Saturn – Porträt eines Adonis

Saturn, der zweitgrößte und optisch schönste Planet des Sonnensystems, ist anders als die anderen

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Mit nennenswerten Superlativen kann der Gasriese Saturn nicht aufwarten. Er ist weder der größte oder kleinste und mit einer mittleren Distanz von 1.426.725,400 Kilometern auch nicht der erdnächste oder erdfernste Planet im Sonnensystem. Andererseits ist er aber auch weder der sonnennächste sowie sonnenfernste, ja noch nicht einmal der einzige Ringplanet des Solarsystems. Dennoch kann der ferne Himmelskörper einen einsamen Rekord für sich verbuchen, stellt er doch unter den Sterntrabanten im Sonnensystem fraglos den schönsten und ästhetischsten Körper seiner Art. Kein Wunder, dass er der mit am häufigsten anvisierte Himmelskörper in der Astronomie ist. Dank des NASA-Orbiters Cassini zählt er sogar zu jenen Planeten, über den Planetenforscher derzeit am meisten zu berichten wissen.

Starke Radioaktivität und Röntgenstrahlung durchdringt und durchstrahlt den Planeten unaufhörlich. Enorme Gravitationskräfte ziehen und reißen an jeglicher Form von Materie. Meteore, Kometen und andere astrale Vagabunden erliegen der Gravitationskraft und schlagen unablässig auf einem plasma-artigen Untergrund auf, ohne dabei Krater zu formen. Wirbelstürme von ungeheurer Geschwindigkeit in der Größe des australischen Kontinents peitschen vereinzelt durch die Atmosphäre. Heftige Blitze entladen sich in regelmäßiger Unregelmäßigkeit. Lebensfeindliche Ammoniakgase und -wolken dampfen beharrlich über eine flüssig-gasförmige „Oberfläche“, die diesen Namen nicht verdient. Denn eine klare Grenze zwischen Atmosphäre und Oberfläche gibt es auf dieser gesteinslosen Welt nicht.

Leben auf Saturn?

Dass Saturn, der sechste und zugleich zweitgrößte Planet des Sonnensystems, fürwahr kein Ort ist, auf dem es sich leben lässt, muss nach Ansicht des 1996 verstorbenen US-Astrophysikers und populären Buchautoren Carl Sagan aber nicht unbedingt bedeuten, dass der Gasplanet völlig lebensfeindlich ist. Obwohl auf seiner 1400 Grad Celsius heißen Oberfläche selbst die resistentesten irdischen Mikroben nicht den Hauch einer Überlebenschance hätten, könnten in höheren Regionen des Ringplaneten jedoch höchst bizarre Lebewesen eine exo-ökologische Nische gefunden haben. „Eine Möglichkeit, unter den beschriebenen Bedingungen zu leben, bestünde darin, sich fortzupflanzen, ehe man gegrillt wird, und zu hoffen, dass einige Nachkommen durch Konvektion in höhere und kühlere Schichten der Atmosphäre hinaufgetragen werden“, vermutete Sagan schon vor 30 Jahren.

Die Forschungssonde Cassini ist der erste künstliche Trabant, der Saturn umkreist. (Bild: NASA)

Heute, 30 Jahre später, da kein Astronom ernsthaft an potentielle Lebensformen auf Saturn glaubt, fokussiert sich deren Interesse vielmehr auf die messbaren Charakteristika dieser fernen Welt - und die wahre Natur des faszinierenden Ringsystems. Schließlich strahlt Saturn immer noch so edel und anmutig wie vor knapp 350 Jahren, als der holländische Astronom Christiaan Huygens (1629-1695) die ästhetische Schönheit der saturnschen Ringe erstmals durch das Okular seines Teleskops genau auflöste und bewundern konnte.

Saturns erster künstlicher Satellit

Seither ist der planetare Adonis der mit am häufigsten anvisierte Himmelskörper in der Astronomie. „Die Saturnringe sind ein Symbol für all die exotischen und erstaunlichen Objekte im Kosmos. Je genauer die Beobachtungen wurden, desto mehr ist deren Zauber noch gestiegen“, betont US-Astronom Joseph A. Burns von der Cornell-Universität in Ithaca (New York). Das Interesse an Saturn und seinen Trabanten ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. Dies aus gutem Grund. Dass bis vor kurzem eine ganze Armada erdgebundener Sternwarten und Weltraumobservatorien den Ringplaneten mitsamt „Umgebung“ genauestens ins Visier nahm, geschah zur Vorbereitung des bislang teuersten und aufwendigsten Unternehmens in der Geschichte der unbemannten Raumfahrt: der NASA-ESA-Mission „Cassini-Huygens“.

