann man hier tatsächlich noch ein weites Spektrum an Namen finden. Die Bewilligung neuer TLDs könnte aber die Einnahmen über .to schmälern.

Jetzt also hat die Erfassung und Auswertung der genetischen Ressourcen exklusiv für 5 Jahre an das australische Unternehmen Autogen verkauft. Tonga hat den großen Vorteil, wegen der isolierten Lage und vor allem wegen der geringen Immigration möglicherweise ein idealer Standort für die genetische Bestimmung von Erbkrankheiten zu sein. Von den über 100000 Einwohnern sollen gerade einmal 300 europäischer Herkunft sein. Neben der ethnischen Homogenität leben die Tonganesen oft noch in Dorfgemeinschaften und können Erbkrankheiten zurückverfolgen, auch wenn gegenüber Island das Gesundheitssystem nur sehr rudimentär ist und meist keine oder keine lange zurückreichenden medizinischen Daten vorliegen. Daher wird Autogen ein Forschungszentrum in Tonga einrichten, um die vorherrschenden Erbkrankheiten zu bestimmen. Andererseits könnte durchaus sein, dass die genetische Homogenität der Bevölkerung auch einen Nachteil darstellt, wenn die genetischen Grundlagen von Krankheiten spezifisch für sie und daher nicht auf andere Populationen übertrag sind.

Gleichwohl meint Joseph Gutnick, der Vorsitzende Autogen, dass die Isolation und ethnische Homogenität die "genetischen Ablenkungen" für die Wissenschaftler reduziert: "Je weniger sich die Rassen vermischen, desto leichter lässt sich ein bestimmtes Gen identifizieren, das für eine bestimmte Krankheit verantwortlich ist." Autogen ist besonders an den genetischen Ursachen für Diabetes und Fettleibigkeit interessiert. Beides kommt auf den Inseln häufig vor.

Anders als auf Island, das seine genetischen Ressourcen dem Unternehmen DeCODE für 12 Jahre exklusiv zur Verfügung gestellt hat und wo die Menschen, die ihre Daten nicht zur Verfügung stellen wollen, erst durch ein Opt-out-Modell ihre zunächst vorausgesetzte Zustimmung rückgängig machen können, sollen die Menschen in Tonga erst ihre explizite Zustimmung geben müssen, bevor ihre Daten gesammelt und Blutproben genommen werden. Wieviel Autogen an Tonga für die Lizenz bezahlt hat, ist unbekannt (in Island waren es 25 Millionen US-Dollar), in beiden Ländern ist es aber so, dass ein Teil der Gewinne aus möglicherweise aufgrund der Daten entwickelten Medikamenten auch dem Staat zukommt, der dann gewissermaßen die genetischen Ressourcen seiner Bürger verwaltet. Autogen steht offenbar in Verhandlungen mit weiteren Ländern, um ähnliche Lizenzabkommen zu treffen.

Gutnick versichert, dass Autogen die strengsten ethischen Maßstäbe bei der Sammlung und Auswertung der Daten anlegen und dafür sorgen wird, dass die Rechte der Bürger von Tonga geachtet werden. Die Gentechnik sieht er gar als göttlichen Auftrag gerechtfertigt: "Es gibt einen Satz in der Bibel, der lautet: Ich bin der Gott, der dich heilt. Wenn man also die Möglichkeit hat, zu Ärzten zu gehen, und wenn Ärzte und Wissenschaftler Möglichkeiten finden, den Menschen zu helfen und sie zu heilen, dann ist das sehr positiv."