Schleswig-Holstein: Rot-Grün-Dänischrot abgewählt

Slogan von Martin Sonneborns PARTEI im schleswig-holsteiner Landtagswahlkampf.

Große Koalition, Jamaika-Koalition oder Ampelkoalition in Kiel?

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Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat die regierende SPD von Ministerpräsident Torsten Albig dem aktuellen Stand nach 3,2 Punkte auf jetzt nur mehr 27,2 Prozent verloren. Damit liegt sie deutlich hinter der CDU, die mit ihrem weitgehend unbekannten Spitzenkandidaten Daniel Günther 1,2 Punkte auf jetzt 32 Prozent zulegen konnte.

Dazu, woran der Verlust der SPD lag, gab es gestern unterschiedliche Spekulationen: Ein Grund dürfte neben der Bildungs- und Verkehrs- und Sicherheitspolitik (mit der sich die Bürger in Umfragen besonders unzufrieden zeigten) das Personal gewesen sein - angefangen beim Landesvorsitzenden Ralf Stegner, dem Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut Forsa schon vor Jahren bescheinigte, dass er "von den Menschen als Kotzbrocken wahrgenommen" wird." "Wo immer er auftritt", so Güllner, "stabilisiert er dieses Bild". Trotzdem wählten die SPD-Funktionäre Stegner 2014 zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden, der seitdem in den Medien noch mehr Platz für sich in Anspruch nimmt als früher.

Viel Spott in Sozialen Medien

Ebenfalls zur Niederlage dürfte Ex-Innenminister Andreas Breitner beigetragen haben, der ein Foto seines Stimmzettels mit dem Kreuz bei der SPD auf Facebook postete und anscheinend nicht wusste, dass dadurch eine Stimme ungültig wird. Damit war er in Sozialen Medien ähnlich präsent wie ein virales Foto mit den vier eher unmotiviert wirkenden SPD-Politikern Torsten Albig, Ralf Stegner, Manuela Schwesig und Martin Schulz, das von zahllosen Nutzern mit Sprech- und Denkblasen verziert und vom ehemaligen Focus-Vizechef Stephan Pateow mit einer recht amüsanten Analyse bedacht wurde, wie man sie aus der Sendung "1000 Meisterwerke aus den großen Museen der Welt" kennt.

Die Grünen schnitten mit 12,9 Prozent nur um 0,3 Punkte schlechter ab als 2012 und widerstanden damit dem deutlich stärkeren Negativtrend im Bund und in anderen Ländern, obwohl es in der Politik des Landesverbandes keine wesentlichen Unterschiede zu der in Berlin und anderswo gab: Robert Habeck, der Energieminister von Schleswig-Holstein, forderte beispielsweise, dass man in Deutschland nicht mehr "auf russisches Erdgas setzt" und "mindestens" den geplanten Ausbau der Nord-Stream-Pipeline stoppt. Für diese Forderung führte er nicht nur energiepolitische Motive ins Feld, sondern auch den Einsatz russischer Truppen in Syrien, der unter anderem mit Einnahmen aus dem Gasverkauf finanziert werde, was für ihn "unerträglich" ist (vgl. Grüne schärfen ihr Profil als Verbotspartei).

Der dritte Koalitionspartner, die Dänen- und Friesenpartei SSW, verlor 1,3 Punkte, zieht mit 3,3 Prozent Stimmenanteil aber trotzdem mit drei Abgeordneten in den Landtag ein, weil für sie keine Fünf-Prozent-Hürde gilt (vgl. Südschleswig zurück an Dänemark?).

An dieser Sperrklausel scheiterten sowohl die bislang mit sechs Abgeordneten im Kieler Landtag vertretenen Piraten (die von 8,2 auf 1,2 Prozent absackten), die Linken (für die 3,8 Prozent der Wähler stimmten) und Martin Sonneborns PARTEI (die mit ihren ungewöhnlichen Slogans und Plakaten in Sozialen Medien sehr präsent war).

Interne Grabenkämpfe in der AfD

Die AfD schaffte mit 5,9 Prozent den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und den Einzug in den 12. Deutschen Landtag. Im Wahlkampf machte sie vor allem mit internen Grabenkämpfen Schlagzeilen: Eine Woche vor der Landtagswahl erklärte das Landesschiedsgericht die Wahl des Landesvorstands für unwirksam, weil es zu massiven Satzungsverstößen bei der Einladung zum außerordentlichen Parteitag gekommen sei. Dem neuen Vorstand unerwünschte Mitglieder hatten keine Einladung erhalten, deren Parteitagsantrag wurde gleich ganz unterschlagen.

Bundesvorsitzende Frauke Petry persönlich hatte vor einem außerordentlichen Parteitag den Gründungsvorsitzenden des Landesverbands in Misskredit und damit zu Fall gebracht. Dem Urteil des Landesschiedsgerichts war ein insgesamt auf über ein Jahr verschleppter Rechtsstreit vorausgegangen. Zuletzt versuchte der Bundesschatzmeister der AfD, die nachteilige Entscheidung durch eine grob parteienrechtswidrigen Auslistung eines AfD-Schiedsrichters abzuwenden.

Koalitionsoptionen

Um 3,3 Punkte zulegen konnte die FDP, die mit 11,5 Prozent das beste Ergebnis seit 70 Jahren einfuhr. Dieses Rekordresultat reicht allerdings nicht für eine Zweierkoalition mit der CDU. Eine Parlamentsmehrheit für eine Zweierkoalition hätten nur CDU und SPD. Diese Konstellation hält Wahlsieger Günther zwar nicht für ausgeschlossen, aber "angesichts des Wahlergebnisses nicht für das Richtige". Dafür ließ er gestern Abend Sympathien für eine "Jamaika-Koalition" aus CDU, FDP und Grünen erkennen.

Eine Alternative dazu wäre eine so genannte "Ampelkoalition" aus SPD, Grünen und FDP. Ob der schleswig-holsteinische FDP-Frontmann Wolfgang Kubicki so eine Ampel riskieren wird, ist jedoch insofern fraglich, als die Liberalen in solch einem Modell in Rheinland-Pfalz kaum Politikziele durchsetzen konnten und es der FDP in der bevorstehenden Bundestagswahl schaden könnte, wenn sie den Grünen in einem weiteren Bundesland dazu verhilft, ihre Ziele zu verwirklichen (vgl. Schlechte Karten für die Grünen).

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