Scheinselbstständigkeit: Was die Politik nicht versteht

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Fachkräfte: Neue Gesetze stellen Mittelstand vor Probleme. Politik setzt bei Selbstständigen auf Verdacht. Die Herausforderung zeigt sich beim Blick nach Asien.

Von Zeit zu Zeit tauchen die sogenannten Solo-Selbstständigen in der medialen Öffentlichkeit auf, nur um kurz darauf wieder in der Versenkung zu verschwinden, ohne dass ihre Probleme gelöst worden wären.

Während große Unternehmen für spezielle Fragestellungen ganze Abteilungen aufbauen können, sind sogenannte KMU (kleine und mittelgroße Unternehmen) damit vielfach überfordert. Die Festanstellung eines qualifizierten Spezialisten scheitert oftmals schon an der zeitlichen Befristung des jeweils aktuellen Bedarfs.

Etwa ein Viertel der deutschen Unternehmen ist sich sicher, nicht auf Solo-Selbstständige verzichten zu können. Zu den wichtigsten Gründen für den Einsatz externer Experten zählen, dass diese schnell verfügbar sind, gezielt einen zeitlich begrenzten Bedarf abdecken können und spezifisches Know-how mitbringen, das den eigenen Beschäftigten fehlt.

Das ist das eindeutige Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) mit dem Titel "Der Einsatz von Solo-Selbstständigen und Angehörigen von Fremdfirmen in deutschen Unternehmen".

Neue gesetzliche Rahmenbedingungen überfordern Stammbelegschaft

Wo große Unternehmensberatungen für die meisten KMU keine Lösung bieten können, da deren Kosten in der Regel viel zu hoch sind, bieten die sogenannten Solo-Selbstständigen meist die genau passende Lösung, weil sie über das spezifische Know-how verfügen und gezielt für die Bearbeitung von Aufgaben eingesetzt werden können, für welche den Festangestellten das notwendige Wissen fehlt.

In Unternehmen, in denen solche externen Spezialisten tätig wurden, sind in den letzten beiden Jahren mehr moderne Technologien in die Arbeitsabläufe integriert worden als anderswo. Die Effektivität und damit Wettbewerbsfähigkeit der Kundenunternehmen sind somit gestiegen und die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sind sicherer geworden.

Ein aktuelles Beispiel für eine neue Herausforderung für KMU ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das zwar in erster Linie für Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiter in Deutschland gilt. In der Praxis trifft die Nachweispflicht aber auch deren deutsche Lieferanten. Selbst kleinste Unternehmen können von ihren Kunden zur Vorlage der entsprechenden Zertifikate aufgefordert werden.

Rechtsunsicherheit bremst deutsche Unternehmen aus

Eine schnelle Implementierung neuer Technologien ist eine wichtige Voraussetzung, um sowohl auf den nötigen Wandel als auch auf plötzlich ausbrechende Krisen schnell reagieren zu können und auf diese Weise Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland zu sichern.

Der Einsatz dieser dringend benötigten Fachkräfte stößt jedoch aus formalen Gründen auf gewaltige Probleme. Ihr erfolgreicher Einsatz setzt einen gesicherten Rechtsrahmen für Solo-Selbstständige und ihre Kunden voraus.

Zu den größten Hemmnissen für den Einsatz von Solo-Selbstständigen zählen laut der oben genannten Studie unter anderem rechtliche Unsicherheiten mit einem Anteil von 35 Prozent und hohe Compliance-Anforderungen mit einem Anteil von 28 Prozent. Seit fast einer Dekade schwebt über hochqualifizierten Solo-Selbstständigen das Damoklesschwert der Scheinselbstständigkeit, ihren Auftraggebern drohen hohe Strafen.

Diese Unsicherheit erschwert den Einsatz von Solo-Selbstständigen und führt dazu, dass innovative Projekte immer häufiger im Ausland stattfinden, wo man für digitale Nomaden bessere Arbeitsbedingungen schafft, als Deutschland sie bietet.

Vor dem geschilderten Hintergrund, dass Solo-Selbstständige und externe Experten für die deutsche Wirtschaft existenziell wichtig sind, ist die Politik gefordert, Lösungen zu finden, welche die bestehende Rechtsunsicherheit beseitigen.

Der Verdacht aus der Politik

Noch immer stehen Solo-Selbstständige zu Unrecht unter dem Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit, wenn sie über eine bestimmte Zeit nur für einen einzelnen Kunden arbeiten und selbst keine Mitarbeiter beschäftigen.

Damit die noch immer bestehende Unsicherheit, die in erste Linie eine mögliche rückwirkende Sozialversicherungspflicht und verdienstunabhängige Mindestbeiträge betrifft, könnte die notwendige Transformation der deutschen Wirtschaft ausbremsen. Daher muss die bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf Scheinselbstständigkeit und Statusfeststellungsverfahren überwunden werden.

Denn wenn die immer weiter zunehmende Verunsicherung unter den Auftraggebern und deren immer massiveren Konsequenzen für Selbstständige und Unternehmen nicht gestoppt werden, verliert Deutschland den wirtschaftlichen Anschluss gegenüber den hier viel flexibleren Ländern in Fernost.