Sachbücher des Monats: Juni 2014

Die Top Ten unter den Sachbüchern nebst einer persönlichen Empfehlung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jeden Monat neu präsentiert von der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, Buchjournal, Börsenblatt und Telepolis. (Die Jury )

Edward Snowden und der Weg in die totale Überwachung

Edward Snowden hat enthüllt, wie weitgehend die Geheimdienste unser Leben überwachen. Nahezu täglich kommen neue Details der allumfassenden Spionage ans Licht. Die Spiegel-Autoren Marcel Rosenbach und Holger Stark konnten große Teile der von Edward Snowden bereitgestellten und "streng geheim" eingestuften Dokumente aus den Datenbanken der NSA und des britischen GCHQ auswerten. In ihrem Buch zeigen sie die gesamte Dimension eines Überwachungsapparates auf, der nicht nur die Privatsphäre bedroht, sondern die Grundlagen demokratischer Gesellschaften - und damit selbst diejenigen, die bislang glaubten, sie hätten nichts zu verbergen.

Deutsche Verlags-Anstalt, 384 Seiten, € 19,99

Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen

lm Juni 2013 veröffentlichte Glenn Greenwald die ersten NSA-Dokumente aus dem Archiv des Whistleblowers Edward Snowden. Seitdem werden immer bedrohlichere Details des globalen Spionagesystems der amerikanischen Geheimdienste aufgedeckt. Nun bringt Greenwald anhand einer Fülle von exklusiven, nie zuvor publizierten Geheimdokumenten das ganze Ausmaß der Massenüberwachung ans Licht. Alles und jeder wird ausgespäht, die Bevölkerung steht unter Kollektivverdacht. Meinungsfreiheit wird im Namen der Sicherheit unterdrückt, und es gibt keine Privatsphäre mehr - nirgends. Aus dem Englischen von Gabriele Gockel, Robert Weiß, Thomas Wollermann und Maria Zybak

Droemer Knaur Verlag, 368 Seiten, € 19,99

Vorlesungen am Collège de France 1989 - 1992

Kaum ein Wissenschaftler war politisch so engagiert wie der große französische Soziologe Pierre Bourdieu. Umso mehr überrascht es, dass er dem Staat, dieser bis heute zentralen politischen Institution, dieser großen "kollektiven Fiktion", keine eigene Monographie gewidmet hat. Dass er sich intensiv mit dem Thema beschäftigte, belegen seine Vorlesungen am Collège de France. Bourdieu widmet sich darin auf einer ganz konkreten Ebene sowohl Fragen zur Methodologie und Theorie bei der Untersuchung des Staates als Forschungsobjekt als auch solchen zur historischen Genese dieser Institution etwa in Frankreich, England, China oder Japan. Er analysiert zentrale Unterscheidungen des "Denkens des Staates" wie die zwischen öffentlich und privat und diskutiert Phänomene wie Korruption und den Einfluss der Massenmedien. Herausgegeben von Patrick Champagne, Remi Lenoir, Franck Pouperau und Marie-Christine Rivière Aus dem Französischen von Horst Brühmann und Petra Willim

Suhrkamp Verlag, 723 Seiten, € 49,95

Was sind unsere Werte noch wert?

Eine politische Linke gibt es nicht mehr. Als historisch eigenständige Kraft ist sie längst verschwunden. Unsere wohlklingenden Forderungen wie "Selbstverwirklichung", "Authentizität", "Emanzipation", "Gleichberechtigung" und "Vielfalt" sind alles andere als links. Sie verhindern eben das, was sie versprechen: Begegnung, Entschiedenheit, Verwirklichung, Individualität, Welthaltigkeit, Anwesenheit, Gemeinsamkeit. Sie leiten uns in ein Dasein ohne Herkunft, Heimat, Nachkommenschaft und Transzendenz. Dieser "Jargon der Weltoffenheit" hält uns in der Vorläufigkeit gefangen: Alles erscheint greifbar, nichts ist erreichbar. Die westlichen Wertideen wie "Entgrenzung", "Chancengleichheit" oder "Toleranz" rauben uns Frank Böckelmann zufolge die soziale Dimension des Lebens. Am Ende soll das marktkonforme Individuum sich selbst verwerten und nur noch messbare Leistungen austauschen. Diese Ökonomisierung des Lebens erweist sich seiner Ansicht nach als ein Fortschritt ins Leere.

Edition Sonderwege/Manuscriptum, 131 Seiten, € 9,80

War der überlebensgroße Gandhi wirklich der gewaltlose Guru, dem die Inder als dem Ahnherrn der Unabhängigkeit huldigen? War sein Schüler und Nachfolger Nehru tatsächlich jener klug zwischen politischen Blöcken hindurchsteuernde Erbauer des modernen indischen Staats, der sich erfolgreich um das soziale Gleichgewicht wie um den Weltgeltungsanspruch seines Landes kümmerte? Darf Indien sich als "größte Demokratie der Welt" bezeichnen? Perry Anderson analysiert, auf welchen Säulen das indische Selbstverständnis beruht. Aus dem Englischen von Joachim Kalka

Berenberg Verlag, 208 Seiten, € 22,00

Die Geschichte des Copyrights im Medienwandel

Monika Dommann zeigt in ihrer Studie, dass es schon immer einen Konflikt zwischen Autoren und Apparaten gab. Sie schildert die Entwicklung in den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien und arbeitet an zwei exemplarischen Fällen, Fotokopie und Musikaufnahme, die komplexe Gemengelage der Rechte und Interessen aller Beteiligten von 1850 bis heute heraus.