Inspiriert von den großen Erfolgen der Vorgänger-Sonden Pioneer 11, Voyager 1 und Voyager 2, die bereits vor 25 Jahren den Saturn und einige seiner Monde aus größerer Entfernung passierten und dabei faszinierendes Datenmaterial zur Erde funkten, gewann „Cassini-Huygens“ im Jahr 1982 auf dem Reißbrett erste Konturen. Inzwischen hat die Doppelsonde, die seit Mitte letzten Jahres als erster künstlicher Satellit in der Umlaufbahn des Gasriesen Position bezogen hat, das Wissen über denselbigen dramatisch gemehrt und uns Farbaufnahmen von höchster Qualität beschert.

Dynamisches Miniatur-Planetensystem

„Die Bilder sind so wunderschön – es ist fast erschreckend. Ich bin noch immer nicht überzeugt, dass diese Bilder echt sind – sie sind so unglaublich scharf“, schwärmte die NASA-Forscherin Carolyn C. Porco vom Space Science Institute (SSI) im US-Bundesstaat Colorado/Boulder (USA) bereits im Juli 2004 kurz nach der Veröffentlichung der ersten Saturn-Aufnahmen. In der Tat sind die Bilder mit einer Auflösung von bis zu 150 Metern pro Bildpunkt in puncto Schärfe konkurrenzfrei.

Cassini-Falschfarbenaufnahme des Saturnmondes Hyperion (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Kein anderes Teleskop, keine andere Raumsonde lieferte bis dato präziseres Datenmaterial und revolutionierte zugleich das gängige Bild über den Ringplaneten und seine Monde derart radikal. Schließlich präsentiert Saturn sich auf dem Steckbrief, den die Astro-Detektive mit ihren High-Tech-Lupen und Raumspähern vor Ort erstellten, als noch dynamischer als bislang angenommen. Umgeben von sage und schreibe 46 (bislang entdeckten) Monden, ist der vornehmlich aus Wasserstoff und Helium bestehende Gasriese selbst in einem sehr aktiv-dynamischen Miniatur-Planetensystem gefangen. Entlang seines fein strukturierten Ringsystems ziehen die Monde des Saturns ihre Bahnen und halten sich und die unzähligen Ringteilchen – einem komplizierten gravitativen Wechselspiel folgend – dabei gegenseitig in Schach. Es sind vor allem die Hirtenmonde bzw. Schäfermonde wie Atlas, Prometheus oder Pandora, welche die Ringe des Saturns stabilisieren. Derzeit unterscheiden die Forscher sechs große Hauptringe, die in der Reihenfolge ihrer Entdeckung mit den Buchstaben A bis F bezeichnet sind. Sie sind unterschiedlich breit und dick und setzen sich selbst wiederum aus Hunderten kleiner, konzentrischer Ringe zusammen. In, um und neben diesen treiben Saturns Monde.

Ästhetisches Natur-Kunstwerk

So kompakt und stabil dieser planetenumspannende Reifen auch anmutet – in Wahrheit besteht das in der Saturn-Äquatorebene eingebettete ästhetische Natur-Kunstwerk aus Myriaden von schmutzigen Staub- und Eisteilchen. Sie sind im Durchmesser millimeter- bis einige Meter groß, vereinzelt sogar hausgroß. Überwiegend setzen sich die Hauptringe aus Wassereis zusammen, wobei in ihnen auch molekulare Sauerstoffionen nachgewiesen wurden: Wasserstoff- und Sauerstoffatome sind in dem Planetensystem, das sich Millionen von Kilometern über Saturn hinaus ausdehnt, in unterschiedlicher Intensität verbreitet. "Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass kleine, bislang nicht bemerkte Eismonde mit Saturns E-Ring kollidierten", sagt Professor Larry Esposito von der Universität von Colorado/Boulder (USA). "Die Kollisionen haben eventuell kleine Eiskörnchen produziert, die Sauerstoffatome hervorgebracht haben“.

