Schlauer als die CIA

US-Think Tanks und das Netzwerk der Neo-Konservativen, Teil 3

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1974 bezichtigte Alfred Wohlstetter, Professor an der Universität von Chicago, akademischer Mentor von Richard Perle (später dessen Schwiegervater) und Paul Wolfowitz die CIA, dass der Geheimdienst systematisch die Entwicklung des sowjetischen Raketenprogramms unterschätzen würde. Es begann eine konzertierte Aktion von konservativen Kräften gegen die jährlichen Berichte der CIA zur Einschätzung der sowjetischen Bedrohung.

Im März 1976 wurde das "Committee on the Present Danger" (CPD) wiederbelebt mit dem Ziel, die Öffentlichkeit vor der wachsenden sowjetischen Gefahr zu warnen. Die Wiederbelebung des CPD, das in den fünfziger Jahren unter Paul Nitze für eine starke militärische Aufrüstung der USA zur Eindämmung des Kommunismus zugunsten einer militärischen Oberhoheit der USA in der Welt eintrat, war vor allem Mitgliedern des Team B zu verdanken, das 1976 vom damaligen CIA-Chef George Bush gegründet wurde, um eine unabhängige Einschätzung der sowjetischen Kapazitäten und Absichten zu entwickeln.

Intellektueller Kopf des Team B war Richard Pipes, Professor in Harvard und Vater von Daniel Pipes (vgl. dazu Neue Aufgabe für den "führenden Islamophobiker"), zuständig für Geschichte und Ideologie des "Imperiums des Bösen"; Paul Wolfowitz, damals in der Präsident-Ford-Administration als Experte für Rüstungsbeschränkung (Arms Control and Disarmament) tätig, war ebenfalls Mitglied von Team B.

Committee on the Present Danger

Die politische Basis, so die amerikanische Website Public Eye, für das erneuerte "Committee on Present Danger II" bildete die "Koalition für eine demokratische Mehrheit (Coalition for a Democratic Majority - CDM)", eine Gruppe von konservativen Demokraten, angeführt vom legendären Senator Henry "Scoop" Jackson, die den Kampf gegen das "große Böse", den Kommunismus, aufnahm. Die Vereinigten Staaten hätten die moralische Pflicht, das "Reich des Bösen" zu "entwurzeln" und Demokratie über die ganze Welt zu verbreiten.

Dem CPD II gelang es bald, seine politische Basis auszudehnen; auch hohe Gewerkschaftsfunktionäre, Liberale und neokonservative Intellektuelle - wie etwa Richard Perle und Michael Ledeen - gehörten zur wachsenden Mitgliederschar; man begnügte sich nicht mehr mit dem Widerstand gegen die SALT-Abkommen; mehr und mehr wurden imperiale und unilaterale Machtkonzeptionen in die Debatte gebracht. Als Geldgebern des CPU II werden u.a. genannt: David Packard von Hewlett-Packard und der Öl-Millionär und politische Mäzen Richard Scaife, sowie diverse Scaife-Stiftungen; 33 Mitglieder des CPD arbeiteten in der ersten Reagan-Administration.

1992 veröffentlichte die CIA die "Team-B"-Berichte (vgl. dazu The Trillion Dollar Experiment); das Resumé: die Bedrohung durch das Reich des Bösen wurde maßlos überschätzt.

Team B' s Versagen ein sowjetisches nicht-akustisches Anti-U-Boot-System zu finden, galt als Beweis dafür, dass es sehr wohl eins geben könnte: "Die Implikation könnte sein, dass die Sowjets tatsächlich einige operationelle nicht-akkustische Systeme einsetzen und in den nächsten Jahren noch mehr einsetzen werden."

in:The Trillion Dollar Experiment

Parallelen zur Gegenwart drängen sich auf; nicht nur, was einige Namen betrifft, sondern auch die Methode. Ein aktuelles Beispiel dafür, wie man zu der Wahrheit gelangt, die politisch ins Programm passt, und dabei die CIA im Nassen stehen lässt, kann man in der aktuellen Ausgabe des New Yorker verfolgen.

Special Plans

Seymour M. Hersh stellt dort die Qualität der Informationen, die das Büro des Pentagon für besondere Pläne (Pentagon's Office of Special Plans) abseits der CIA gesammelt hat, infrage. Wie es in dem Bericht heißt, wurde "Special Plans" gegründet, um Beweise dafür zu finden, was Paul Wolfowitz und sein Chef Donald Rumsfeld, für wahr hielten: Dass es enge Beziehungen gebe zwischen Saddam Hussein und Al-Qaida, dass der Irak über ein enormes Arsenal an chemischen, biologischen und möglicherweise sogar nuklearen Waffen verfüge, die nicht nur die Region bedrohten, sondern auch die USA.

Rumsfeld und seine Kollegen glaubten, dass die CIA unfähig war, die wirkliche Situation im Irak wahrzunehmen. Die "Agentur" war draußen, um die Verbindung zwischen dem Irak und dem Terrorismus zu widerlegen, sagte mir der Pentagon Vertraute. Das trieb sie. Wenn Sie jemals mit geheimdienstlichen Datenmaterial arbeiten, könnten Sie die in Fleisch und Blut eingegangene Lesarten der CIA erkennen, die Art, wie sie Daten sehen. Das Ziel von Special Plans, sagte er, war die Daten unters Mikroskop zu halten, um zu entdecken, was die Geheimdienste nicht sehen konnten.

Perle äußerte ähnliche Bedenken gegenüber der CIA schon vor dem 11.September; er war sich sicher, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte. Aber der Beweis fehlte. Den sollten dann Überläufer des irakischen Regimes erbringen, so Hersh. Der Führer des Irakischen Nationalkongresses (INC), Ahmed Dschalabi, der beste Verbindungen zu Wolfowitz und Perle hat, spielt eine Hauptrolle in der "Rekrutierung" geeigneter Belastungszeugen mit dem richtigen Wissen.

Hersh zitiert mehrere Beispiele für Informationen von Überläufern, die in der westlichen Presse für Aufsehen sorgten, etwa die Aussage eines Ingenieurs namens Al-Haideri, dass der Irak über mobile Fabrikationsanlagen für biologische Kampfstoffe verfüge, eine Quelle aus erster Hand, wie es schien. Auch Colin Powells Rede vor dem UN-Sicherheitsrat bezog sich u.a. auf Haideris Angaben, der neben den mobilen Produktionslabors noch zwanzig andere versteckte Produktionsstätten für chemische und biologische Waffen erwähnte. Bis heute konnte keine von Haideris Behauptungen bestätigt werden; weder von Blix Inspekteuren noch von den amerikanischen Militärs.

Der frühere Geheimdienstmitarbeiter fuhr fort: Eine der Gründe, weshalb ich kündigte, war mein Gefühl, dass sie Geheimdienstmaterial von der CIA und anderen Agenturen nur dann nutzten, wenn es in ihre "Agenda" passte. Sie mochten das Material nicht, das sie bekamen, weshalb sie Leute einkauften, die das richtige Zeug schrieben. Sie waren so verrückt und so abgefahren, so weit von der Vernunft entfernt, bis zu dem Punkt, dass sie bizarr wurden. Dogmatisch, als ob sie sich auf einer göttlichen Mission befänden. Er fügte hinzu: Wenn es nicht zu ihrer Theorie passte, dann wollten sie es nicht akzeptieren

Seymour M. Hersh

In der Fortsetzung: Das richtige Wissen