Schleichwerbung oder Syndication?

Die Web-Community Kuro5hin führt ein umstrittenes Sponsorenmodell ein

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Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen geht Kuro5hin.org neue Wege: In Zukunft soll ein Sponsor für einen Teil der Beiträge sorgen. Kritiker sehen darin die Unabhängigkeit des Mediums gefährdet. Doch ihre Gegner glauben, dass die Community dank ihres kollaborativen Filter-Modells auch durch Geld nicht zu beeinflussen ist.

Für Aufregung sorgte auf den Seiten der IT-Culture-Community Kuro5hin.org vor einigen Tagen ein Posting des Sitegründers Rusty Foster. Darin erklärte er, man wolle gemeinsam mit der Website DigitalIDWorld.com ein neues Einnahmemodell ausprobieren. DigitalIDWorld soll demnach in Zukunft eigene Texte zu Kuro5hin beisteuern, für deren Erscheinen Kuro5hin bezahlt wird. Die Texte sollen zwar als gesponsorte Beiträge erkennbar sein, sonst aber behandelt werden wie jedes andere Posting auf der Website.

Kuro5hin kratzt mit diesem Modell gleich an zwei Tabus: Der journalistischen Unabhängigkeit und dem egalitären Modell einer Web-Community. Klassischen Medien gilt die Trennung von redaktionellen Inhalten und Anzeigen als eines der höchsten Güter. In der Praxis mag es immer wieder zu unheiligen Vermischungen der beiden Bereiche kommen. Doch bezahlte Texte in einem redaktionellen Umfeld - das wäre für journalistisch arbeitende Medien nicht vorstellbar. Rusty widerspricht allerdings dem Vorwurf energisch, man wolle hier Anzeigen als Beiträge tarnen:

"Das sind keine Anzeigen, das ist Syndication. Es ist gebräuchlich und vollkommen akzeptiert."

Mit dem kleinen Unterschied, dass bei Syndication das Geld normalerweise den umgekehrten Weg fließt.

Kann sich der Sponsor gute Noten erkaufen?

Ein noch größeres Problem für die meisten mitdiskutierenden Kuro5hin-Mitglieder war jedoch, dass sich jemand damit praktisch in ihre Community einkauft. Kuro5hin ist ein typisches interaktives Weblog nach dem Vorbild von Slashdot.org. Inhalte werden kostenlos von dem Mitgliedern der Community generiert, endlose Diskussionen geben den Texten einen zusätzlichen Wert. Dabei vertraut man an Stelle eines klassischen Redaktions-Teams auf kollaboratives Filtern. Beiträge und Kommentare können positiv oder negativ bewertet werden. Nur wenn ein Text genug positive Wertungen hat, schafft er es auch auf die Titelseite.

Doch kann dieses Prinzip noch funktionieren, wenn sich ein Sponsor in die Community einkauft? Werden seine Texte nicht möglicherweise von einigen besser als nötig benotet, weil man glaubt, so das Überleben seiner Lieblings-Website zu sichern? Oder geben andere vielleicht schlechtere Noten als nötig, weil sie aus Prinzip gegen eine Firma als Mitspieler im kollektiven Medienexperiment sind?

Angeheizt wurde diese Diskussion dadurch, dass Rusty anfangs ein recht merkwürdiges Prämiensystem für die DigitalIDWorld-Beiträge in Aussicht stellte: Für jeden per Voting auf die Titelseite gebrachten DigitalIDWorld-Text sollte Kuro5hin 100 Dollar bekommen. Abgewählte Texte, die nicht auf der Site erscheinen, sollten dagegen gar kein Geld bringen. Nach hitziger Kritik an diesem Modell erklärten die DigitalIDWorld-Betreiber allerdings, das sei offenbar ein Missverständnis. Man habe sich niemals in irgend einer Weise positive Votings erkaufen wollen. Die betreffende Passage wurde daraufhin aus dem Sponsorship-Vorschlag gestrichen.

Danach zeigten sich die meisten Kuro5hin-Mitglieder versöhnlich und stimmten für den neuen Geldgeber. Sollten dessen Texte zu schlecht sein, so argumentierten viele, werde man sie schon noch früh genug in Grund und Boden voten können.

Slashdots Abo-Modell: Wer mehr liest, zahlt auch mehr

Kuro5hins Sponsorship-Modell mag ungewöhnlich sein - das Ausgangsproblem ist jedoch altbekannt: Wie kann eine Website in Zeiten überleben, in denen der Werbemarkt darnieder liegt? Gerade große Weblogs haben damit besonders zu kämpfen. Gestartet werden sie oft im Alleingang, doch im Erfolgsfall wachsen sie zu riesigen Communities, deren Betrieb nicht wenig Geld und Arbeit verschlingt. Kuro5hin bringt es auf 5 Millionen Seitenabrufe im Monat, das geheime Vorbild Slashdot.org sogar auf 43 Millionen.

Kuro5hin versucht sich seit einiger Zeit über bezahlte Textanzeigen seiner Mitglieder über Wasser zu halten, Slashdot setzt statt dessen auf aufdringlichere Bannerwerbung. Zusätzlich besitzen beide Seiten mittlerweile eine Art freiwilliges Abo-Modell. Anlässlich dessen Einführung vor wenigen Wochen gab es auf Slashdot.org ebenfalls erregte Diskussionen. Grund dafür waren die eher kuriosen Konditionen: Abonnenten bekommen ihr Slashdot werbefrei. Doch wer mehr liest, zahlt auch mehr. 1000 Seiten ohne Werbung kosten derzeit fünf Dollar.

Beide Websites bewegen sich mit solchen Modellen auf einem schmalen Grat. Einerseits müssen sie ihr finanzielles Überleben sichern, andererseits dürfen sie gegenüber ihrer eigenen Community nicht als zu geldgierig erscheinen. Slashdot- und Kuro5hin-Mitglieder sind eben mehr als nur austauschbare Leser - mit ihrer unbezahlten Beteiligung steht und fällt das Konzept der jeweiligen Website. Dabei könnte genau dieses Konzept einer kritischen Community auch für potentielle Geldgeber interessant sein. So wies ein Kuro5hin-Mitglied in der Diskussion um gesponsorte Texte darauf hin, dass es DigitalIDWorld ja wahrscheinlich gar nicht so sehr um Schleichwerbung gehe. Viel wertvoller sei es für die Firma, einen direkten Zugang zu den Meinungsbildern der Community und ihres gesammelten Wissens zu bekommen:

"Sie bringen uns dazu, über das zu diskutieren, was sie interessiert."