Schluss mit lustig

My first Digi-Pass

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Auch wenn man seinen Wohnsitz in der sonst so sicheren Schweiz hat: Am neuen Reisepass mit Chip kommt man als deutscher Staatsbürger nicht vorbei. Wozu auch, hat ja durchaus komische Momente: Ausschnitte aus diversen Amtsgängen.

Nun ist eine Entscheidung in die Schweiz zu ziehen nicht durchweg eine aus Gründen des weltweiten Verbrechens. Aber der lange Arm der Krieg-gegen-den-Terror-Hysterie holt einen auch in Zürich ein. Seit dem 1. November gelten bekanntlich auch für Auslandsdeutsche die Bestimmungen der neuen Reisepässe mit gespeicherten Biometrie-Daten.

Wer also nicht reaktionsschnell noch bis Ende Oktober ein Dokument der alten und banalen Maschinenlesbarkeit ergattern konnte, steht jetzt als erstes Volk der Erde wegen einer neuen Generation von Pässen im Kampf gegen das Böse in der Welt an. Weil wir alle wissen, dass ab jetzt jeden Tag gemeingefährliche Subjekte an den Grenzen festgenommen werden und ganze Heerscharen an Selbstmordattentätern Luzern erst gar nicht mehr erreichen werden, tun wir das gerne.

Aus der Foto-Mustertafel für den ePass

Auffallend ist zunächst einmal die Gebührenerhöhung auf das ungefähr Doppelte. Damit sich einzig ein Land wie die USA sicher fühlt und Deutschland auch ein guter Freund bleibt, zahlen seine Bürger eine ordentliche Sekundärsteuer selbst dann, wenn sie den EU-Raum nie verlassen werden. Und dafür bekommen sie schon nach Vorlage von diversen Dokumenten einen Pass, der ansonsten auch für die Einreise in Länder weiter weg als Liechtenstein eher übertrieben ist. Noch. Gut. Die diversen Dokumente bestehen hier in der Schweiz übrigens aus:

  1. Original Reisepass (alt)
  2. Original Ausländerausweis
  3. Original 150 CHF Franken in passenden Scheinen
  4. Original Abmeldebescheinigung aus Deutschland
  5. Original Geburtsurkunde
  6. Original Passantrag
  7. Original selbst adressierter Personenkarte
  8. Original vom Konsulat spendiertem Rückumschlag
  9. Original Biometrie-geeigneten Passfotos

Ansonsten reicht ein einfacher Gang zum Konsulat, das zwei Stunden am Tag geöffnet hat. Aber es bleiben doch Fragen zurück, während die nette Dame hinter dem Schalter stoisch diese Liste an Benötigtem abarbeitet.

Warum schleppe ich als Beantrager eigentlich eine leicht mit einem Farbkopierer zu fälschende Geburtsurkunde und eine ebenso windig als PC-Ausdruck vorhandene Abmeldebescheinigung an, wenn ich einen fälschungssicheren Pass möchte/brauche/haben muss? Ist vielleicht, Entsetzen macht sich breit, in der Deutschen Botschaft Bern nicht der geringste Datenzugriff auf bundesdeutsche Einwohnerregister möglich? Oder will man einfach nur testen, ob der Bürger X noch alle Dokumente und Tassen im Schrank hat? Mehr ein staatskundlicher Pisa-Test also?

Und wenn man schon einmal ins Sinnieren kommt, dann hört das nicht mehr auf. Es muss ein Passfoto sein, dessen abgebildete Kopfgrösse genau in eine am Schalter vorhandene Schablone passt. Und wehe man grinst auf diesen Bildern oder trägt einen Schleier (davor warnen sehr plastische Plakate im Amtsraum), dann funktioniert das Verfahren nicht.

Nun ist der Drang eines männlichen Deutschen mittleren Alters einen Schleier zu tragen vor allem bei abendländischer Erziehung zu vernachlässigen. Der Drang zu lächeln auch. Aber trotzdem beunruhigt diese Aussage doch etwas. Man habe Schwierigkeiten, durch die digitalen Scanner erkannt zu werden, wenn der Kopf zu klein, die Backen zu grinsig und das Haar zu lang seien. Aber immerhin liege die Erkennungsrate weit über 98 %. Vermutlich beläuft sie sich also auf 99% und führt dazu, dass in Zukunft statistisch jeder 100. deutsche Staatsbürger zu freundlich war und deshalb seinen Urlaub nicht in Texas, sondern in einem US-Gefängnis zubringen wird. Eine Verlustrate dieser Grössenordnung war bisher im Tourismus nicht üblich.

Aber das ist natürlich übertrieben dargestellt. Zum einen würde bei einem fehlenden Match zwischen ernstem Foto und bedenklich schauendem Gesicht nur eine weitere Überprüfungsprozedur nötig. Und wenn in diesem Fall der Verdächtigte nicht gerade Witze der Sorte „Wo kann ich denn inzwischen meine Panzerfaust hinstellen?“ reißt, sollte da auch nichts passieren.

In meinem Fall wurde ich wegen fehlender Gesichtsgrösse noch einmal zum Fotografen geschickt und kam dann stolz mit p-e-r-f-e-k-t-e-n Fotografien zurück. Die Frage „Sie waren, ehm, Herr Taglinger, gell?“ habe ich auch wahrheitsgemäss beantwortet. Nicht auszudenken, wenn nach all diesen Anläufen mit heimatlichem Schriftverkehr und teurem Schweizer Geld ein Sachbearbeiter dann noch meine Fotos in die Mappe zu einem anderen Glatzköpfigen gesteckt hätte. Es wäre mir einfach peinlich, bei einer möglichen Einreise in die USA schräg angeschaut zu werden, weil man mir einfach nicht glauben will, ich sei Otto Schlüter aus Landsberg, geboren am 21.12.1923, ehemaliges Mitglied der Waffen-SS, aber eigentlich so unbescholten wie ein Weltraumforscher in den 50ern. Da würde mir dann auch ein ernstes Gesicht nicht wirklich weiterhelfen.

Ach ja: In der Schweiz wird übrigens ab dem 1.1.2006 ein eingepflanzter Chip bei Hunden Pflicht. Da hat man ja noch richtig Glück. Dieses Mal jedenfalls noch.