Salafisten-Prediger in Österreich zu 20 Jahren Haft verurteilt

Das Gericht hatte zu klären, wann Predigten zum Straftatbestand werden. Dem Prediger wird vorgeworfen, dass er junge Menschen zum Dschihad animiert hat - mit Todesfolge

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Der Geschworenen-Prozess gegen einen Salafistenprediger in Österreich, der gestern in Granz unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen zu Ende ging, hat einiges Bemerkenswertes. Das Grazer Straflandesgericht sprach eine hohe Haftstrafe - 20 Jahre Freiheitsentzug - gegen Mirsad O. alias Ebu Tejma aus. Dieser berief sich "wortgewandt und betont höflich" wiederholt darauf, nur so gepredigt zu haben, wie er es in Saudi-Arabien gelernt hatte.

Die Anklage, die Geschworenen und das Gericht sahen dies anders. Dem Salafistenprediger wird vorgeworfen, dass er zum Dschihad aufgerufen habe und dadurch für den Islamischen Staat rekrutiert habe. Dies wurde in strafrechtlichen Zusammenhang mit Anstiftung zum Mord und zur Nötigung gebracht. So kam es, dass "erstmals", mehrfacher Mord, als terroristische Straftat, an syrischen Zivilisten zur Anklage vor einem österreichischen Gericht gebracht wurde.

Die Opferzahl kann der Staatsanwalt nicht nennen

Wie viele Personen über die Ansprachen des Mannes tatsächlich zu Tode gekommen sind, ließ sich nicht ermitteln. "Die Opferzahl konnte der Staatsanwalt jedoch nicht nennen", berichtet die Presse.

Grundlage für die Anklage waren zum einen Zeugen-Aussagen von Verwandten oder Freunden junger Männer, die als Kämpfer in Syrien getötet wurden oder vermisst sind. Zum anderen - auch das ist bemerkenswert - sollte der bekannte deutsche Islamwissenschaftler Guido Steinberg mit seiner Expertise zum Islamverständnis des Angeklagten die Vorwürfe gegen den Prediger bestätigen.

Zuletzt war es ein weiterer Angeklagter, Mucharbek T., ein gebürtiger Tschetschene, der sich Kampftruppen in Syrien angeschlossen haben soll, der den Zusammenhang, der vor Gericht verhandelt wurde, gewissermaßen mit seiner Person verbürgen sollte. Den Zusammenhang fasst der Standard so zusammen:

Es geht um diese eine ganz spezielle Auslegung, um diese rigide Interpretation des Islam, die dem Jihad huldigt und die der des Terrorismus angeklagte Mirsad O. jahrelang in österreichischen und auch deutschen Moscheen - unter seinem Pseudonym Ebu Tejma - gepredigt und damit womöglich(!) junge Muslime dazu animiert hat, nach Syrien in den Jihad zu ziehen.

"Womöglich"

Der heikle Punkt sitzt im "womöglich": im Nachweis, dass die Aussagen des Predigers, der auch ausgiebig YouTube für seine Botschaften nutzte, zu Kampfeinsätzen führen. Als Anschauungsbeispiel für die Wirkmächtigkeit der Predigen bzw. Indoktrination diente, wie bereits erwähnt, der Mitangeklagte. Der leugnete die ihm vorgeworfenen Taten ab, was seinerseits die Beweisführung erschwerte.

So waren es wohl vor allem die Aussagen eines Zeugen, einem ehemaligen Kämpfers der FSA, die den Mitangeklagten schwer belasteten. Dessen Verteidiger befand den Zeugen "völlig unglaubwürdig". Das zeigt die Schwierigkeiten an, mit denen das Gericht konfrontiert war. Gerichte, die mit solchen Fällen betraut sind, betreten Neuland, schwieriges Gelände; verlässliche Informationen aus der Kampfzone Syrien sind schwer zu bekommen.

Der Prozess war von hoher Nervosität gekennzeichnet, schreiben österreichische Medien. Als gesellschaftlich hoch brisant, stuft ihn der der Standard ein. Es soll zu Schreiduellen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gekommen sein. Der Streit darüber, ob die Fahne, die zum Beispiel in diesem Video von Ebu Tejma (aka Mirsad O) auftaucht, eine Flagge des IS ist oder einer anderen islamistische Gruppe zugerechnet werden muss, ist Teil einer weiter gesteckten Frage.

Die Expertise

Das Gericht hatte zu klären, ab welchem Punkt eine islamische Predigt zum Straftatbestand wird. Hier kam dem deutschen Islamwissenschaftler eine entscheidende Rolle zu. Der als Sachverständiger geladene Guido Steinberg, der der Forschungsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik angehört sollte nach Aufforderung der Verteidigung das gesamte Predigtenmaterial übersetzen lassen und sichten.

Sein Ergebnis: Der Angeklagte vertritt eine sehr radikale Form des Islam "mit Glaubenssätzen wie der Pflicht zum Dschihad gegen Ungläubige". Zum Schlüsselsatz des Islamverständnisses des Angeklagten gehöre: "Der Islam ist nicht Frieden, der Angriff ist verpflichtend."

Screenshot eines Prediger-Videos auf You-Tube

Steinberg zitierte eindeutige Stellen aus den Predigen, "wo von Schlachtungen als ‚schönster Art zu töten‘ die Rede ist - nicht nur bei Schafen". Es zeige sich auch, dass Mirsad O. große Sympathien für al-Qaida im Irak, so Steinberg. Mirsad O. befürworte "IS-Aktivitäten, die al-Nusra-Front in Syrien und die al-Qaida", soll der Experte den Geschworenen erklärt haben.

Steinberg zählt auf, was gängig als Kennzeichen des Salafismus verstanden wird: Mirsad O. der sich als Teil einer kleinen Minderheit begreife, die "den wahren Islam", jenen "aus dem siebten Jahrhundert, zur Zeit des Propheten", vertrete. Die "sehr radikale Form des Monotheismus", die "nur eine kleine Gruppe als Muslime akzeptiert" hat fließende Übergänge zur saudi-arabischen Staatsreligion, dem Wahhabismus, der öfter mit Streitigkeiten über den wahren Monotheismus auffällt.

Der Angeklagte habe immer wieder beteuert, seine Ausführungen seien theoretisch, "Lesungen des Korans, wie er sie bei den Studien in Medina gelernt habe".

Die Geschworenen befanden, dass O. schuldig ist der Verbrechen der terroristischen Organisation und der kriminellen Vereinigung, außerdem Bestimmungstäter für die terroristischen Straftaten Mord und schwere Nötigung. T. wurde ebenfalls in den Punkten terroristische Organisation und kriminelle Vereinigung sowie schwere Nötigung für schuldig befunden.

Standard

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Es kann Einspruch eingelegt werden.

Es heißt, dass Mirsad O. alias Ebu Tejma nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland einige Anhänger gewonnen habe. Wien habe in der Salafisten- und Jihadistenszene durchaus "eine ideologische Strahlkraft", so Steinberg.