Saturn – Nicht „Herr“, sondern „Konservator“ der Ringe (Bild: NASA)

Saturns Ringteilchen wurden eventuell aus reinem Eis gebildet, so Esposito. Aber sie waren seitdem einem ständigen Bombardement von Meteoriten ausgesetzt, die das Eis kontaminierten und die Ringe dadurch verdunkelten. "Die Beweise deuten darauf hin, dass in den letzten zehn bis 100 Millionen Jahren wahrscheinlich neues Material zum Ringsystem hinzugefügt wurde". Bemerkenswerterweise ist das saturnsche Ringsystem im Schnitt nur einige hundert Meter dick, an den dünnsten Stellen sogar weniger als 100 Meter, wo hingegen der Durchmesser des Ringsystems immerhin um die 350.000 Kilometer beträgt.

In ihm hätten 764 Erdkugeln Platz

„Wie alt genau die Ringe sind, wissen wir nicht. Aber die meisten Experten schätzen, dass die Ringe höchstens einige hundert Millionen Jahre alt sind“, erläutert Carolyn Porco. Fakt ist: Saturns Staubbänder verlieren immerfort Material, wobei noch nicht abzusehen ist, ob sie sich eines Tages ganz auflösen oder genauso schwach schimmern wie die kleinen, dünnen, zarten Ringe, welche die anderen Gasplaneten Jupiter, Uranus und Neptun umgeben.

Auch wenn alle vier Gasplaneten (Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun) unseres Sonnensystems mit jeweils einem Ringsystem aufwarten können, bleibt die saturnsche Ringstruktur in punkto Größe und Ästhetik unvergleichlich. (Bild: NASA)

Während manche Saturn-Monde den Gasriesen in nur wenigen Tagen einmal umrunden, umkreist Saturn seinen Heimatstern, die Sonne, dagegen in einer mittleren Entfernung von 1,43 Milliarden Kilometern nur einmal in knapp 29,5 Jahren. Obwohl der Ringplanet mit einem Durchmesser von 120.536 Kilometern am Äquator und 108.728 Kilometern an den Polen als Folge seiner ungewöhnlichen Rotation der am stärksten abgeplattete Planet ist und in seinem Innern 764 Erdkugeln locker Platz hätten, ist er der Sterntrabant mit der geringsten Dichte im Sonnensystem. Während seine Masse gerade 95-mal größer ist als die der Erde, beträgt seine Dichte nur 0,69 Gramm pro Kubikzentimeter. Selbst Wasser hat eine höhere Dichte. Ungewöhnlich ist auch Saturns Rotationsachse: Sie ist im Vergleich zur Erde (23 Grad) um 26 Grad geneigt und beschert damit dem Gasriesen noch intensivere Jahreszeiten.

Mysteriöses Magnetfeld

Kein Wunder, dass die Äquatorregionen des Saturns mit zu den stürmischsten im Sonnensystem zählen. Dichte Wolken, starke Blitze, heftigste Unwetter, vor allem Windgeschwindigkeiten von bis zu 1400 Kilometer in der Stunde, sind hier keine Seltenheit und hängen mit der schnellen Eigenrotation des Planeten zusammen. Denn ein einziger Tag währt auf Saturn nur 10 Stunden und 39 Minuten. Anstatt wie alle anderen Planeten weniger Energie abzugeben, als er von der Sonne erhält, strahlt eine bislang unbekannte, im Innern des Gasriesen eingeschlossene, Wärmequelle, fast doppelt so viel Energie (wie von der Sonne erhalten) ab. Noch rätseln die Planetenforscher darüber, ob der im Innern des Planeten vermutete Kern aus geschmolzenem Gestein von geschätzten 12.000 Grad Celsius diesen Prozess begünstigt. Mysteriös ist zudem das Magnetfeld auf Saturn, das bis zu 500.000 Kilometer ins All hinausragt und 1000-mal stärker ist als das der Erde. Einerseits rotiert das Magnetfeld um dieselbe Achse wie der Planet selbst, was physikalisch eigentlich entgegengesetzt der Fall sein sollte.

You never walk alone! Voyager 1-Aufnahme vom 3. November 1980: Saturn mit den beiden Trabanten Tethys und Dione (Bild: NASA)

Andererseits ergeben sich aus der Rotationsgeschwindigkeit des Magnetfeldes andere Umdrehungszeiten des Saturns. Die Quelle dieses starken Magnetfelds könnte nach Ansicht der Wissenschaftler metallischer Wasserstoff im Inneren des Planeten sein. „Die Magnetosphäre des Saturns ist einzigartig. Ihre Dynamik ähnelt der des Jupiters“, resümiert Cassini-Spezialist Dr. David Young, Forschungsleiter vom Southwest Research Institute (SwRI) in San Antonio, Texas (USA).

