Schneller Wechsel der US-Verwaltung im Irak

Dem Ex-General folgt der Pentagon-Vertraute Paul Bremer, der wie viele andere aus der Bush-Regierung aus der Reagan-Zeit stammt und wohl schärfer durchgreifen soll

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Beim Vorgehen gegen das Hussein-Regime schien zunächst das Pentagon die Erfolge einzuheimsen. Auf den schnellen Sieg sollte unter der Leitung des Ex-Generals Jay Garner, der wiederum unter der Aufsicht des militärischen Oberbefehlshabers Franks steht, die Schäden behoben, das gesellschaftliche Leben wieder in Gang gebracht und eine irakische Übergangsregierung eingeführt werden (Der US-General a.D., der den zivilen Wiederaufbau des Post-Hussein-Irak leiten soll). Jetzt wird Garner mit einen Teil seiner Mannschaft überraschend schnell aus dem Irak zurückgezogen, aber eigentlich nur durch einen ebenfalls Pentagon-nahen Verwalter ersetzt, der härter durchgreifen soll. Frustriert scheint man auch die Suche nach Massenvernichtungswaffen erheblich zu reduzieren und die dafür bislang verantwortliche The 75th Exploitation Task Force.

Gerade drei Wochen lang haben nun die alliierten Truppen unter US-Führung den Irak besetzt. US-Präsident Bush verkündete das Ende der Hauptkampfhandlungen. Die UN soll weitgehend vom Wiederaufbau und der politischen Gestaltung des Landes ausgeschlossen bleiben, aber die Sanktionen aufheben, obgleich auch die UN-Inspektoren die Hauptforderung der letzten UN-Resolution nicht überprüfen sollen. Die Sanktionen können danach aufgehoben werden, wenn das Land frei ist von Massenvernichtungswaffen oder diese zerstört wurden.

Für die US-Regierung ist dies zumindest ein Dilemma. Sollten tatsächlich Massenvernichtungswaffen gefunden werden, dann wäre die eigenmächtige Invasion zwar noch immer nicht völkerrechtlich legitimiert, aber zumindest wäre der vorgeschobene Grund für den Regime-Wechsel nachgewiesen. Allerdings könnten dann über einen Fund hinaus noch weitere Massenvernichtungswaffen im Land sein, was eigentlich einer Beendigung der UN-Sanktionen zuwiderlaufen müsste. Sollte hingegen nichts gefunden werden, dann stünde die US-Regierung als Lügner da und könnte nur noch auf die Vergesslichkeit der Menschen, die "Realpolitik" der Regierungen und das Herausstreichen eines Befreiungskriegs setzen. Zu letzterem aber ist nicht nur ein militärischer Sieg erforderlich, sondern auch der Aufbau einer von der breiten Bevölkerung getragenen neuen Regierung.

Während die Amerikaner zwar von den Kurden freudig empfangen wurden, sieht die Lage bei den Sunniten und vor allem den Schiiten ganz anders aus. Der vom Pentagon importierte Dschalabi wird offenbar abgelehnt (Iraqi Opposition, go home !), der Ex-General kann seine Rolle als Zivilverwalter nicht ausreichend erfüllen, viele Menschen scheinen wegen der schleppenden Wiederherstellung der Infrastruktur und der gesellschaftlichen Ordnung unzufrieden sein, die Stimmen werden lauter, dass die USA möglichst schnell das Land verlassen sollen, die Schiiten drohen mit der Aufrichtung eines islamischen Staates nach dem Vorbild Irans, was schnell zu Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen führen könnte. Der eben aus dem iranischen Exil zurück gekehrte und einflussreiche Ajatollah Ayatollah Mohammed Baqer al-Hakim (Die Mullahs und das Bündnis mit dem Satan) machte deutlich, dass die Zukunft Iraks islamisch sein müssen und die erste Priorität die Unabhängigkeit sei.

Trotzdem: drei Wochen sind keine lange Zeit, um ein Land nach jahrzehntelanger Diktatur, drei Kriegen, einer zerstörten oder dank der Sanktionen veralteten Infrastruktur und einer nicht gerade einfachen Bevölkerungsstruktur wieder einigermaßen in die Gänge zu bringen. Afghanistan hätte da ein gutes Beispiel sein können. Weil sie in Bagdad kaum mehr als ein Chaos zustande gebracht hatte, verlässt, wie die Washington Post berichtet, bereits heute Barbara Bodine den Irak, die als eine Art Bürgermeister fungierte. Garner und weitere Mitglieder seiner Mannschaft sollen in den nächsten Tagen folgen.

