Schalten und Walten in komplexen Netzwerken

Die Forscher versuchen mit einem cleveren Algorithmus, in komplexen Netzwerken die Schalter ausfindig zu machen, die die Charakteristika des Netzwerks steuern (Bild: Justin und Derek Ruths)

Das ganze Leben ist ein Netzwerk - wer weiß, an welchen Knöpfen er drehen muss, kann das Ergebnis zu seinen Gunsten beeinflussen

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Einer der wichtigsten Strukturtypen in Natur und Gesellschaft ist das Netzwerk. Soziale Beziehungen sind in dieser Form organisiert, ökologische Nischen und die Finanzmärkte ebenso wie der Inbegriff des Netzwerks, das Internet. Netzwerke bestehen aus Knoten und deren Verbindungen untereinander (Kanten) - wobei die meisten Knoten über mehrere verschiedene Kanten mit anderen Knoten in Beziehung stehen. Dadurch sind zwischen zwei nicht direkt verbundenen Knoten stets mehrere Wege möglich.

In der Praxis weiß man zwar oft, dass man es mit einem Netzwerk zu tun hat. Allerdings ist es selten möglich, alles darüber herauszufinden, wie es nötig wäre, um die jeweilige Funktionsweise komplett zu verstehen. Mal ist es zum Beispiel nicht möglich, die genaue Struktur zu ermitteln, weil Teile des Netzwerks in einer Art Black Box verborgen sind. Dann kann man sich mit Versuchen behelfen: Was passiert, wenn ein bestimmter Input eingegeben wird? Aus dem Ergebnis lassen sich mindestens Vermutungen über die Art der Verknüpfungen anstellen.

Ein anderes Mal kennt man zwar die Struktur - man weiß etwa, welche Banken Teil des Finanzsystems sind, und wer mit wem verbandelt ist -, doch es fehlen Kenntnisse über die Intensität dieser Beziehungen. Welche Kapazität haben die Kanten zwischen den Knoten? Sie bestimmt ja, wie einflussreich eine bestimmte Verknüpfung für das Gesamtsystem ist. Doch wie lässt sich ein solches Netzwerk trotzdem kontrollieren? Dazu liefern zwei kanadische Forscher im Fachmagazin Science interessante Ansätze.

Die Schalter ausfindig machen

Ihre Herangehensweise bezieht sich auf die zunächst simple Tatsache, dass ein Knoten stets genau einen Nachbarknoten beeinflusst. Verfolgt man nun, wie sich eine Eingabe von Knoten zu Knoten bewegt, entstehen bestimmte Wege, die die Forscher systematisch erfasst haben. Dabei zeigt sich, dass es nur drei Möglichkeiten gibt: Direkte Wege, die sich leicht steuern lassen, Wege mit internen Abzweigungen (die noch innerhalb des Netzwerks wieder zusammenfließen) und Wege mit externen Abzweigungen, die sich auf die Funktion des Netzwerks nach außen auswirken.

Der Anteil der Wege mit internen Abzweigungen ist in Netzwerken aus dem richtigen Leben meist vergleichsweise klein. Das heißt, wer eine bestimmte Struktur kontrollieren will, braucht nur die Eingabeknoten und die für die externen Abzweigungen relevanten Knoten zu identifizieren. Das gilt für jede Art von Netzwerk. Mit dem Verfahren, das die Forscher in ihrem Paper entwickeln, lässt sich sowohl für synthetische als auch für reale Netzwerke mit überraschend hoher Genauigkeit abschätzen, wieviele der Knoten insgesamt für die Steuerung benötigt werden.

Was dabei so abstrakt klingt, hat durchaus praktische Folgen: Bei vielen real existierenden Netzwerken wäre es absolut wünschenswert, den Output besser steuern zu können. Die Schalter im Finanzsystem etwa könnte womöglich eine nur aus wenigen Regeln bestehende Gesetzgebung umschalten, statt das komplette System regulieren zu müssen.