Schavan: Bald Botschafterin am Heiligen Stuhl?

Nach der SZ scheint man für die gestrauchelte Bildungsministerin einen angenehmen Job gefunden zu haben

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Es wird den wenigsten bewusst sein, dass Deutschland auch am Vatikan seit 1954 eine Botschaft hat, also auch eine Residenz im römischen Stadtteil Parioli mit einigen Abteilungen und natürlich auch einen eigenen Botschafter, der diplomatischen Beziehungen mit dem "Heiligen Stuhl" pflegt. Eine Besonderheit dieser überaus wichtigen Vertretung ist, dass die diplomatischen Beziehungen nicht mit dem Vatikanstaat, sondern nur mit dem Papst, dem "Souverän", unterhalten werden. Die Präsenz der Botschaft gewährleiste, so die Begründung, einen "kontinuierlichen politischen Kontakt". Die Bedeutung der Botschaft kann man schon an den angegeben Aufgaben ablesen: Gespräch, Besuch und Kontaktpflege werden genannt.

Seit 2011 fungiert als Botschafter der evangelische Reinhard Schweppe (CDU), der in der vom Architekten Alexander Freiherr von Branca gebauten Botschaft mit einem prächtigen Park residiert. Die Tätigkeiten sind überschaubar, entnimmt man zumindest den Mitteilungen. Da gab es etwa einen Vortrag von Bischof Ackermann mit anschließender Weinprobe in der Residenz, zuvor einen Empfang zum Tag der Deutschen Einheit, der Botschafter sprach mit den Leitern der Katholischen Akademien oder empfing das Landeskomitee der Katholiken in Bayern. Es gab einen Adventstee mit deutschen Ordensschwestern und, ganz wichtig, einen Neujahrsempfang für das diplomatische Corps beim Großmeister des Souveränen Malteser-Ritterordens. Den Deutschen bietet die Botschaft etwa Auskunft zu den Fragen: Wie und wo kann ich den Papst sehen? Oder: Wo bekomme ich Briefmarken und Euro-Münzen des Vatikans?

Nun geht Schweppe nach seiner schweren Dienstzeit, aber wohl befriedet durch die Nähe zum Heiligen Stuhl in den wohlverdienten Ruhestand. Wie die Süddeutsche Zeitung - "exklusiv" – erfahren haben will, könnte damit für Annette Schavan ein Posten gefunden worden sein. Bestätigen wollte diese Information aber weder das Auswärtige Amt noch Schavan selbst.

Die ehemalige Bildungsministerin und Vertraute Merkels ist über ihre Promotionsarbeit mit dem Titel "Person und Gewissen", bei der sie sich zu ausgiebig von anderen Autoren hat aushelfen lassen, gestolpert, der Doktortitel wurde ihr entzogen. Auch wenn die Ludwig-Maximilians-Universität trotz der wissenschaftlichen Fehlleistungen Schavan in den Hochschulrat zum Vorbild aller Studenten aufgenommen hat und sie bei den Wahlen wieder in den Bundestag gewählt wurde, dürfte es schwierig sein, für sie ein Amt zu finden, zumindest so lange sie mit ihrer Klage keinen Erfolg hat.

Schavan ist eng mit der katholischen Kirche verwoben und gibt sich als tief religiös. So betet sie jeden Tag zweimal: "am Morgen und am Abend nehme ich am Stundengebet der Kirche teil. Das geht, egal wo ich mich aufhalte. Ich bete, bevor ich Zeitung lese und zu den Akten greife. Die Regelmäßigkeit tut mir gut. Es ist meine Quelle der Kraft und Gelassenheit."

In Gelassenheit beten könnte sie in Rom als Botschafterin mit einem guten Gehalt leben, müsste allerdings ihr Bundestagsmandat niederlegen. Es könnte sein, dass dies ihre Beliebtheit in ihrem Wahlkreis beeinträchtigt, was ihr, aber nicht der CDU, aber egal sein könnte. Die Süddeutsche übt sich jedenfalls schon mal in Hofberichterstattung: "Als Botschafterin wäre Schavan eine ungewöhnliche, aber vermutlich keine schlechte Besetzung. Die Frau ist zwar keine gelernte Diplomatin. In ihren 18 Jahren als Ministerin in Land und Bund zeichnete sie sich aber durch ein gehöriges Maß an Diplomatie aus. Anders hätte sie sich auch nicht so lange halten können. Der deutsche Bildungsföderalismus ist an Fallstricken mindestens so reich wie die römische Kurie."

Möglicherweise stellt aber der neue Job, sollte Schavan ihn denn bekommen, eine größere Herausforderung an ihr Gewissen als die Dissertation dar. Sie hätte zumindest mit einem Papst zu tun, der als neuer Souverän Überkommenes schleifen will, aber nicht den theoretischen Ehrgeiz des Vorgängers hat, den auch Jürgen Habermas umschmeichelt hat. Aber das kann man als Botschafter, ohne akademischen Auftrag, ja ganz gelassen mit zwei Gebeten am Tag sehen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.