Mond mit dünner Wasserdampf-Atmosphäre

Spektakulär waren auch die bisherigen Vorbeiflüge des Cassini-Orbiters an einigen Saturn-Monden. So konnte die Sonde zur Überraschung der Forscher auf dem 500 Kilometer großen Eismond Enceladus nicht nur eine dünne Wasserdampf-Atmosphäre, sondern auch feine Staubpartikel nachweisen. Ungewöhnlich ist auch, dass Enceladus nahezu 100 Prozent des auf ihn fallenden Lichts reflektiert. Selbst der 116 Kilometer große Saturnmond Epimetheus präsentierte sich beim Cassini-Vorbeiflug als sehr unregelmäßig geformter, von Kratern übersäter Mond. Die vielen großen, abgerundeten Trichter deuten darauf hin, dass die Oberfläche des Wassereis-Mondes mehrere Milliarden Jahre alt ist.

Saturnmond Epimetheus: Cassini-Aufnahme vom 14.Juli 2005 (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Der Höhepunkt der gesamten Mission ereignete sich gleichwohl am 14. Januar 2005, als die ESA-Sonde Huygens auf dem größten und geheimnisvollsten Mond im Saturn-System, Titan, landete. Die Bit und Bytes, die das ESA-Landegefährt während seines knapp vierstündigen Operationsphase zur Erde funkte, sprechen für einen geologisch aktiven Trabanten. "Die Bilder zeigen komplizierte Strukturen auf der Oberfläche, die auf Windeinwirkung, tektonische Prozesse und Flussläufe hinweisen. Sie zeigen auch einige kreisartige Formen, die Einschlagskrater sein könnten", erklärt Porco.

Leben auf Titan?

Zwar deutet vorläufig nach Ansicht der Forscher nichts auf die Anwesenheit von Leben auf Titan hin, befindet sich doch der Saturnmond heute in einem Zustand, der dem der Ur-Erde vor 4,6 Milliarden ähnelt. Eine fremdartige Welt, auf der gelbe Wolken und schwarze, ölige Methanseen existieren. Gleichwohl könnte dies nach Ansicht einiger Exobiologen ein idealer Platz sein, um nach Leben zu suchen. Da auf Titan Temperaturen von bis zu minus 180 Grad Celsius in Bodennähe herrschen, kann der Mond zwar kein flüssiges Wasser konservieren, aber theoretisch könnte hier Leben in flüssigem Kohlenwasserstoff gedeihen, der auf Titan offensichtlich en masse vorhanden ist. Ohnehin seien Kohlenwasserstofflösungen in vielerlei Hinsicht sogar geeigneter als Wasser, um eine komplexe organische Chemie zu steuern, vermuten manche Astrobiologen. Leben könnte unter weitaus exotischeren Bedingungen existieren, wie etwa in den dichten Atmosphären der großen Gasplaneten. Vielleicht in Gestalt von Mikroben, die sich in den flüssigen Ammoniakwolken des Saturns oder Jupiters treiben lassen. Ohne Wasser, ohne Kohlenstoff, vielleicht mit Silizium als Grundbaustein.

Das Canyonland auf Titan – Radaraufnahme Cassinis von Titan; aufgenommen am 7. September 2005 bei einem Vorbeiflug in „nur“ 2000 Kilomter Entfernung (Bild: NASA)

Vielleicht hat aber auch Carl Sagan Recht, der bereits Anfang der 80er Jahre vermutete, dass sich auf Titan eine Schicht organischen Materials gebildet haben könnte, die mehr als 100 Meter dick ist. Hier könnte möglicherweise eine chemische und biologische Entwicklung eingesetzt haben - wie etwa vor vier Milliarden Jahren auf der Erde. "In Anbetracht der Häufigkeit organischer Stoffe und des Sonnenlichts kann die Möglichkeit von Leben auf Titan nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden.“

Literaturtipp: Lorenzen, Dirk H.: Mission: Saturn. Cassini enthüllt die Geheimnisse des Ringplaneten, Kosmos-Verlag, Stuttgart 2005