Russland: Angeblich mehrere Terroranschläge vereitelt

Die Regierung legitimiert den Kriegseinsatz in Syrien auch mit der islamistischen Terrorgefahr

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Russland angeblich erfolgreich den Islamischen Staat und andere islamistische Terrororganisationen in Syrien durch Luftangriffe in die Flucht schlägt, sollen nun bereits mehrere Terroranschläge verhindert worden sein, was von staatlichen Medien weit verbreitet wurde.

In letzter Zeit seien alle geplanten Anschläge verhindert worden, erklärte am Samstag der Sprecher des 2011 eingerichteten und dem Präsidenten unterstehenden Untersuchungskomitees, Vladimir Markin. In den letzten 10 Jahren seien 5.500 Terroristen zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, mehr als 2000 seien im Rahmen von Sondereinsätzen "eliminiert" worden. Kreml-Sprecher Dmitry Peskov versicherte letzte Woche, dass die Sicherheitsbehörden gewappnet seien, um Terroranschläge abzuwehren, und sie direkt dem Präsidenten berichten würden. Man erhält den Eindruck, dass die russische Regierung zweigleisig verfahren muss, wie man das auch im Westen kennt. Während einerseits die Gefahr terroristischer Anschläge beschworen werden muss, um den Kriegseinsatz in Syrien zu rechtfertigen, muss die Bevölkerung gleichzeitig beruhigt werden, um nicht den Schluss zu ziehen, dass der Kriegseinsatz die Gefahr vergrößert.

Flagge des russischen Geheimdienstes FSB, Nachfolger des KGB

Präsident Putin begründete die Entscheidung, russische Kampfflugzeuge zur Bekämpfung der syrischen Opposition gegen Machthaber Assad zu entsenden, damit, dass es im Grunde keine gemäßigten Oppositionellen mehr gibt, wie dies die USA behaupten und solche Gruppen unterstützen, sondern praktisch nur noch islamistische Terroristen. So argumentiert auch Assad seit langem. Zudem würden sich immer mehr Russen, vor allem Tschetschenen, den IS-Kämpfern anschließen, um dann womöglich den Kampf in Russland fortzuführen.

Die Russen waren allerdings nach Umfragen nicht sonderlich geneigt, geopolitische Machtspiele im Ausland zu inszenieren und Truppen zu entsenden, auch wenn die Vorstellung von Russland als Großmacht durchaus vorherrscht und mittlerweile wieder ein Viertel der Russen nach einer Umfrage glaubt, dass Russland die weltbeste Armee besitzt.

Putin will Russland in Syrien im Verbund mit der syrischen Regierung, dem Iran und Irak als unhintergehbaren Machtfaktor setzen, mit dem die USA und deren Alliierte sich verständigen müssen. Das ist Putin bislang zweifellos gelungen, die Frage aber ist, ob er den militärischen Einsatz in Syrien dem Volk gut verkaufen kann, das im Ukraine-Konflikt, wo nationalistische Gefühle gegen Kiew und den Westen angesprochen werden konnten, trotz der Folgen der Sanktionen noch mitgespielt hat.

Man wird sich erinnern, dass Putin zum großen Mann im Tschetschenienkrieg wurde, als nach Bombenanschlägen auf Wohnhäuser in Moskau und einem Autobombenanschlag auf ein Wohnhaus in Wolgodonsk Anfang September 1999 der zweite Tschetschenienkrieg mit aller Härte begonnen wurde. Verdächtigungen wurden laut, dass die Anschläge vom Geheimdienst FSB inszeniert worden sein könnten, als Ende September FSB-Agenten in Rjasan entdeckten wurden, wie sie in einem Keller eine Bombe platzieren wollten. Nach dem Geheimdienst sei es nur eine Übung und der Sprengstoff nur Zucker gewesen, nach der Untersuchung eines Sprengmeisters handelte es sich aber um Hexogen, also um eine wirkliche Bombe. Die Untersuchung über den Vorfall wurde eingestellt.

Schon am 11. Oktober wurde angeblich von der Polizei in Moskau ein Terroranschlag verhindert. Es seien 12 russische Bürger festgenommen worden, die verdächtigt werden, einen Bombenanschlag geplant zu haben. Zwei hätten ihre Schuld bereits eingestanden. In der Wohnung eines Verdächtigen sei eine 5-kg-Bombe entschärft worden. Nach dem russischen Geheimdienst, seien die Verdächtigen beauftragt worden, einen Bombenanschlag in Moskau auf das öffentliche Verkehrssystem auszuführen. 2010 waren mutmaßlich von tschetschenischen "Schwarzen Witwen" zwei Bombenanschläge auf die U-Bahn in Moskau ausgeführt worden. Einige wären in Camps des Islamischen Staats in Syrien ausgebildet worden. Sie seien aber vor Beginn der russischen Luftangriffe in Syrien nach Russland gekommen. Zweck des geplanten Anschlags sei die Destabilisierung der russischen Regierung und die Beendigung des russischen Luftkriegs in Syrien gewesen.

Gestern berichtete Interfax, dass am 16. Oktober erneut ein Terroranschlag auf einen Zug in Krasnodar verhindert worden sei. Ein Ingenieur sei verhaftet worden, der eine selbstgebastelte Bombe in einen Zug legen wollte, während er im Depot stand. Angeblich stehe er in Kontakt mit IS-Kämpfern, die ihn beauftragt hätten. Nach dem Anschlag, so der Geheimdienst FSP, habe er in das vom Islamischen Staat kontrollierte Gebiet flüchten wollen. Auf Vkontakte habe er die Taten internationaler Terroristen gerechtfertigt. Die Ermittler seien hierüber auf ihn aufmerksam geworden.

Heute wurden in Moskau "mehr als ein Dutzend" Menschen aus Zentralasien laut Interfax festgenommen, die verdächtigt werden, für den Islamischen Staat oder andere Terrororganisationen tätig zu sein und Rekruten zu werben. Die Festnahmen seien im Zuge präventiver Maßnahmen und aufgrund von Geheimdienstinformationen erfolgt.