Russische Medien über die Einseitigkeit der westlichen Medien

Bild: sputniknews.com

Die Kampagne russischer Medien für "alternative Sichtweisen" ist erwartungsgemäß ebenfalls einseitig

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Russische Staatsmedien, die man durchaus Mainstreammedien nennen kann, machen sich Sorgen um die westliche Medienlandschaft. Hier würden Mainstreammedien einseitig über Russland und den Ukrainekonflikt berichten, womit man durchaus eine Stimmung vor allem in Deutschland traf. So trat denn auch RT Deutsch explizit als "alternative Informationsquelle, abseits des Mainstreams", auf, um dem "einseitigen und oft interessengetriebenen Medien-Mainstream ein Gegenstandpunkt" zu setzen. Die Ukrainekrise habe gezeigt, "in welchem Ausmaß die etablierte deutschsprachige Medienlandschaft von einer einseitigen, oft sehr manipulativen und überaus simplizistischen Sicht der Dinge geprägt ist".

RT Deutsch präsentiert daher den "fehlenden Part", der angeblich "weggeschnitten" wird, und versteht sich als "Gegenöffentlichkeit" und will "Medienmanipulationen" aufzeigen. Allerdings nur auf der einen Seite, als staatlicher Sender ist er natürlich keine "alternative Informationsquelle", wenn es um russische Interessen geht.

Sputnik, wie der internationale Auftritt der Nachrichtenagentur Ria Novosti jetzt heißt, ließ beispielsweise Umfragen in westlichen Ländern durchführen, um zu sehen, ob die Menschen Mainstreammedien, welche auch immer damit gemeint sein mögen, vertrauen und ob sie sich alternative Medien wünschen. Ob sie russische Staatsmedien wie Russia Today als alternativ bezeichnen würden, wurde lieber nicht nachgefragt, sonst wäre womöglich auch Radio Liberty ein alternatives Medium - oder Al-Jazeera oder eben auch der Deutschlandfunk.

Sputnik jedenfalls beauftragte ICM Research mit einer Umfrage in Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien und den USA, ob sie daran interessiert seien, "einen Zugang auf eine alternative Sichtweise auf internationale Ereignisse zu haben, darunter zur Sicht russischer Medien". Befragt wurden jeweils 1000 Menschen, es seien Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts aus verschiedenen Regionen befragt wurden.

Schon die Auswahl der Länder lässt einen stutzen. Man hätte ja auch Polen, Finnen, Letten, Slowenen fragen können, Aufklärung über genau diese Auswahl gibt es nicht, zumal Griechenland nicht zu den tonangebenden EU-Ländern zählen kann. Einseitig wird es aber vor allem dadurch, dass die russische Seite "weggeschnitten" oder der "fehlende Part" ist, interessant wäre ja auch gewesen, ob die russischen Bürger offen für alternative Sichtweisen sind, die nicht von den staatlichen Medien kommen. 60 Prozent der Menschen in Europa und den USA seien "offen für alternative Perspektiven", inklusive russischen, so das Ergebnis, am stärksten die Griechen mit 81 Prozent.

Bei den Amerikanern, Briten und Deutschen sind es um die 55 Prozent, bei den Franzosen 49 Prozent. Keine Ahnung also, was die Menschen unter alternativ verstehen, wirklich unabhängige Medien, rechte oder linke Medien, Berichte von Einzelnen oder was auch immer. Man weiß auch nicht, ob den Menschen alternative Perspektiven fehlen oder ob sie gegenüber diesen nur offen sind.

Russia Today (RT) interpretiert das Ergebnis so, dass die Mehrheit der Amerikaner und Europäer internationale Nachrichten nicht nur von "Mainstreammedien" erhalten wollen, wobei unterstellt wird, dass russische Medien nicht Mainstream sind. Dass die Menschen auch russische Medien, möglicherweise auch regierungskritische, rezipieren wollen, ist allerdings nicht sonderlich ungewöhnlich, natürlich will man theoretisch eine möglichst breite Auswahl. Sputnik macht daraus, dass eine Mehrheit eine "Widerspiegelung eines multipolaren Weltbildes" haben wollen. Unterlegt wird dies mit Gesprächen mit Deutschen, die die Einseitigkeit bestätigen. Auch Telepolis wurde diesbezüglich angefragt.

Bereits im April hatte Sputnik eine andere Umfrage von ICM Research in Deutschland, Frankreich, Griechenland und Großbritannien durchführen lassen. Die Frage war: "Inwieweit vertrauen Sie den führenden Medien in Ihrem Land in Bezug auf eine unvoreingenommene und glaubwürdige Berichterstattung über die Ukraine-Krise?" 54 Prozent würden diesen nicht trauen, so das Ergebnis, bei den Griechen sind es 76 Prozent, bei den Deutschen 57 Prozent. Franzosen und Briten sind dagegen deutlich weniger auf die Lügenpresse eingeschworen.

Man wäre versucht, Sputnik und Co. zuzurufen, die durchaus auch berechtigte Kritik an der Einseitigkeit nicht ganz so einseitig und durchsichtig zu inszenieren. Man muss sich wundern, dass es bei Teilen der Bevölkerung zu funktionieren scheint, sich als Alternative darzustellen, während man nur das Gegenteil der Einseitigkeit bietet. Offenbar funktioniert die komplexitätsreduzierende Dichotomie, dass man entweder für oder gegen etwas ist. Auf dieser Ebene werden die Menschen polarisiert, eine differenzierte Berichterstattung ist eher mühsam, verwirrend und emotional kühl, was wohl immer weniger erwünscht ist.