Schau mir ins Gesicht

Symmetrische Gesichter empfinden wir als attraktiver - und nicht nur wir, auch Rhesusaffen geht es ähnlich

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Augen, Mund, Nase, Oberkörper, Haare, Wangen, Taille und Hüften - das ist, glaubt man ernstzunehmenden Studien, tatsächlich die Reihenfolge, in der Männer Frauen mustern. Männer schauen Frauen eben doch zuallererst ins Gesicht - allen Vorurteilen zum Trotz. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass die Vorderseite des Kopfes beim Menschen zu den wenigen unbedeckten Stellen gehört.

Offenbar zieht uns etwas an den Gesichtern an; es lohnt sich also, dass die Wissenschaft sich mit der Frage befasst, was ein Gesicht attraktiv macht. Ein britisch-amerikanisches Forscherteam hat sich in einem Beitrag für das Open-Access-Wissenschaftsmagazin PLOS One mit diesem Thema beschäftigt. Symmetrie gilt gemeinhin als Zeichen von Schönheit (auch wenn etwa Regensburger Forscher dies zum Beispiel in einer Arbeit relativieren.

Doch warum legen wir überhaupt so viel Wert auf den schönen Schein? Vor allem zwei Ursachen kommen dafür in Frage. Zum ersten könnte man annehmen, dass schöne Gesichter etwas über das evolutionäre Potenzial ihrer Besitzer verraten, dass es also einen tatsächlichen Bezug zwischen Schönheit und Weiblichkeit respektive Männlichkeit gibt.

Zum anderen aber könnte es sich dabei um erlernte Betrachtungsweisen handeln - wenn die Welt um uns herum uns nur oft genug ihre Schönheitsmaßstäbe aufdrückt, übernehmen wir sie irgendwann. Speziell dieser Unterscheidung widmeten sich die Verfasser des PLOS-One-Artikels mit einem geschickten Schachzug: Sie bezogen nicht nur Gesichter europäischen Zuschnitts ein, sondern auch solche der tansanischen Volksgruppe der Hadza, die als Jäger und Sammler leben, und solche einer Gruppe von Rhesusaffen aus Puerto Rico.

Gesichter-Kompositionen mit hoher und niedriger Symmetrie für Rhesusaffen, Hadza-Stammesangehörige und Europäer. Die Bilder wurden in Sachen Augenentfernung normalisiert; jedes Paar besitzt das Mittel der Farbinformationen aus beiden Bildern. (Bild: Little AC, Jones BC, Waitt C, Tiddeman BP, Feinberg DR, et al. (2008)

Die von allen Studienteilnehmern gesammelten Fotos analysierten die Forscher mathematisch, indem sie die Symmetrieeigenschaften maßen und zusätzlich die typisch weiblichen und typisch männlichen Features der Gesichter bestimmten. Schließlich erzeugten die Forscher aus den symmetrischsten und den asymmetrischsten Fotos zusammengesetzte Bilder, die sie von Studenten bewerten ließen - und zwar unter der Fragestellung, welches Bild ihnen am typischsten für das jeweilige Geschlecht vorkommt.

Tatsächlich zeigte sich, dass vor allem die symmetrischen Gesichter als geschlechtstypisch empfunden wurden. Man könnte zwar kritisieren, dass weder Hadza noch Rhesusaffen in die Befragung einbezogen wurden - zu den überraschenden Ergebnissen zählte aber auch, dass die Studenten selbst den Affengesichtern recht erfolgreich das korrekte Geschlecht zuordnen konnten. Wenn Geschlechtlichkeit und Gesichtssymmetrie in dieser Weise korrelieren, so die Folgerung der Forscher, könnte das daran liegen, dass die Eigenschaften eine gemeinsame Ursache haben - ein gutes Genmaterial zum Beispiel. Das würde dann auch erklären, warum wir Frauen tatsächlich zuerst ins Gesicht sehen und nicht auf den Po.