Russland: Feindbild, Trugbild, Abbild?

Seite 5: Russische Unterstützung rechter Parteien? Nur ein Abbild des Westens

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Zu Binners Vorwurf, die russische Präsidialadministration unterdrücke ausländische NGOs, sagte Hofbauer, viele dieser Gruppierungen seien in Wirklichkeit GOs, weil sie von westlichen Regierungen finanziert würden und eben nicht alle harmlose zivilgesellschaftliche Arbeit machten. Wenn Russland sich gleichzeitig rechten Parteien in EU-Ländern annähere, sei dies letztlich auch nur ein Spiegelbild des Westens. "In der Ukraine und Russland unterstützen 'wir' doch auch Rassisten und Nationalisten, weil sie gegen Putin sind und 'wir' bejubeln Chodorkowskij - ein Mann, der über Leichen ging."

Auch später erinnerte Hofbauer mit einem Beispiel nochmal an westliche Instrumentalisierung: Der Boykott Obamas, Merkels und Gaucks der Olympischen Winterspiele im Februar 2014 in Sotschi wurde mit schwulenfeindlicher Gesetzgebung in Russland begründet. Vor Minderjährigen dürfe dort nicht positiv über Homosexualität gesprochen werden. "Ein schlimmes Gesetz", sagte Hofbauer. Zwölf Jahre zuvor jedoch bei den Olympischen Winterspielen im US-Mormonenstaat Utah sei niemand aus dem Westen weggeblieben, obwohl dort damals gleichgeschlechtlicher Sex sogar gesetzlich verboten war.

Extreme Russenfeindlichkeit in Polen

Der polnische Historiker Dariusz Adamczyk sprach anschließend über die Perspektive Polens als größtem Land zwischen Deutschland und Russland. Was die deutsch-polnische Interessenlage angehe, gebe es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten, so der Wissenschaftler. Lediglich bei der Sanktionspolitik gegen Russland gebe es noch Übereinstimmung zwischen Berlin und Warschau.

Adamczyk sprach die extreme Russlandfeindlichkeit im heutigen Polen an. Bei einer Umfrage antworteten kürzlich 80 Prozent auf die Frage "Magst Du Russen?" mit "nein". Laut dem konservativen Politiker Jarosław Kaczyński sei Russland eine massive Gefahr für Mitteleuropa. "Das ist eine paranoide Vorstellung", kritisierte Adamczyk. "Die Leute schalten beim Thema Russland ihr Gehirn ab." Selbst seröse polnische Journalisten dächten darüber nach, wie es sein werde, wenn Russland Atombomben auf Warschau abwerfe. "Das ist albern." Wenn ein baltischer Staat mit großer russischer Minderheit Angst vor Russland hat, könne Adamczyk dies weitaus eher verstehen.

Auch das polnische Verhältnis zur Ukraine war Thema: Die derzeitige national-konservative Regierung Polens sei sich in diesem Verhältnis selbst unsicher, sagte Adamczyk. Zwar sei sie grundsätzlich auf der Seite jedes Russlandgegners - deswegen stehe sie zur derzeitigen ukrainischen Staatsführung. Andererseits säßen in Kiew auch einige Faschisten im Parlament. Ukrainische Straßen werden heute nach Nationalisten benannt, die während des Zweiten Weltkriegs zehntausende Polen in der heutigen Westukraine umbrachten und hunderttausende vertrieben. Beteiligte UPA-Partisanen wurden pauschal zu Helden der Ukraine erklärt. Mit diesen nationalistischen Haltungen in der Ukraine hätten die polnischen Nationalisten natürlich Probleme.

Der polnische Wissenschaftler kritisierte zudem die Behauptung der Regierung in Warschau, mit rund einer Million Ukrainern bereits ein riesiges Flüchtlingskontingent aufgenommen zu haben. Deshalb dürfe Polen nicht auch noch Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufnehmen, so die Logik. "Die Ukrainer in Polen sind aber gar keine Flüchtlinge mit Asylstatus", kritisierte Adamczyk. "Das sind billige Arbeitskräfte die meistens sogar noch schwarzarbeiten."