Ausgewechselt wird der Pentagon-Mann durch den ehemaligen Diplomaten und Terrorismus-Experten Paul Bremer, den, wie zunächst Gerüchte verbreiteten, das Außenministerium durchgesetzt haben soll und der zunächst als Vertreter des Präsidenten an die Seite Garners gestellt werden sollte. Aber nicht jeder, der einmal im Außenministerium gearbeitet hat, ist deswegen auch schon anders als die Leute vom Pentagon. Das zeigt sich auch schon daran, dass er direkt Donald Rumsfeld und nicht Colin Powell unterstellt ist.

Bremer war bereits 2002 in den Homeland Security Advisory Council berufen worden. Zuvor hatte er die 1999 vom Kongress einberufene National Terrorism Commission geleitet, deren Bericht 2000 vorgelegt wurde, und später im Auftrag der konservativen Heritage Foundation der im Oktober 2001 gegründete Homeland Defense Task Force vorgestanden. Er hatte lange Zeit als Botschafter und als Assistent für das Außenministerium gearbeitet. Wie so viele andere aus der Bush-Regierung hatte auch Bremer unter der Reagan-Regierung als Terrorismusexperte fungiert. In dieser Zeit hatte er auch mit Oliver North zusammen gearbeitet, der zusammen mit Poindexter hinter dem Iran-Contra-Skandal stand. Auch Poindexter hat unter Bush wieder eine Stelle beim Pentagon erhalten: als Leiter des umstrittenen Überwachungsprojekts Total Information Awarness.

Nach der Politik war Bremer lange Zeit bei Kissinger & Associates, also der Firma des ehemaligen Außenministers Kissinger, und seit 2000 ist er bei Marsh Political Risk Practice, dem weltweit führenden Anbieter von Dienstleistungen für das Risiko- und Versicherungsmanagement. Im Oktober 2001, also kurz nach den Anschlägen, gründete das Unternehmen die Marsh Crisis Consulting mit Bremer an der Spitze. Sie ist eine kommerzielle Antwort auf die Terrorismus-Angst der Unternehmen. Bremer bringt sicherlich keinen neuen Geist mit, er gehört der neokonservativen Seilschaft an, steht Rumsfeld und Co. durchaus nahe und wurde vermutlich hauptsächlich deshalb gewählt, weil er nach außen als Diplomat verkauft werden kann und vielleicht für die Bewältigung von politischen, nichtmilitärischen Konflikten als Terrorismus- und Risiko-Experte eher gerüstet sein könnte, sich jedoch, weil er als bekannter Falke hart durchgreifen soll. Präsident Bush bezeichnete ihn denn auch als "a person who knows how to get things done; he's a can-do type person".

"Our retribution must move beyond the limp-wristed attacks of the past decade, actions that seemed designed to "signal" our seriousness to the terrorists without inflicting real damage. Naturally, their feebleness demonstrated the opposite. This time the terrorists and their supporters must be crushed. But we must avoid a mindless search for an international 'consensus' for our actions. Tomorrow, we will know who our true friends are."

Bremer am 13. September 2001

Ob Bremer tatsächlich mit der Lage im Irak besser zurechtkommen wird wie der politisch wahrscheinlich naivere Garner, ist alles andere als sicher. Er gilt als jemand, der schon lange ein hartes Vorgehen gegen Terroristen vertritt und vor allem im islamischen Fundamentalismus den gefährlichsten Gegner sieht. Die US-Regierung müsse vor allem die Staaten, die Terrorismus fördern, unter Druck setzen. Die Clinton-Regierung mahnte er 2000 zu einem schärferen Vorgehen vor allem gegenüber dem Iran, aber auch gegenüber Syrien, Sudan, Libyen, Nordkorea, Afghanistan und dem Irak. Wie viele Vertreter der US-Regierung will auch er keinen Zusammenhang des muslimischen Terrorismus mit dem Nahost-Konflikt sehen. Über den Irak scheint Bremer kaum etwas zu wissen, auch wenn er sich in den 70er Jahren kurz einmal in Afghanistan aufgehalten hat.