Russischer Anti-Krisen-Plan soll Stabilität bringen

Mit Staatsgarantien für Unternehmen und Banken hofft der Kreml die Wirtschaftskrise abzumildern. Wegen der patriotischen Stimmung bekommt die Opposition zurzeit kein Bein auf den Boden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Foto: Russlands "Anti-Maidan" (Leute mit schwarz-orangenen Mützen) störten Navalni-Solidaritäts-Kundgebung http://mirror170.graniru.info/Politics/Russia/activism/m.236914.html

Die Russen wollten es nicht wahrhaben. Doch allmählich spüren sie, dass es mit der Krise ernst wird. Die Moskauer streichen Auslandsreisen. Restaurant-Besuche werden weniger. Und auch bei teurer Kleidung beginnt man, sich einzuschränken. Besonders den Geringverdienern macht die Inflation - offiziell elf Prozent, bei Grundnahrungsmitteln aber 20 Prozent und mehr - zu schaffen. Eine mehrjährige Krise mit Entlassungen und einem geringeren Lebensstandard sei unausweichlich, so die Meinung russischer Experten. Für dieses Jahr erwarten die Experten einen Rückgang des Wachstums um vier Prozent.

Ministerpräsident Dmitri Medwedew stellt den Anti-Krisen-Plan vor. Bild: http://government.ru

Die Russen sind allerdings sehr krisenerfahren. Deshalb gibt es keine Panik. Familien und Freunde helfen sich jetzt untereinander und im Sommer werden vor allem die Russen in der Provinz wieder im Datschen-Garten Gemüse und Obst anbauen. Die Regierung vermeidet das Wort "Krise". Sie legte dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, am Mittwoch einen "Plan zur nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und der sozialen Stabilität" vor, den der Kreml-Chef billigte.

Ministerpräsident Dmitri Medwedew erklärte gestern auf einer Regierungssitzung, vor der Regierung stehe "harte Arbeit". Als wesentliche Krisenfaktoren nannte Medwedew Strukturprobleme der Wirtschaft, nicht überwundene Folgen der Krise von 2008, den Zusammenbruch des Öl-Preises und "äußeren Druck". Dieser sei "Folge politischer Entscheidungen, die von unsere Seite getroffen wurden". Medwedew spielte dabei auf den Anschluss der Krim an. "Das war eine bewusste Wahl, eine Wahl auf Bitten der Menschen, welche unser Land um Hilfe gebeten haben." Gemeint ist das Referendum, indem sich die überwältigende Mehrheit der Bewohner der Krim für einen Anschluss an Russland aussprachen.

Die Situation ist nicht aussichtslos

Die russische Wirtschaft steht zurzeit gleich vor mehreren Problemen. Der Staatshaushalt ist noch nach einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel berechnet. Aber inzwischen ist der Ölpreis auf 45 Dollar gesunken. Die westlichen Sanktionen schneiden die russischen Unternehmen und Banken von westlichen Krediten ab. So muss Russland seine Dollarreserven - zurzeit noch 400 Milliarden Dollar - angreifen.

Der ehemalige Finanzminister Aleksej Kudrin erklärte, ein Anti-Krisen-Plan werde nur wirksam sein, wenn sich Russland mit dem Westen wieder verträgt. Die russischen Gegensanktionen - sie betreffen Nahrungsmittel aus westlichen Ländern - hält Kudrin für falsch. Ein "schwelender Konflikt" (gemeint ist die Ukraine-Krise) und die Sanktionen verminderten die Effektivität jeder Anti-Krisen-Maßnahme, so der ehemalige Finanzminister. Eine Zahlungsunfähigkeit Russlands sei jedoch ausgeschlossen, meint Kudrin. Der Ressourcen zu Rückzahlung der Kredite seien mehr als ausreichend.

Barack Obama ist bekanntlich anderer Meinung. Er hatte am Mittwoch behauptet, die russische Wirtschaft liege "in Trümmern". Doch es gibt tatsächlich auch positive Tendenzen:

  • Die russischen Staatsschulden liegen zurzeit bei nur 52 Milliarden Dollar, das heißt, fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts.
  • Die Auslandsschulden von staatlichen Institutionen, Banken und Unternehmen sind innerhalb des letzten Jahres von 728 Milliarden Dollar auf 599 Milliarden Dollar gesunken.

Ein 18-Milliarden-Euro-Anti-Krisen-Plan

Der von Putin gebilligte Anti-Krisen-Plan sieht Kredite und Finanzgarantien in Höhe von 1,4 Billionen Rubel (18 Mrd. Euro) vor. Bis Montag soll der Plan noch nachgebessert werden. Dann muss die Duma in Aktion treten und zahlreiche Gesetze ändern, damit die einzelnen Maßnahmen umgesetzt werden können. Die Hauptpunkte des Planes sind:

  • Maßnahmen zur Stützung systembildender Unternehmen und Banken durch Staatsgarantien und Kredite. Die wichtigsten Banken sollen mit umgerechnet 13 Milliarden Euro gestützt werden.
  • Unterstützung bekommen auch Unternehmen, die Importwaren ersetzen und einen hohe Fertigungstiefe haben.
  • Senkung der Steuern für Klein-Unternehmen
  • Umgerechnet 7,5 Milliarden Euro sind zur Unterstützung der Landwirtschaft vorgesehen.
  • Die Regionen sollen eigene Anti-Krisen-Pläne erstellen.
  • Abbau bürokratischer Hürden in der Wirtschaft
  • Nicht nachzuvollziehen ist, dass die Anti-Krisen-Maßnahmen im Sozialbereich von neun Milliarden Euro auf die Hälfte gekürzt wurden.

Um die Anti-Krisen-Maßnahmen zu finanzieren, soll der Staatshaushalt um zehn Prozent gekürzt werden. Die bestehenden Sozialleistungen seien von Kürzungen ausgenommen, erklärte Wladimir Putin.

Außerdem will die russische Regierung die führenden Rohstoff-Exporteure verpflichten, ihre Rohstoff-Erlöse in Dollar in Russland zu verkaufen. Dadurch kämen auf den russischen Finanzmarkt täglich eine Milliarde Dollar. Die staatliche Ölgesellschaft Rosneft hatte bereits Ende Dezember erklärt, dass sie zu einem Verkauf der Dollar-Erlöse bereit sei.

Mit dem Verkauf der Rohstoff-Erlöse soll der Rubel gestärkt, der Kapitalabfluss gebremst und verhindert werden, dass die Dollar-Erlöse in Offshore-Zonen angelegt werden. Der Kreml wirbt seit Monaten um die "Repatriierung" russischer Unternehmen und verspricht ihnen bei Rückkehr nach Russland Straffreiheit. 2014 erreichte der Kapitalabfluss mit 151 Milliarden Dollar ein Rekordergebnis. Experten erklären den hohen Kapitalabfluss vor allem mit den hohen Kredit-Rückzahlungen an ausländische Banken.