S. Fischer Verlag, 432 Seiten, € 24,99

Dieses Buch ist ein Manifest, das sich gegen zwei Bewegungen wendet: gegen das postmoderne Denken und seinen Kult der Ironisierung, der das Denken insgesamt unter den Universalverdacht der Fälschung setzt und den Wert der Wirklichkeit bzw. eines Wissens von Wirklichkeit diskreditiert - und gegen einen Konstruktivismus, der die Welt in der Begriffsarbeit seiner Beobachter hervorbringt. Dem postmodernen Angriff auf die Wirklichkeit im Medium der Entdifferenzierung von Sein und Wissen, Feststellen und Akzeptieren, Wissen und Macht wird eine Wiederbelebung der Philosophie als Brücke zwischen den moralischen Wertungen und Meinungen und der Welt des Wissens entgegengestellt. Ferraris’ Thesen leisten "Aufklärung" - auch darüber, dass sich die letzte Frage der "Gerechtigkeit" nicht dekonstruieren lässt.

Verlag Vittorio Klostermann, 90 Seiten, € 15,80

Der erste römische Kaiser und seine Welt

"Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun, so klatscht Beifall!" Mit diesen Worten hat sich vor 2000 Jahren Augustus, der erste römische Kaiser, angeblich von der Welt verabschiedet. Es war eine Welt, die er ebenso gewaltig wie gewalttätig umgestaltet hatte. Die Autoren verfolgen die Spuren, mit denen sich Augustus in der Welt verewigt hat - in Geschichte, Kunst und Literatur. So lässt sich der Band als Beschreibung von Leben und Zeit eines römischen Aristokraten lesen, der sich in blutigen Bürgerkriegen an die Spitze des Staates kämpfte, der Republik den Todesstoß versetzte und eine Verfassung schuf, die ganz auf ihn ausgerichtet war. Zugleich aber wird deutlich, wie der neue Herrscher planvoll Zeichen setzte - sei es in seinen Herrschaftsformen, seiner Bildpropaganda oder der Literatur seiner Epoche.

C.H.Beck Verlag, 341 Seiten, € 26,95

Emma, Anna, Effi und ihre Männer

Liebe und Betrug sind die ewigen Themen der Literatur, von Tristan und Isolde bis Don Giovanni - mitten im 19. Jahrhundert taucht aber plötzlich im Gesellschaftsroman eine neue Variante der alten Geschichte auf: der Ehebruch in der bürgerlichen Familie. Emma Bovary, Anna Karenina und Effi Briest - das sind die drei berühmten Frauen, die das Verbotene tun und um eines anderen Mannes willen ihre ganze Existenz riskieren: Emma, die radikale Spielerin, Anna, die leidenschaftlich Liebende, und die viel zu junge, naive Effi, die der flüchtigen Gelegenheit nicht widersteht. Wolfgang Matz folgt in seinem Buch den Geschichten dieser ganz verschiedenen Frauen, ihrer Ehemänner und ihrer Liebhaber und erkundet, warum ihr privates Scheitern zwischen persönlichem Freiheitsdrang und gesellschaftlicher Ordnung ihre Schöpfer Gustave Flaubert, Leo Tolstoi und Theodor Fontane so fasziniert hat und wie dieses wiederum deren Schreiben bestimmt. Mit den Regeländerungen des 20. Jahrhunderts verschwindet die Gattung des Ehebruchromans zwar, aber all die katastrophal scheiternden Liebesgeschichten stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Literatur - und deshalb nimmt Wolfgang Matz auch die heutigen Ausweitungen der Kampfzone in den Blick.

Wallstein Verlag, 304 Seiten, € 24,90

Die Monotheismus-Debatte zwischen Jan Assmann, Micha Brumlik, Rolf Schieder, Peter Sloterdijk und anderen

Die Fronten zwischen Befürwortern der These, dass monotheistische Religionen notwendig gewaltbereit seien, und deren Gegnern schienen bis vor kurzem so verhärtet zu sein, dass mit Neuigkeiten aus dieser religionstheoretischen Kampfzone nicht gerechnet werden konnte. Doch nun gibt es Neuigkeiten zu vermelden. Es ist Bewegung in die Debattenlage gekommen. So erscheint es dem Monotheismuskritiker Peter Sloterdijk nicht mehr sinnvoll, das Gewaltproblem weiterhin vorrangig an einem religionstheoretischen Konstrukt namens Monotheismus festzumachen . Jan Assmann weist seinerseits nachdrücklich darauf hin, dass ein eindimensionaler, monistischer Kosmotheismus ebenso problematisch sei wie ein eindimensionaler Monotheismus. Kritiker der Monotheismuskritiker konzedieren, dass das Sinai-Narrativ nicht nur für das Judentum, sondern auch für die religiöse und die politische Kultur der westlichen Welt prägend geblieben ist.

Berlin University Press, 360 Seiten, € 29,90

Besondere Empfehlung des Monats Juni von Daniel Haufler:

Aufgewachsen in der Bronx, Puertoricanerin, der Vater Alkoholiker, die Mutter überfordert - Sonia Sotomayor war es nicht gerade in die Wiege gelegt, eines Tages Richterin am höchsten Gericht der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Als Sonia Sotomayor hört, wie die Eltern darüber streiten, wer ihr die Spritze gegen Diabetes setzen soll - der tremorgeplagte Vater oder die gestresste Mutter - beschließt sie, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Da ist sie acht Jahre alt und lebt in einem Sozialbau in der Bronx. Ein langer Weg ist es von dort auf die Bänke des Supreme Court, wohin sie von Präsident Obama berufen wurde. Auf diesem Weg lernt Sonia Sotomayor viel über die Unterschiede zwischen oben und unten, arm und reich, über Chancen und über Gerechtigkeit, über ihr Land und über die Kunst, Karriere zu machen. Aus dem Englischen von Sabine Roth und Rudolf Hermstein

C. H. Beck Verlag, 349 Seiten, € 19,95

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